Leitsatz (amtlich)

1. In Spruchverfahren, die vor dem Inkrafttreten des SpruchG eingeleitet wurden, kann der Nachweis der Antragsberechtigung noch im Beschwerdeverfahren erbracht werden, sofern dadurch keine Verzögerung eintritt.

2. Die gerichtliche Festsetzung des angemessenen Ausgleichs unterbleibt, wenn das Angebot der herrschenden Gesellschaft - auch im Rahmen eines Vergleichs in einem Anfechtungsverfahren - den gerichtlich festzusetzenden Betrag eindeutig übersteigt.

3. Unterliegt das zu bewertende Unternehmen in besonderem Maße konjunkturellen Schwankungen, kann es sachgerecht sein, als für die ewige Rente zu erwartendes Ergebnis den Durchschnitt der Planjahre anzusetzen.

4. Zur Bestimmung des Kapitalisierungszinssatzes, insbesondere des Risikozuschlags, bei der Ermittlung des Unternehmenswertes im Spruchverfahren.

5. Das (Tax) CAPM kann bei der Festlegung der angemessenen Abfindung bei Strukturmaßnahmen nicht als so durchgreifende methodische Verbesserung für die Bemessung des Risikozuschlags angesehen werden, dass es im Spruchverfahren zwingend zugrunde gelegt werden müsste.

 

Normenkette

AktG §§ 304-305

 

Verfahrensgang

LG Nürnberg-Fürth (Aktenzeichen 1HK O 5622/02)

 

Tenor

I. Auf die sofortigen Beschwerden der Antragsteller zu 6, 9 und 18 wird der Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 16.8.2006 in Ziff. I dahin abgeändert, dass nur die Anträge der Antragsteller zu 24 und 27 als unzulässig zurückgewiesen werden.

II. Auf die sofortigen Beschwerden der Antragsgegnerinnen wird der Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 16.8.2006 in Ziff. II dahin abgeändert, dass die angemessene Barabfindung auf 15 EUR je auf den Inhaber lautender Stückaktie festgesetzt wird.

III. In Ziff. III wird der Beschluss des LG dahin abgeändert, dass die Anträge auf Erhöhung des Ausgleichs zurückgewiesen werden.

IV. Im Übrigen werden die sofortigen Beschwerden und die Anschlussbeschwerden zurückgewiesen.

V. Der Geschäftswert für das Verfahren erster Instanz wird auf 19 Mio. EUR festgesetzt.

VI. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7,5 Mio. EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Gegenstand des Verfahrens sind der angemessene Ausgleich und die angemessene Abfindung für die außenstehenden Aktionäre aufgrund eines 2002 abgeschlossenen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrages.

Die Antragsteller waren nach ihrem Vortrag Aktionäre der K. AG (Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin zu 1). Kerngeschäft des international tätigen Unternehmens ist die Herstellung von Wälzlagern. Das Stammkapital von 156.434.884,43 EUR war in 61.192.008 auf den Inhaber lautende Stückaktien aufgeteilt. Die K. AG schloss am 19.4.2002 mit der I. GmbH (Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin zu 2), die zu diesem Zeitpunkt eine Mehrheitsbeteiligung von rund 89,57 % hielt, einen Beherrschungsvertrag ab, dem die Hauptversammlung der K. AG am 6.6.2002 zustimmte. Die I. GmbH hatte im September 2001 ein Übernahmeangebot abgegeben und nach Erhöhung des Kaufpreises von 11 EUR auf 12 EUR im Oktober 2001 die Mehrheit der Aktien erworben. Der Börsenkurs der Aktien der K. AG stieg nach Bekanntgabe des Übernahmeangebots von durchschnittlich 7,70 EUR auf rund 11 EUR bzw. 12 EUR an. Der gewichtete durchschnittliche Börsenkurs in den letzten drei Monaten vor der Hauptversammlung betrug 13 EUR je Stückaktie.

Der Beherrschungsvertrag vom 19.4.2002 sieht eine Barabfindung i.H.v. 12 EUR je Stückaktie vor und garantiert als angemessenen Ausgleich einen Gewinnanteil von mindestens 0,79 EUR je Stückaktie. Das LG hat auf Antrag der K. AG mit Beschluss vom 6.3.2002 die B. AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als Vertragsprüfer bestellt. Sie hat die vorgeschlagenen Beträge als angemessen bewertet.

In der Hauptversammlung vom 30.10.2002 wurde der Ausschluss der Minderheitsaktionäre beschlossen; dieser Beschluss wurde am 12.2.2003 in das Handelsregister eingetragen. Gegen diesen Beschluss hatten mehrere Aktionäre Anfechtungsklagen erhoben, die durch einen gerichtlichen Vergleich beendet wurden. Mit diesem Vergleich verpflichtete sich die beigetretene Muttergesellschaft der Hauptaktionärin "im Wege eines echten Vertrages zugunsten Dritter, als Ersatz für die ab dem Geschäftsjahr 2002 (einschließlich) infolge der Eintragung des Übertragungsbeschlusses entfallenden Ausgleichszahlungen pauschal einen Betrag i.H.v. 1,80 EUR je auf den Inhaber lautende Stückaktie an diejenigen Aktionäre der Beklagten zu zahlen, die berechtigt sind, die Barabfindung gemäß dem Beschluss der Hauptversammlung vom 30.10.2002 zu erhalten. Der Betrag ist gleichzeitig mit der genannten Barabfindung fällig. Eine Anrechnung dieses Betrages auf etwaige Abfindungsergänzungsansprüche im Rahmen eines Spruchstellenverfahrens im Anschluss an die Eintragung des Übertragungsbeschlusses findet nicht statt."

Die Antragsteller haben beantragt, als angemessen eine höhere Abfindung und einen höheren Ausgleich festzusetzen. Das LG hat in der mündlichen Verhandlung vom 19.2.2004 den Vertragsprüfer zur Bewertung angehört. Dieser hat ergänzend eine schriftlic...

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