Leitsatz (amtlich)

Ist eine zahnprothetische Versorgung fehlerhaft und unbrauchbar und macht es der Behandlungsfehler des Zahnarztes erforderlich, den Ober- und Unterkiefer mit einer (Teil-) Prothese neu zu versorgen, so ist ein Schmerzensgeld in Höhe von 7000 DM [3500 EUR] angemessen, wenn der Patient zusätzlich mehr als zwei Jahre erhebliche Schmerzen zu erleiden hatte.

 

Verfahrensgang

LG Bonn (Entscheidung vom 05.12.1989; Aktenzeichen 7 O 541/86)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 5. Dezember 1989 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 7 O 541/86 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Der 1943 geborene Kläger leidet seit Geburt unter einer ausgeprägten Progenie (Gebißanomalie, bei der einzelne Zahngruppen oder die gesamte untere Zahnreihe vor der oberen stehen). Da deswegen die Kaufunktion gestört war, suchte er im August 1981 den Beklagten auf. Zu diesem Zeitpunkt verfügte sein Gebiß im Oberkiefer über 11, im Unterkiefer über 9 natürliche Zähne. Die Zähne 41 und 31 waren vor 16 Jahren durch Brückenglieder ersetzt worden. Der Beklagte stellte einen horizontalen und vertikalen Knochenabbau fest. Das Zahnfleisch war teilweise entzündet. Nach Genehmigung des Heil- und Kostenplanes durch die AOK B entfernte der Beklagte die vorhandene Brücke, setzte dafür eine neue ein, überkronte sämtliche und überbrückte fehlende Zähne, wobei streitig ist, ob entsprechend der Empfehlung des Gutachters der A Zahn 32 entfernt wurde. Nach der vorliegenden Dokumentation waren die prothetischen Arbeiten etwa im April 1982 abgeschlossen. Die Behandlung insgesamt zog sich einschließlich der Kontrolluntersuchungen bis Mai 1984 hin.

Da der Kläger weiterhin über Zahnfleischentzündung und Schmerzen im Ober- und Unterkiefer klagte, suchte er im September 1984 die Universitätszahnklinik B auf. Dort ergab sich folgender Befund:

"Prothetisch versorgtes Lückengebiß im Ober- und Unterkiefer, höhergradiger Entzündungszustand der gesamten Gingiva, Taschentiefen bis zu 5 mm. Die Brücke im linken Oberkiefer und die verblockten Kronen im linken Unterkiefer erwiesen sich als zweiten Grades gelockert. Die Vitalitätsprüfung mit Kohlensäureschnee konnte uns wegen der umfangreichen Verblockung keine zuverlässige Aussage liefern. Diel Panoramaaufnahme bzw. der Röntgenstatus zeigte eine Aufhellung der periapikalen Strukturen des Zahnes 45 im Sinne einer hochgradigen Paradontitis. Der Parodontalspalt fast aller Zähne war erweitert.

Wir rieten dem Patienten nach Abnahme der Brücke die dann erforderlichen Extraktionen und eine Parodontalbehandlung durchführen zu lassen.

Wegen der parondontalen Schwäche halten wir eine erweiterbare lediglich indirekt verblockte prothetische Lösung für indiziert."

Nachdem die Krankenkasse die Kostenübernahme zugesagt hatte, wurden in der Zahnklinik B die Zähne 12, 11, 21 und 22 im Oberkiefer entfernt und die Lücken mit einem herausnehmbaren Interimsersatz versorgt. Weiter wurden die Zähne 45, 42 und 36 entfernt, die verbliebenen 5 Zähne im Unterkiefer mit Teleskopen und einer totalen Teleskopprothese versorgt. Sämtliche Brückenpfeiler wurden aufgetrennt und die Brücken abgenommen und im Oberkieferseitenzahnbereich zum Teil als Provisorien wieder eingesetzt. Die Behandlung ist noch nicht abgeschlossen.

Der Kläger hat mit seiner im Dezember 1986 eingereichten Klage Schmerzensgeld in einer Größenordnung von 15.000,00 DM mit der Behauptung verlangt, die Behandlung durch den Beklagten sei insgesamt unbrauchbar, sie habe zum Verlust von 14 gesunden Zähnen geführt und ihm jahrelange Schmerzen verursacht.

Der Beklagte hat jegliche Behandlungsfehler bestritten. Die Notwendigkeit eine erneuten prothetischen Versorgung hat er mit fortschreitendem Knochenabbau begründet. Er könne die von ihm durchgeführten prothetischen Maßnahmen nicht mehr belegen, weil die prothetische Behandlungskarte bei einem Klinikbrand im Jahre 1985 vernichtet worden sei.

Das Landgericht hat, sachverständig beraten, der Klage in Höhe von 7.000,00 DM stattgegeben.

Dagegen, wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung. Er meint, nach dem Sachverständigengutachten könne allenfalls von dem Verdacht einer fehlerhaften Behandlung durch ihn die Rede sein. Das treffe indessen nicht zu. Das Gericht habe sich mit seinen Einwendungen gegen das Gutachten nicht auseinandergesetzt. Im übrigen seien die Ansprüche verjährt.

Der Kläger tritt der Berufung entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.

Im übrigen wiederholen, ergänzen und vertiefen die Parteien ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen aller Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowie die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze der Parteien verwiesen.

Wegen der Anträge wird auf das Protokoll der Senatssitzung vom 20. August 1990 Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Anhörung der Sachverständigen Dr. Dr. V und Vernehmung von Zeug...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge