Entscheidungsstichwort (Thema)
Pfandrecht des Frachtführers und Überverkauf
Leitsatz (amtlich)
1. Die deutschen Gerichte sind gem. Art. 5 Nr. 3 EuGVVO international zuständig für deliktische Ansprüche des Eigentümers gegen den Frachtführer, die sich aus einer angeblich unberechtigten Pfandverwertung in Deutschland ergeben; die Frage, ob die Pfandverwertung berechtigt oder unberechtigt erfolgt ist, spielt für die Frage der internationalen Zuständigkeit keine Rolle.
2. Die sachliche Zuständigkeit des erstinstanzlich angerufenen Schifffahrtsgerichts ist im Berufungsverfahren gem. § 513 Abs. 2 ZPO nicht mehr zu überprüfen (Anschluss OLG Karlsruhe (SchOG) TranspR 2003, 248 ff.).
3. Ein Pfandrecht des Frachtführers gem. § 441 HGB kommt nur in Bezug auf konnexe Forderungen in Betracht, wenn der Versender nicht Eigentümer des zu befördernden Gutes ist und der Frachtführer insoweit auch nicht guten Glaubens ist. Konnex in diesem Sinne ist bei Vereinbarung einer "Rundlaufpauschale" nur der Teil der Vergütung des Frachtführers, der auf die Beförderungsstrecke entfällt, auf der das Gut zu befördern ist (hier: hälftige Rundlaufpauschale für eine Reise von Amsterdam nach Ungarn und zurück in die Niederlande oder nach Belgien; Beladung mit dem später verwerteten Gut in Ungarn).
4. Das Recht des Frachtführers zur Pfandverwertung beschränkt sich im Fall des Transports einer Sachmenge gem. § 1230 BGB auf die Verwertung einer Teilmenge, wenn dies zur Befriedigung der berechtigten Forderungen des Frachtführers ausreicht (Fracht; voraussichtliche Lager- und Verwertungskosten einschließlich notwendiger Kosten der Rechtsverfolgung); ein nicht vermeidbarer Überverkauf ist gerechtfertigt.
Normenkette
EuGVVO Art. 5 Nr. 3; ZPO § 513 Abs. 2; HGB § 441; BGB § 1230
Verfahrensgang
Schifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort (Urteil vom 11.12.2006; Aktenzeichen 5 C 18/06 BSch) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Schifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 11.12.2006 - 5 C 18/06, BSch, wie folgt abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 28.704,96 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 43.669,92 EUR vom 15.12.2005 bis zum 7.8.2006, aus 35.108,53 EUR vom 8.8.2006 bis zum 13.5.2007, aus 31.006,20 EUR vom 14.5.2007 bis zum 27.2.2008 und aus 28.704,96 EUR seit dem 28.2.2008 zu zahlen. In Höhe eines Betrages von 16.766,05 EUR wird festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hat. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte zu 60 %, die Klägerin zu 40 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien können die Vollstreckung durch die jeweils andere Partei durch Leistung einer Sicherheit i.H.v. 120 % des nach dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Schadensersatz für eine Ladung von 580,04 to. Mais, die der Beklagte aufgrund eines von ihm geltend gemachten Pfandrechts durch Verkauf verwertet hat.
Die Klägerin war Eigentümerin einer Ladung Mais, deren Gewicht 580.04 to. betrug. Diese Ladung Mais verkaufte die Klägerin am 16.9.2005 an die K N GmbH in T in Deutschland zu einem Kaufpreis von 123 EUR je Tonne; insgesamt betrug der - aufgrund der nachstehend geschilderten Ereignisse nicht gezahlte - Kaufpreis 71.344,92 EUR. Transportiert werden sollte die Ladung von H, Ungarn, nach X, Niederlande. Zu diesem Zweck beauftragte die Klägerin Anfang November 2005 die E Transport & Logistics Ltd, USA, mit der Durchführung des Transports. Die vereinbarte Vergütung von ca. 28.200 EUR wurde von der Klägerin an die E Transport & Logistics Ltd, USA alsbald nach Rechnungstellung noch im November 2005 bezahlt. Die E Transport & Logistics Ltd, USA beauftragte ihrerseits die Fa. O Donau Logistik GmbH (im Folgenden: O) in Österreich mit der Durchführung des Transports. Die O ihrerseits hatte mit dem Beklagten bereits unter dem 20./21.10.2005 eine Vereinbarung getroffen, wonach der Beklagte mit seinem Schiff MS "Q" ca. 1.000 to. Soja von Amsterdam nach Ungarn und von Ungarn zurück in die Niederlande oder bis Belgien "Agrar, Stahl oder Konstruktionen" transportieren sollte. Hierfür war eine "Rundlaufpauschale" von 59.000 EUR, ggf. zzgl. Liegegeld, vereinbart worden, auf die der Beklagte bislang unstreitig 15.000 EUR erhalten hat. Wegen des Weiteren Inhalts der Vereinbarung, in der die Geltung des deutschen Binnenschifffahrtsrechts in der letztgültigen Fassung vereinbart war, wird auf die Auftragsbestätigung der O vom 21.10.2005, GA Bl. 54 f., Bezug genommen. Am 11.11.2005 übernahm der Beklagte mit seinem Ms "Q" die 580,04 to. Ladung Mais in Ungarn. Während der West-Reise wurde die Ware vom ursprünglichen Bestimm...