Leitsatz (amtlich)
1. Zur Bestimmung des Kapitalisierungszinssatzes, insbesondere des Risikozuschlags, bei der Ermittlung des Unternehmenswertes im Spruchverfahren.
2. Bei einem Stichtag Ende 2002 (hier: 30.10.2002) kann ein Basiszinssatz von 5,5 % zur Ermittlung der angemessenen Abfindung geeignet sein.
3. Das (Tax)CAPM kann bei der Festlegung der angemessenen Abfindung bei Strukturmaßnahmen nicht als so durchgreifende methodische Verbesserung für die Bemessung des Risikozuschlags angesehen werden, dass es im Spruchverfahren zwingend zugrunde gelegt werden müsste.
4. Das Bestehen eines Beherrschungsvertrages führt für sich genommen nicht zur Herabsetzung des Risikozuschlags bei der Unternehmensbewertung im Rahmen eines nachfolgenden Squeeze-out.
Normenkette
AktG §§ 327a ff.
Verfahrensgang
LG Nürnberg-Fürth (Beschluss vom 21.08.2006; Aktenzeichen 1HK O 1663/03) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 21.8.2006 in Ziff. II dahin abgeändert, dass die angemessene Barabfindung auf 15,45 EUR je auf den Inhaber lautender Stückaktie festgesetzt wird.
II. Im Übrigen werden die sofortigen Beschwerden und die Anschlussbeschwerden zurückgewiesen.
III. Der Geschäftswert wird für beide Instanzen auf jeweils 7,5 Mio. EUR festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand des Verfahrens ist die angemessene Barabfindung aufgrund des am 30.10.2002 beschlossenen Ausschlusses der Minderheitsaktionäre.
Die Antragsteller waren Aktionäre der K. AG. Kerngeschäft des international tätigen Unternehmens ist die Herstellung von Wälzlagern. Das Stammkapital von 156.434.884,43 EUR war in 61.192.008 auf den Inhaber lautende Stückaktien aufgeteilt. Die I. GmbH (Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin) hatte im September 2001 ein Übernahmeangebot abgegeben und nach Erhöhung des Kaufpreises von 11 EUR auf 12 EUR je Aktie im Oktober 2001 die Mehrheit der Aktien erworben. Der Börsenkurs der Aktien der K. AG stieg nach Bekanntgabe des Übernahmeangebots von durchschnittlich 7,70 EUR auf rund 11 EUR bzw. 12 EUR an. Nach Abschluss eines Beherrschungsvertrages, dem die Hauptversammlung am 6.6.2002 zustimmte (vgl. 31 Wx 88/06), beschloss die Hauptversammlung am 30.10.2002, die Aktien der Minderheitsaktionäre gegen eine Barabfindung von 12 EUR auf die Hauptaktionärin zu übertragen, die 96,15 % des Grundkapitals hielt. Der Beschluss wurde nach Beendigung von Anfechtungsklagen durch Vergleich am 12.2.2003 im Handelsregister eingetragen. Der gewichtete durchschnittliche Börsenkurs in den letzten drei Monaten vor der Hauptversammlung betrug 12,41 EUR je Stückaktie.
Das LG hat auf Antrag der K. AG mit Beschluss vom 8.8.2002 die B. AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als sachverständigen Prüfer bestellt. Sie hat die vorgeschlagene Abfindung als angemessen bewertet.
Die Antragsteller haben beantragt, als angemessen eine höhere Abfindung festzusetzen. Das LG hat in der mündlichen Verhandlung vom 19.2.2004 den sachverständigen Prüfer zur Bewertung angehört. Dieser hat ergänzend eine schriftliche Stellungnahme vom 15.4.2004 abgegeben.
Mit Beschluss vom 21.8.2006 hat das LG die angemessene Barabfindung auf 17,77 EUR je Stückaktie festgesetzt. Dabei ging das LG abweichend von der Bewertung durch Unternehmen und Vertragsprüfer von einem Basiszinssatz von 5,5 % (statt 6 %) und einem Risikozuschlag von 2 % (statt 5,5 %) aus, was zu einer Herabsetzung des Kapitalisierungszinssatzes von 7,48 % (Phase I) bzw. 6,48 % (Phase II) auf 4,88 % bzw. 3,88 % führte. Den Barwert steuerlicher Verlustvorträge zum 31.12.2001 errechnete das LG mit 114,26 Mio. EUR (statt 79 Mio. EUR). Weiteren Beanstandungen folgte das LG nicht.
Gegen die Entscheidung des LG hat die Antragsgegnerin sofortige Beschwerde eingelegt. Sie rügt vor allem die Herabsetzung des Basiszinssatzes und des Risikozuschlags. Letzterer kann ihrer Ansicht nach nicht unter 5,5 % angenommen werden kann, ausgehend von einer Marktrisikoprämie von 5 % und einem Beta-Faktor von 1,1. Ferner verweist sie darauf, dass sich unter Anwendung des Tax-CAPM ein geringerer Unternehmenswert ergeben würde.
Der Antragsteller zu 6 strebt mit seiner sofortigen Beschwerde eine Erhöhung der Barabfindung an. Die Antragsteller zu 1, 2, 7, 9, 10, 13, 15 bis 16, 20 bis 23, 27 und 32 bis 34 haben im Hinblick auf das Rechtsmittel der Antragsgegnerin Anschlussbeschwerde eingelegt.
Der Senat hat eine schriftliche Stellungnahme des sachverständigen Prüfers eingeholt und in der mündlichen Verhandlung vom 26.2.2008 den sachverständigen Prüfer angehört.
II. Die sofortigen Beschwerden und die Anschlussbeschwerden sind zulässig (§ 12 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 17 Abs. 2 SpruchG). Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin führt zur Herabsetzung der vom LG festgesetzten Barabfindung auf 15,45 EUR je Stückaktie der K. AG. Die Beschwerden im Übrigen und die Anschlussbeschwerden haben keinen Erfolg.
1. Nach § 327a Abs. 1 Satz 1 AktG kann die Hauptversammlung einer Gesellschaft die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre au...