Leitsatz (amtlich)
Zur Zuständigkeit des Insolvenzgerichts am Haftort des Schuldners.
Normenkette
InsO § 3 Abs. 1; ZPO §§ 12-13, 16, 20, 36 Abs. 1 Nr. 6, § 281
Verfahrensgang
AG München (Aktenzeichen 1500 IK 769/16) |
AG Leipzig (Aktenzeichen 403 IK 1148/16) |
Tenor
Zuständig ist das AG München (Insolvenzgericht).
Gründe
I. Das Verfahren betrifft den beim AG München - Insolvenzgericht - am 11.3.2016 gestellten Antrag des Schuldners auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens mit Restschuldbefreiung (Az. 1500 IK 769/16). Der Schuldner befindet sich seit 2.6.2014 in Strafhaft in der örtlichen Justizvollzugsanstalt mit frühest möglichem Haftende am 30.9.2016 und voraussichtlichem Haftende am 1.12.2017. Seinen Angaben zufolge hatte er vor der Inhaftierung einen Wohnsitz in Leipzig.
Das AG wies unter dem 4.5.2016 darauf hin, dass es sich nicht für örtlich zuständig erachte. Strafhaft begründe keinen Wohnsitz. Bei wohnsitzlosen Personen sei der letzte Wohnsitz maßgebend, und dieser habe sich in Leipzig befunden. Auf den angeregten Verweisungsantrag hat sich das Insolvenzgericht München am 23.5.2016 für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren gemäß §§ 3, 4 InsO, § 281 ZPO an das AG Leipzig verwiesen. Das AG Leipzig hat sich seinerseits mit Beschluss vom 16.6.2016 für örtlich unzuständig erklärt, die Übernahme des Verfahrens abgelehnt und die Akten zur Gerichtsstandsbestimmung dem Oberlandesgericht München vorgelegt (Az. 403 IK 1148/16).
II. Auf die nach § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2, § 37 ZPO i.V.m. § 4 InsO zulässige Vorlage durch das AG Leipzig - eines Gesuchs von Verfahrensbeteiligten bedarf es im Fall der Nr. 6 nicht (Zöller/Vollkommer ZPO 31. Aufl. § 37 Rn. 2 m.w.N.) - ist die (örtliche) Zuständigkeit des AG München - Insolvenzgericht - auszusprechen.
1. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO durch das zuständige Oberlandesgericht liegen vor. Das AG München hat grundsätzlich bindend (vgl. § 4 InsO i.V.m. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO) verwiesen, während das AG Leipzig seinerseits durch seinen der Partei mitgeteilten Beschluss abschließend die eigene örtliche Zuständigkeit verneint und die Übernahme abgelehnt hat. Nach ständiger Rechtsprechung genügt dies, um zur Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu gelangen (vgl. BGHZ 102, 338/339 f.; BGH NJW 2006, 847 Rn. 8 f.).
2. Für das gegenständliche Insolvenzverfahren ist das AG München zuständig.
a) Nach § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 InsO ist das AG als Insolvenzgericht sachlich und örtlich ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk die natürliche Person ihren allgemeinen Gerichtsstand hat, mithin nach § 4 InsO, §§ 12, 13 ZPO ihren Wohnsitz oder in Ermangelung eines solchen nach § 4 InsO, § 16 ZPO ihren Aufenthaltsort. Eine Bestimmung der Zuständigkeit nach § 3 Abs. 1 Satz 2 InsO, die derjenigen nach Satz 1 vorgeht (z.B. OLG Celle Beschluss vom 27.9.2011, 4 AR 51/11, juris Rn. 3), scheidet hier ersichtlich aus.
b) Der Senat folgt nicht der Ansicht des vorlegenden Gerichts, dass der Schuldner bereits mit dem Antritt der Strafhaft am 2.6.2014 seinen Wohnsitz von Leipzig nach München verlegt habe. Ein Domizilwille, der sich darin ausdrückt, dass der Schuldner mit dem Strafantritt in der Justizvollzugsanstalt M. seinen Wohnsitz i.S.v. § 7 Abs. 1 BGB in München begründet hätte, ist nämlich nicht erkennbar. Das folgt namentlich nicht schon daraus, dass nach der vom AG Leipzig eingeholten Auskunft aus dem Sächsischen Melderegister das Einwohnermeldeamt Leipzig eine entsprechende Rückmeldung der Zuzugsbehörde erhalten hat, wonach als aktueller "Wohnsitz" derjenige unter der Anschrift der Justizvollzugsanstalt bezeichnet sei. Ersichtlich haben die eingeholten Daten nur die Funktion, die neue "Wohnung", das heißt den aktuellen und auf gewisse Dauer begründeten Aufenthaltsort, unter dem die Person erreichbar ist, zu bezeichnen.
c) Es mag - wie das vorlegende Gericht meint - zutreffen, dass im Gegensatz zu Untersuchungshaft oder auch Strafhaft von kürzerer Dauer, welche in der Regel eine Wohnsitzaufgabe oder einen -wechsel nicht auslösen, eine Strafhaft von längerer Dauer, wie sie hier in Rede steht, den Gerichtsstand des Aufenthaltsorts nach § 20 ZPO begründet (vgl. BGH NJW 1997, 1154; Hüsstege in Thomas/Putzo ZPO 37. Aufl. § 20 Rn. 1). Der Gerichtsstand des § 20 ZPO ist jedoch ein besonderer
(dazu allgemein Zöller/Vollkommer § 20 Rn. 1 und § 12 Rn. 6 f.), der auf vermögensrechtliche Ansprüche beschränkt ist. Auf ihn kann schon deshalb nicht abgestellt werden, weil sich die örtliche Zuständigkeit nach § 3 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht nach besonderen Gerichtsständen, sondern nach dem allgemeinen Gerichtsstand des Schuldners richtet.
d) Vielmehr gilt folgendes:
Der bloße Antritt von Strafhaft begründet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs noch keine Aufgabe des Wohnsitzes, den der Betroffene in diesem Zeitpunkt innehatte (BGH NJW-RR 1996, 1217). Ob ein unfreiwilliger Aufenthalt in einer Justizvollzugsanstalt überhaupt einen Wohnsitz zu begründen vermag...