Entscheidungsstichwort (Thema)

Arglistverjährung und Organisationsverschulden, Sekundärhaftung des Architekten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Einen Generalübernehmer, der selbst keine eigenen Bauleistungen ausführt, dem aber im Zuge der ihm ebenfalls übertragenen Architektenleistungen auch die Objektüberwachung obliegt, trifft daneben zur Vermeidung der Arglistverjährung keine weitere Organisationsobliegenheit zur Überwachung der Leistungen der von ihm beauftragten Unternehmer auf mängelfreie Ausführung.

2. Ein Unternehmer muss sich die Verletzung der Organisationsobliegenheit des von ihm beauftragten Nachunternehmers nicht nach § 278 BGB zurechnen lassen.

3. Die sog. Sekundärhaftung des Architekten, der sich bei Verletzung der aus seiner Sachwalterstellung herrührenden Pflicht, den Bauherrn über ihm bekannte Mängel auch insoweit aufzuklären, als er selbst für den Mangel verantwortlich ist, nicht auf die Verjährung der gegen ihn gerichteten Mängelansprüche berufen kann, setzt voraus, dass sich in nicht verjährter Zeit ein Mangel am Bauwerk zeigt, für den der Architekt mit verantwortlich ist. Die fahrlässige Unkenntnis vom Baumangel löst keine Sekundärhaftung aus, vielmehr knüpft die sog. Sekundärhaftung an die Verletzung der Pflicht des Architekten an, die Ursache bereits erkannter Mängel zu suchen und seinem Auftraggeber mitzuteilen.

 

Normenkette

BGB § 634 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Aachen (Urteil vom 25.01.2011; Aktenzeichen 12 O 20/10)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 25.1.2011 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des LG Aachen - 12 O 20/10 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des LG Aachen sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Gegenstandswert für das Berufungsverfahren wird auf 51.240,98 EUR festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin beauftragte die Beklagte durch Generalübernehmervertrag vom 14.12.1992 mit der Planung und schlüsselfertigen Errichtung eines Studentenwohnheims in B. Die Auftragssumme belief sich auf 20.636.000 DM. Die VOB ist Bestandteil des Vertrages (§ 2). § 8 verweist für die Gewährleistung der Bauleistungen auf die VOB/B und der sonstigen Leistungen auf die gesetzlichen Bestimmungen. § 9 des Vertrages enthält eine Schiedsgutachterklausel. Danach werden Streitigkeiten der Parteien in tatsächlicher Hinsicht, auch über das Vorhandensein von Mängeln, durch einen von der IHK B bestimmten Sachverständigen als Schiedsgutachter verbindlich beigelegt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Generalübernehmervertrag vom 14.11.1992 (GA 11) Bezug genommen. Die Arbeiten wurden 1994 fertiggestellt und abgenommen.

Spätestens im Jahr 2006 stellte die Klägerin fest, dass sich die nach außen kragenden Fassadenplatten am Rand des Flachdaches lösten. Sie ließ den Zustand durch einen Sachverständigen untersuchen, der zu dem Ergebnis gelangte, dass die Befestigung mangelhaft war. Sodann beauftragte sie eine Drittfirma mit der Sanierung. Sie verlangt von der Beklagten Schadensersatz in Höhe der Kosten der Sanierung, einer Notreparatur sowie der Begutachtung durch Sachverständige, insgesamt 51.240,98 EUR. Gegenüber der von der Beklagten erhobenen Verjährungseinrede beruft sie sich auf die Arglisthaftung bzw. ein Organisationsverschulden sowie auf die Sekundärhaftung des Architekten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands und der in erster Instanz gestellten Anträge wird auf das Urteil des LG Bezug genommen, durch das es die Klage abgewiesen hat. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung.

Die Klägerin ist der Ansicht, Art und Schwere der Mängel ließen auf ein zur Arglistverjährung führendes Organisationsverschulden der Beklagten schließen. Die hier streitgegenständlichen Mängel an der Dachrandunterkonstruktion seien nur ein kleiner Ausschnitt aus den Fehlleistungen der Beklagten. Hierzu verweist sie auf ein beim LG Aachen anhängiges selbständiges Beweisverfahren (12 OH 4/10). Insgesamt ergäben sich Mängelbeseitigungskosten von 400.000 EUR. Die gravierenden Mängel zeigten, dass eine Organisation der Beklagten praktisch nicht existent gewesen sei. Es handle sich nicht um ein nur einmaliges Versagen. Zudem habe die Beklagte zur Organisation der Überwachung nicht substantiell vorgetragen. Die Klägerin beruft sich ferner auf ein weiteres Gutachten im selbständigen Beweisverfahren vor dem LG Aachen, wonach nach dem Vertrag eine Überwachung durch Fachingenieure geschuldet sei, die Dachkonstruktion besonderer Überwachung bedürfe und der Mangel bei gehöriger Überwachung entdeckt worden sei. Die Beklagte habe unstreitig für die Überwachung der Dachkonstruktion keinen Fachingenieur beauftragt. Ferner bestreitet die Klägerin, dass der damalige Geschä...

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