Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung, Rechtsanwaltskosten, Streitwert, Feststellung, Verfahren, Unwirksamkeit, Festsetzung, Anspruch, Berufung, Stufenklage, Wert, Zinsen, Wertermittlung, versicherter, berechtigtes Interesse, private Krankenversicherung, anwaltlicher Vertreter

 

Verfahrensgang

LG Landshut (Aktenzeichen 73 O 3094/21)

 

Tenor

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren vorläufig auf 1.800,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klagepartei begehrt neben einer Auskunft (Ziffer 1) die Feststellung, dass Erhöhungen unwirksam waren und in der Zukunft niedrigere Beiträge zu zahlen sind (Ziffer 2). Differenzbeträge (Ziffer 3) sollen nebst Nutzungen und Zinsen (Ziffer 4) zurückgezahlt werden. Konkrete Daten, wie Anzahl, Datum und Höhe der Beitragserhöhungen werden nicht mitgeteilt.

Sie sind gerade Gegenstand des Auskunftsbegehrens.

Anträge der Klagepartei (zusammengefasst):

1) Auskunft: betreffend die Jahre 2014-2018

2) Feststellung: Unwirksamkeit der Erhöhungen gem. Ziffer 1 und insoweit auch Reduzierung des Beitrags in der Zukunft

3) Zahlung: unbeziffert, betreffend Ziffer 1

4) Nutzungen und Zinsen

II. Im Rahmen der Stufenklage ist für die Vergangenheit nur der höhere der verbundenen Ansprüche maßgeblich (§ 44 GKG). Dies ist vorliegend der noch nicht bezifferte Zahlungsantrag (Ziffer 3). In Bezug auf die Zukunft ist der höhere Anspruch ein Teil des Feststellungsantrags (Ziffer 2). Nutzungen und Zinsen (Antrag 4) erhöhen, soweit sie wie hier als Nebenforderungen geltend gemacht werden, den Streitwert nicht (§ 4 Abs. 1 2. HS ZPO; § 43 Abs. 1 GKG).

Zum Antrag Ziffer 3 (Vergangenheit):

Die klägerischen Angaben zum Wert der Anträge beruhen auf Durchschnittswerten, wie sie sich aus einer Gesamtschau derjenigen Verfahren darstellen, die dem anwaltlichen Vertreter der Klagepartei nach seiner Darstellung bekannt sind. Diese können aber nicht herangezogen werden. Denn derartige Durchschnittswerte aus anderen, individuell ausgewählten Verfahren können mangels statistischer Relevanz nicht zur Wertermittlung für einzelne andere Vertragsverhältnisse vergleichsweise herangezogen werden. Zu berücksichtigen ist auch, dass eine derartige Wertermittlung schon nicht erforderlich ist, weil die Parteien, insbesondere die Klagepartei und/oder ihr anwaltlicher Vertreter, unschwer auf das konkrete streitige Versicherungsverhältnis bezogene und anhand der Kontoauszüge leicht zu ermittelnde Anhaltspunkte für eine Wertschätzung, wie etwa den aufaddierten und mit der Zahl der Monate multiplizierten Differenzbetrag zwischen dem ersten und dem letzten im Betrachtungszeitraum gezahlten Beitrag, mitteilen könnten, soweit diese Anhaltspunkte zu einem niedrigeren oder höheren Schätzbetrag führen und soweit einer der Parteien oder ihre anwaltlichen Vertreter ein berechtigtes Interesse daran haben sollte, dass der Streitwert entsprechend niedriger oder höher festgesetzt wird mit der Folge, dass die Gerichtsgebühren sowie die Rechtsanwaltskosten, die davon abhängig berechnet werden, niedriger oder höher ausfallen.

Mangels derartiger konkreter Anhaltspunkte ist im Rahmen der Ermessensausübung nach § 3 ZPO, § 48 Abs. 1 GKG eine freie Schätzung der Summe der zu erstattenden Monatsbeiträge vorzunehmen. Insoweit kommt eine Anwendung des Auffangwertes gem. § 52 Abs. 2 GKG in Höhe von 5.000,00 EUR nicht in Betracht, weil diese Norm nur auf Verfahren vor den Verwaltungsgerichten Anwendung findet. Der ebenfalls einen Auffangwert in Höhe von 5.000,00 EUR vorsehende § 36 Abs. 3 GNotKG findet nur bei Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und bei Notaren Anwendung. Bei bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ist hingegen der Wert gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen.

Der Senat schätzt in Ausübung des ihm vom Gesetzgeber eingeräumten Ermessens den Wert des Rückzahlungsanspruchs hiernach auf einen nominellen (vgl. hierzu BGH Beschluss vom 30.03.2021 - VIII ZR 345/19 Rn. 5) Betrag in Höhe von EUR 20,00 pro Monat und versicherter Person. Dies entspricht auch in etwa der neueren Handhabung des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München, der pro Beitragsanpassung einen Wert von EUR 300,00 oder weniger zugrundelegt.

Der Wert des Antrags 3 beträgt daher 4 Jahre × 12 Monate × EUR 20,00 = 960,00 EUR.

Der Schätzung des Senats liegt zugrunde, dass nach einer Erhebung des Wissenschaftlichen Instituts der privaten Krankenversicherer (WIP) die Beiträge der Privatversicherten zwischen 2013 und 2023 um durchschnittlich 2,8 Prozent pro Jahr gestiegen sind. Je nach Leistungsniveau liegen die monatlichen Kosten für eine private Krankenversicherung zwischen EUR 350,00 und EUR 900,00 (vgl. https://www.krankenkassen.de/private-krankenversicherung/private-krankenversicherung-kosten /)

Ausgehend von einem gemittelten Monatsbeitrag in Höhe von EUR 625,00 sind die Monatsbeiträge in den letzten 10 Jahren um durchschnittlich EUR 19,88, gerundet EUR 20,00, gestiegen.

§ 23 Abs. 3 RVG gebietet insoweit keine höhere Festsetzung.

Der Bundesgerichtshof hat zwar in einer Ent...

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