Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung der Anlagevermittler im P&R-Skandal;
Leitsatz (amtlich)
1. Bei Kenntnis des Anlagevermittlers vom Vorhandensein nur eingeschränkter Bestätigungsvermerke in Jahresabschlüssen kann eine entsprechende Aufklärungspflicht gegenüber dem Anleger bestehen.
2. Bei fehlender Kenntnis vom Vorhandensein eingeschränkter Bestätigungsvermerke ist ein freier Anlagevermittler grundsätzlich nicht verpflichtet, im Rahmen der Plausibilitätsprüfung weitere Nachforschungen anzustellen und sich Kenntnis von den Jahresabschlüssen und den eingeschränkten Bestätigungsvermerken zu verschaffen, um dies dem Anleger vor Vertragsschluss mitzuteilen. Lediglich bei Vorliegen zusätzlicher Anhaltspunkte kann dieser ausnahmsweise zu weitergehenden Nachforschungen verpflichtet sein. Bei einem seit Jahrzehnten eingeführten erfolgreichen Anlagemodell, bei dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses keinerlei Ausfälle bekannt wurden und keine negative Berichterstattung der Wirtschaftspresse vorlag, liegen derartige Anhaltspunkte nicht vor.
3. Trifft der Senat in seinen allgemeinen Verfahrenshinweisen, die jede Berufungspartei bereits mit dem Aktenzeichen des Berufungsverfahrens übermittelt bekommt, eigene Anordnungen zu den Anforderungen an den Vortrag im Berufungsverfahren vor dem Senat, so sind auf diese Anforderungen gemäß § 139 Abs. 1 Satz 3 ZPO n.F. nach dem Willen des Gesetzgebers die allgemeinen Präklusionsvorschriften anzuwenden (BT-Drs. 19/13828 S. 31), sodass die Präklusionsvorschriften der §§ 530, 296 ZPO hier jedenfalls über § 139 ZPO gelten.
Normenkette
ZPO § 522 Abs. 2
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 27.04.2021; Aktenzeichen 40 O 14356/20) |
Tenor
Die Berufung der Klagepartei gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 27.04.2021, Az. 40 O 14356/20, wird zurückgewiesen.
Die Klagepartei trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 35.000.- Euro festgesetzt.
Tatbestand
Tatsächliche Feststellungen:
Der Kläger begehrt in der Berufungsinstanz Schadenersatz aufgrund einer von ihm behaupteten mangelhaften Anlageberatung.
Nach den Feststellungen des Landgerichts schloss der Kläger am 15./18.04.2016 einen Kauf- und Verwaltungsvertrag über 18 P& R-Container in Höhe von 35.280,00 EUR. Der Kläger erhielt insgesamt Mietzahlungen in Höhe von 5.723,64 EUR. Der Kläger war seit vielen Jahren Kunde der Beklagten. Bereits 2012 hatte er über die Beklagte in P& R Container investiert.
Am 24.07.2018 wurden über die Vermögen mehrerer Gesellschaften aus der P& R-Gruppe das Insolvenzverfahren eröffnet.
Der Abschluss des streitgegenständlichen Vertrages kam aufgrund eines Anschreibens der Beklagten zustande. Die Beklagte informierte den Kläger mit einem Rundschreiben über das aktuelle Angebot der P& R Gruppe (Angebot Nr. 300, Anlage B1) und übersandte dem Kläger später den teilweise vorausgefüllten Kauf- und Verwaltungsvertrag (Anlage K 4) nebst Prospekt "P& R Container InvestitionsProgramm" (Anlage B2). Der Kläger nahm von den zugesandten Unterlagen Kenntnis und schloss sodann den streitgegenständlichen Kauf- und Verwaltungsvertrag ab.
Der Kläger trug erstinstanzlich vor, dass er im Vorfeld seines Investments im Mai 2012 von Herrn H. telefonisch beraten worden sei. Bei diesem Gespräch habe der Kläger dargelegt, dass er eine sichere Anlageform suche, er keine Risiken eingehen wolle, Kapitalerhalt ihm sehr wichtig sei und er keine Verluste machen wolle. Herr H. habe die P& R Containerkäufe sodann als sichere Anlage angepriesen, er würde Eigentum erwerben, die Mietzahlungen wäre über die gesamte Laufzeit garantiert und P& R würde die Container sodann zu einem Festpreis zurückkaufen. Der Kläger könne mit einer sicheren Rendite von 3-5% rechnen. Auf ein Totalverlustrisiko oder weitere Haftungsrisiken habe er nicht hingewiesen.
Auch vor der Unterzeichnung des streitgegenständlichen Kauf- und Verwaltungsvertrages habe sich der Kläger telefonisch an Herrn H. gewandt, worauf dieser auf seine Ausführungen aus dem Jahr 2012 verwiesen, das Investment vorbehaltslos empfohlen und das aktuelle Angebot erläutert habe.
Auch habe er keine Plausibilitätsprüfung durchgeführt. Der Kläger sei weder durch Herr H. noch in den übersandten Unterlagen auf die Abhängigkeit zur Schweizer Firma sowie auf die eingeschränkten Bestätigungsvermerke in den Jahresprüfungen oder negative Presseberichte hingewiesen worden. Herr H. habe daher im Rahmen seiner Beratung verschiedene Aufklärungspflichten verletzt.
Der Kläger erhob daher Klage mit dem Antrag auf Zahlung von 29.556,36 EUR Zug um Zug, Feststellung der Freistellungspflicht von allen Nachteilen, insbesondere einer Rückzahlung der erhaltenen Mi...