Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung, Berufung, Versicherungsnehmer, Streitwert, Rechtsanwaltskosten, Festsetzung, Auskunftsanspruch, Feststellung, Lebensversicherung, Zinsen, Schaden, Unwirksamkeit, Verfahren, Stufenklage, private Krankenversicherung, berechtigtes Interesse, anwaltlicher Vertreter

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 12 O 14556/21)

 

Tenor

1. Der Streitwert für die Berufung der Klagepartei wird vorläufig auf 3.240,00 EUR festgesetzt.

2. Der Streitwert für die Berufung der beklagten Partei wird vorläufig auf 300,00 EUR festgesetzt.

3. Die Verfahrensakte ist an das Landgericht München I zurückzusenden zur dienstlichen Stellungnahme zur Frage, ob es von der Anfechtbarkeit oder Unanfechtbarkeit des Ausspruchs über die Verurteilung der Beklagten zur Zurverfügungstellung von Nachtragsversicherungsscheinen ausgegangen ist.

4. Die Parteien werden nach Eingang der Stellungnahme gem. Ziffer 3 Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

 

Gründe

Vorliegend werden von der Klagepartei die erstinstanzlich geltenden gemachten Ansprüche - teilweise als Stufenklage - weiterverfolgt. Neben dem Auskunftsanspruch soll festgestellt werden, dass Erhöhungen von Beiträgen in der privaten Krankenversicherung unwirksam waren und in der Zukunft niedrigere Beiträge zu zahlen sind. Differenzbeträge sollen nebst Nutzungen und Zinsen zurückgezahlt werden. Konkrete Daten, wie Anzahl, Datum und Höhe der Beitragserhöhungen werden nicht mitgeteilt. Sie sind gerade Gegenstand des Auskunftsbegehrens. Die beklagte Partei, die erstinstanzlich verurteilt worden war, Nachtragsversicherungsscheine zur Verfügung zu stellen, im Übrigen wurde die Klage abgewiesen, begehrt mit ihrer Berufung und ihrer - hilfsweise eingelegten - Anschlussberufung, die vollständige Abweisung der Klage.

Anträge der Klagepartei (zusammengefasst):

1) Auskunft: betreffend die letzten 10 Jahre

2) Feststellung: Unwirksamkeit der Erhöhungen der letzten 10 Jahre und insoweit auch Reduzierung des Beitrags in der Zukunft

3) Zahlung: unbeziffert, betreffend die letzten 10 Jahre

4) Nutzungen und Zinsen

II. 1. Berufung der Klagepartei

Im Rahmen der Stufenklage ist für die Vergangenheit nur der höhere der verbundenen Ansprüche maßgeblich (§ 44 GKG). Dies ist vorliegend der noch nicht bezifferte Zahlungsantrag 3. In Bezug auf die Zukunft ist der höhere Anspruch ein Teil des Feststellungsantrags 2.

Nutzungen und Zinsen (Antrag 4) erhöhen, soweit sie wie hier als Nebenforderungen geltend gemacht werden, den Streitwert nicht (§ 4 Abs. 1 2. HS ZPO; § 43 Abs. 1 GKG). Die von der Klagepartei, die eine Berücksichtigung und damit eine höhere Festsetzung begehrt, insoweit zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 19.12.2018 - IV ZB 10/18 und Urteil vom 19.12.2016 - IX ZR 60/16) betreffen andere, hier nicht einschlägige Fallgestaltungen. In der ersten Entscheidung ging es um die Rückzahlung von Prämien einer Lebensversicherung nebst Nutzungen, die deswegen ausnahmsweise als streitwerterhöhend angesehen worden sind, weil die Abhängigkeit von Fall zu Fall insbesondere danach variieren könne, mit welchem der Ansprüche der an den Versicherungsnehmer typischerweise ausgezahlte Rückkaufswert in welcher Höhe zu verrechnen seien. Eine solche Fallgestaltung ist vorliegend nicht gegeben. Es geht um Prämien für eine private Krankenversicherung. In der zweiten Entscheidung machte der Kläger einen Schaden geltend, der sich aus dem Verlust der in einer notariellen Urkunde verbrieften Forderung nebst Zinsen zusammensetze. In diesem Sonderfall hat der Bundesgerichtshof angenommen, dass Hauptforderung und die Zinsforderung selbständig ohne Abhängigkeitsverhältnis nebeneinander stünden, weil ein Schaden eingeklagt werde, der entgangene Zinsen mitumfasse. Vorliegend beruft sich die Klagepartei aber explizit auf einen bereicherungsrechtlichen Anspruch. Denn hierdurch möchte sie vermeiden, dass das schadensersatzrechtliche Institut der Vorteilsanrechnung zum Einsatz kommt (vgl. Klageschrift S. 52 oben).

Zum Antrag 3 (Vergangenheit):

Die klägerischen Angaben zum Wert der Anträge beruhen auf Durchschnittswerten, wie sie sich aus einer Gesamtschau derjenigen Verfahren darstellen, die dem anwaltlichen Vertreter der Klagepartei nach seiner Darstellung bekannt sind. Wie das Landgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, können diese aber nicht herangezogen werden. Denn derartige Durchschnittswerte aus anderen, individuell ausgewählten Verfahren können mangels statistischer Relevanz nicht zur Wertermittlung für einzelne andere Vertragsverhältnisse vergleichsweise herangezogen werden. Zu berücksichtigen ist auch, dass eine derartige Wertermittlung schon nicht erforderlich ist, weil die Parteien, insbesondere die Klagepartei und/oder ihr anwaltlicher Vertreter, unschwer auf das konkrete streitige Versicherungsverhältnis bezogene und anhand der Kontoauszüge leicht zu ermittelnde Anhaltspunkte für eine Wertschätzung, wie etwa den aufaddierten und mit der Zahl der Monate multiplizierten Diffe...

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