rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Versicherungsrecht. Belehrung in der Schadenanzeige über Konsequenzen falscher Angaben. falsche Belehrung in der Schadenanzeige. Beweismaß bei Kfz-Entwendungsfällen

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Belehrung in der Schadenanzeige, daß bewußt unwahre oder unvollständige Angaben des Versicherungsnehmers auch dann zum Verlust des Versicherungsschutzes führen, wenn sie „für die Entscheidung der Sache keine Bedeutung haben”, ist unzureichend und nicht geeignet, Leistungsfreiheit des Versicherers bei einer vorsätzlichen, aber folgenlos gebliebenen Verletzung der Aufklärungsobliegenheit nach sich zu ziehen.

 

Normenkette

AKB § 7 Ziff. I Nr. 2, § 7 Ziff. V Nr. 4, § 12 Abs. 1 Ziff. I b; VVG § 6 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Köln (Aktenzeichen 24 O 405/97)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 16.11.1998 – 24 O 405/97 – abgeändert:

Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

Zur Entscheidung über die Höhe des Anspruchs wird die Sache an die 24. Zivilkammer des Landgerichts Köln zurückverwiesen, die auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden hat.

– Ohne Tatbestand gemäß § 543 Abs. 1 ZPO

 

Gründe

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des Klägers hat auch in der Sache Erfolg. Der geltend gemachte Anspruch ist dem Grunde nach gegeben. Diese Feststellung folgt aus dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme. Da der Rechtsstreit zum Grund des Anspruchs entscheidungsreif ist, kann insoweit Grundurteil ergehen. Zur Höhe des geltend gemachten Anspruchs ist dagegen weiterer Beweis zu erheben, so dass der Rechtsstreit gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen war.

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Entschädigung aus der Kaskoversicherung gegen die Beklagte gemäß §§ 1 Abs. 1, 49 VVG; 12 Abs. 1 Ziffer I b AKB wegen des Diebstahls am 02.11.1996 zu.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts scheitert der Anspruch nicht bereits daran, dass die Beklagte aufgrund einer Obliegenheitsverletzung des Klägers von der Leistung frei geworden wäre. Zwar ist der Versicherungsnehmer nach § 7 Ziffer I Nr. 2 AKB verpflichtet, alles zu tun, was zur Aufklärung des Tatbestands dienlich sein kann. Hierzu gehört auch, dass er alle sachgerechten Fragen des Versicherers wahrheitsgemäß beantworten muss. Verstöße führen nach Maßgabe von § 7 Ziffer V Nr. 4 AKB i. V. m. § 6 Abs. 3 VVG zur Leistungsfreiheit des Versicherers. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen gilt dies bei folgenlos gebliebenen vorsätzlichen Obliegenheitsverletzungen jedoch nur, wenn der Versicherungsnehmer über die Konsequenzen falscher Angaben in den Schadenfragebögen ordnungsgemäß belehrt worden ist (vgl. BGH VersR 67, 593).

Die Beklagte wirft dem Kläger vor, er habe dem Zeugen B. gegenüber bei Aufnahme der Schadenanzeige nicht erwähnt, dass es sich bei dem Fahrzeug um einen Unfallwagen handele. Diese behauptete Obliegenheitsverletzung ist jedoch folgenlos geblieben, denn die Beklagte hat keinen Nachteil erlitten. Sie hat keine Leistungen an den Kläger erbracht und den früher einmal begutachteten Vorschaden alsbald durch eigene Ermittlungen aufgedeckt. Leistungsfreiheit der Beklagte käme demnach nur in Betracht, wenn der Kläger im Rahmen der Aufnahme der Schadenanzeige ordnungsgemäß über die Folgen unrichtiger Angaben belehrt worden wäre. Das ist hier jedoch nicht der Fall, denn die von der Beklagten in der Schadenanzeige (Bl. 40 d. A.) verwendete Belehrung ist unzureichend und rechtlich unzutreffend.

Die Belehrungspflicht des Versicherers ist daraus abzuleiten, dass die Regelung des § 6 Abs. 3 S. 1 VVG eine für den Versicherungsnehmer äußerst einschneidende Rechtsfolge enthält, nämlich Totalverlust des Versicherungsschutzes bei vorsätzlich falschen Angaben, auch wenn dem Versicherer daraus kein Nachteil entstanden ist. Eine solche Rechtsfolge ist dem Zivilrecht sonst unbekannt. Die ausreichende und in der Regel von den Versicherern verwendete Belehrung lautet daher wie folgt:

„Bewusst unwahre oder unvollständige Angaben führen auch dann zum Verlust des Versicherungsschutzes, wenn dem Versicherer daraus kein Nachteil entsteht” (vgl. OLG Köln, r + s 97, 317; 99, 362, 363).

Der von der Beklagten verwendete Belehrungstext weicht von dieser – allgemein üblichen – Formel insoweit ab, als ein Verlust des Versicherungsschutzes auch dann eintreten soll, wenn die unrichtigen Angaben „… für die Entscheidung der Sache keine Bedeutung haben.”

Durch diesen Hinweis ist der Kläger nicht ausreichend belehrt worden. Die Aufklärungsobliegenheiten des Versicherungsnehmers gemäß § 7 Ziffer 1 Nr. 2 AKB gehen nur soweit, wie das Aufklärungsinteresse des Versicherers reicht, d. h., der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, alle die Angaben zu machen, die der Versicherer benötigt, um eine Entscheidung im Regulierungsverfahren zu treffen. Was für die Regulierungsentscheidung hingegen keine Bedeutung hat, unterliegt auch nicht der Aufklärungsobliegenheit des ...

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