Verfahrensgang
LG Aachen (Aktenzeichen 9 O 465/18) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 22.08.2019 - 9 O 465/18 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, an den Kläger 10.260,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.01.2019 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi A4 2.0 TDI DPF mit der Fahrzeugidentifikationsnummer A.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1.; die übrigen Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 54 % und die Beklagte zu 2. zu 46 %.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger und der Beklagten zu 2. bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, sofern nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen soweit es die Entscheidung in Bezug auf die Beklagte zu 2. betrifft.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagten wegen des Erwerbs eines vom sog. Abgasskandal betroffenen Gebrauchtwagens des Typs Audi A4 2.0 TDI im Februar 2012 in Anspruch. Die Beklagte zu 1. ist eine Audi-Vertragshändlerin, bei der der Kläger das Fahrzeug erwarb. Die Beklagte zu 2. ist die Herstellerin des Fahrzeugs, in welchem der Diesel-Motor EA 189 eingebaut ist.
Der Kläger bestellte das streitgegenständliche Gebrauchtfahrzeug am 07.02.2012 bei der Beklagten zu 1. zum Kaufpreis von 22.400,00 EUR brutto. Das Fahrzeug, das am 22.07.2008 erstzugelassen worden war, hatte zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses eine Laufleistung von 44.896 km. Am 10.07.2012 wurde das Fahrzeug an den Kläger ausgeliefert.
Die Steuerung des Motors des streitgegenständlichen Fahrzeugs war bei Übergabe mit einer Software ausgestattet, die anhand des Fahrverhaltens erkennt, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im realen Fahrbetrieb befindet. Gleichzeitig war die Software so programmiert, dass sie zwei unterschiedliche Betriebsmodi für die Steuerung der Abgasrückführung aufwies: Im Modus 1, der nur beim Durchfahren des neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) auf dem Prüfstand aktiv war, kam es zu einer höheren Abgasrückführung und damit zu einem geringeren Ausstoß von Stickoxiden als im Modus 0, mit dem das Fahrzeug im normalen Straßenverkehr betrieben wurde. Über die Existenz dieser - von der Beklagten zu 2. als "Umschaltlogik" bezeichneten und vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) als unzulässige Abschalteinrichtung qualifizierten - Software informierten die Beklagten im Vorfeld weder den Kläger noch die zuständigen Genehmigungsbehörden.
Nach Bekanntwerden des Softwareeinsatzes im September 2015 gab das KBA am 15.10.2015 der Beklagten zu 2. auf, Maßnahmen zu entwickeln und zu ergreifen, um die betroffenen Dieselfahrzeuge in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen. Die Beklagte zu 2. entwickelte daraufhin ein Software-Update, welches am 02.08.2017 auf das streitgegenständliche Fahrzeug aufgespielt wurde.
Der Kilometerstand des streitgegenständlichen Fahrzeugs zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht (25.06.2019) ist nicht bekannt. Rund einen Monat zuvor am 20.05.2019 betrug er 175.559 km und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (06.02.2020) 183.151 km.
Die Klageschrift wurde der Beklagten zu 1. am 22.01.2019 und der Beklagten zu 2. am 23.01.2019 zugestellt.
Das Landgericht hat mit Urteil vom 22.08.2019 (Bl. 152 ff. GA), auf das wegen der Einzelheiten der Feststellungen zum erstinstanzlichen Parteivortrag, der in erster Instanz gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe Bezug genommen wird (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), die Klage abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, vertragliche Ansprüche gegen die Beklagte zu 1. seien jedenfalls verjährt. Für deliktsrechtliche Ansprüche gegen die Beklagte zu 1. fehle es an Vortrag des Klägers. Vertragliche Ansprüche gegenüber der Beklagten zu 2. bestünden nicht, da sie nicht selbst Vertragspartei sei und auch nicht in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch genommen habe. Auch deliktische Ansprüche wegen - einzig in Betracht kommender - unterlassener Aufklärung schieden aus, da es an der erforderlichen Garantenstellung der Beklagten zu 2. fehle. Es fehle auch an einem stoffgleichen Vermögensvorteil. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB iVm den §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV bestehe nicht, weil die EG-FGV nicht dem Schutz des Vermögens von Fahrzeugkäufern diene. Schließlich ergebe sich ein Anspruch auch nicht aus den §§ 826, 31 BGB, weil die Beklagte zu 2. dem Kläger nicht in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich einen kausal zurechenbaren Schaden zugefügt habe. Vom Schutzzweck des § 826 BGB gedeckte Schäden seien nicht ersichtli...