Entscheidungsstichwort (Thema)

Nur bei tatsächlich erfolgtem Neukauf erfolgt Abrechnung auf Neuwagenbasis

 

Verfahrensgang

LG Landshut (Aktenzeichen 73 O 1069/09)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt auch weiterhin, die Berufung der Klägerin durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

2. Es wird hiermit nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme zu der beabsichtigten Entscheidung bis zum 15.12.2009 gegeben (§ 522 II 2 ZPO).

Nach Sachlage empfiehlt es sich auch weiterhin, zur Vermeidung unnötiger weiterer Kosten die Rücknahme der Berufung binnen dieser Frist zu prüfen.

 

Gründe

1. Auch die mit Schriftsatz vom 6.11.2009 vorgetragene Tatsache, dass die Berufungsführerin nunmehr am 5.11.2009 einen Neuwagen bestellt hat, vermag Erfolgsaussichten der Berufung nicht zu begründen:

a) Die nunmehrige Bestellung eines Neuwagens ist eine neue Tatsache, deren Berücksichtigung berufungsrechtlich nicht ausgeschlossen ist. § 531 II S. 1 Nr. 3 ZPO sanktioniert nur die Verletzung prozessualer Pflichten; der Umstand, dass eine Partei materiell-rechtliche Voraussetzungen eines neu vorgebrachten Angriffs- oder Verteidigungsmittels schon in 1. Instanz hätte schaffen können, steht deren Zulassung nicht entgegen (vgl. Musielak/Ball, ZPO, 7. Auflage, § 531 Rz. 19 unter Hinweis auf eine Entscheidung des BGH vom 6.10.2005 [NJW-RR 2005, 1687] zur nachträglichen Berücksichtigung einer Schlussrechnung). Der Senat sieht keine Veranlassung, die erst in der Berufungsinstanz erfolgte Beschaffung eines Beweismittels (zum Nachweis des Integritätsinteresses) abweichend zu beurteilen.

b) Die vorgelegte verbindliche Bestellung vom 5.11.2009 (Anlage K9) reicht allerdings nicht aus, den vom BGH in seiner Entscheidung vom 9.6.2009 (NJW 2009, 3022) als Anspruchsvoraussetzung geforderten Neuwagenkauf nachzuweisen.

aa) Mit der vorgelegten verbindlichen Bestellung wird der Abschluss eines Kaufvertrags noch nicht nachgewiesen. Gemäß Ziff. I 1 der Neuwagen-Verkaufsbedingungen des Volkswagen Zentrum Regensburg setzt das Zustandekommen eines Kaufvertrags voraus, dass der Verkäufer innerhalb von 3 Wochen die Bestellung schriftlich bestätigt. Nachdem diese Frist zwischenzeitlich abgelaufen ist, wäre die schriftliche Vertragsbestätigung ggf. noch vorzulegen.

bb) Selbst bei Vorlage eines Kaufvertrages wäre der vom BGH in seiner Entscheidung vom 9.6.2009 geforderte Nachweis eines besonderen Interesses an einer Neuwagenbeschaffung nicht geführt, weil erst die tatsächliche Anschaffung eines Neufahrzeugs die in Literatur und Rechtsprechung vertretene und vom BGH zitierte Bedingung, dass der "Geschädigte sein besonderes Interesse in die Tat umsetzt" erfüllt.

cc) Selbst wenn die Berufungsführerin das bestellte Neufahrzeug bereits tatsächlich ausgehändigt bekommen hätte, verbleiben ernsthafte Bedenken, ob der Erwerb eines Neuwagens nach 17 Monaten noch geeignet ist, den Nachweis eines besonderen Interesse am Eigentum und der Nutzung eines Neufahrzeugs zum Unfallzeitpunkt haben kann. Hierbei ist insb. zu berücksichtigen, dass die Berufungsführerin bisher vortragen ließ, aus finanziellen Gründen nicht in der Lage gewesen zu sein, sich ein Neufahrzeug anzuschaffen. Nunmehr hat sie sich aber trotz unveränderter Finanzlage zur Bestellung eines Neufahrzeugs entschlossen, was die Vermutung nahelegt, dass das Interesse an der Anschaffung eines Neufahrzeugs erst nachträglich entstanden ist.

dd) Weitere Bedenken ergeben sich daraus, dass die Berufungsführerin nunmehr ein Neufahrzeug bestellt hat (Polo 1,6 I TDI) welches einer völlig anderen Fahrzeugklasse zuzuordnen ist, als das Unfallfahrzeug (Golf V Tour 1,9 I TDI). Die jetzige Bestellung mag damit zwar ein grundsätzliches Interesse an einem Neufahrzeug belegen. Die Abrechnung auf Neuwagenbasis erfordert als Ausnahmeregelung jedoch ein besonderes Integritätsinteresse, welches speziell auf den verunfallten Fahrzeugtyp ausgerichtet ist und nur durch den Erwerb eines gleichwertigen Fahrzeuges nachgewiesen werden kann.

Jedenfalls verbietet sich angesichts der unterschiedlichen Fahrzeugtypen und ihrer Preisklassen die klägerseits durchgeführte Schadensberechnung. Sie geht vom Neupreis des verunfallten Fahrzeugs i.H.v. 21.690 EUR (tatsächlicher Kaufpreis - nach Tageszulassung - laut Anlage K5 allerdings 20.690 EUR) und lässt die tatsächlichen Kosten des Neuerwerbs i.H.v. nur 16.500 EUR unberücksichtigt.

2. Im Übrigen scheitert die Berufung auch am Fehlen der weiteren Voraussetzungen einer Abrechnung auf Neuwagenbasis. Nach wohl allgemeiner Meinung und der ständigen Rechtsprechung des BGH muss sich der Geschädigte zum Schadensausgleich grundsätzlich mit der Erstattung der erforderlichen Reparaturkosten zuzüglich eines merkantilen Minderwerts begnügen. Ein Anspruch auf Kostenerstattung für die Anschaffung eines gleichwertigen Neuwagens wird nur im Ausnahmefall und nur unter der Voraussetzung gewährt, dass es sich beim unfallbeschädigten Fahrzeug um ein neuwertiges Fahrzeug handelt, an dem ein erheblicher Unfallschaden eingetreten ist (vgl. BGH vom 4.3.197...

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