Leitsatz (amtlich)

Wird die Kraftloserklärung eines Grundschuldbriefs beantragt, ist das zuerst befasste (örtlich zuständige) Gericht zuständig, auch wenn Grundstücke in verschiedenen Gerichtsbezirken betroffen sind. Einer Zuständigkeitsbestimmung entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 4 ZPO bedarf es in derartigen Fällen nicht (mehr).

 

Normenkette

FamFG § 2 Abs. 1, § 466 Abs. 2; ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 4

 

Verfahrensgang

AG Aichach (Aktenzeichen 184 UR II 7/13)

 

Tenor

Eine Zuständigkeitsbestimmung wird abgelehnt.

 

Gründe

I. Der Antrag vom 8.7.2013 an das AG Aichach betrifft die Kraftloserklärung eines Grundschuldbriefs für eine in Gesamthaft in den Grundbüchern des AG Aichach für M. Blatt 1213 und des AG Augsburg für A. Blätter 23642 und 23668 eingetragene Grundschuld. Das AG Aichach hat die Akten zur Bestimmung des zuständigen Gerichts entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 4 ZPO dem OLG vorgelegt.

II. Die Bestimmung kann nicht getroffen werden, weil die Zuständigkeit gesetzlich feststeht.

1. Allerdings wäre für die begehrte Entscheidung nach § 36 Abs. 1 Nr. 4 ZPO das angegangene OLG zuständig, weil sich das im Rechtszug zunächst höhere Gericht aus den Bestimmungen des GVG ergibt (vgl. BGH NJW 1979, 2249; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl., § 36 Rz. 5). Für die der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugehörigen Aufgebotssachen nach Buch 8 des FamFG (s. Bumiller/Harders FamFG 10. Aufl. Vorbem. zu §§ 433 ff. Rz. 1) sind die OLG, abgesehen von hier nicht einschlägigen Ausnahmen, die zuständigen Beschwerdegerichte (s. § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG; Bumiller/Harders § 5 Rz. 12).

2. Die Bestimmung hat zu unterbleiben, weil sich die Zuständigkeit des AG Aichach als des zuerst mit der Angelegenheit befassten Gerichts eindeutig und zweifelsfrei aus § 466 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 FamFG ergibt.

a) Das Aufgebotsverfahren war ungeachtet seines schon damaligen Charakters als Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit bis zum In-Kraft-Treten des FamFG am 1.9.2009 in der ZPO (Buch 9 - §§ 946 bis 1024) geregelt. Mit seiner Übernahme in das Buch 8 des FamFG besteht für einen Rückgriff auf andere Verfahrensordnungen dort kein Anlass, wo das FamFG eigene Vorschriften zur Konfliktlösung enthält. Demgemäß vertritt die überwiegende Literatur zum FamFG die Ansicht, eine originäre gerichtliche Zuständigkeitsbestimmung komme nicht in Betracht und § 2 Abs. 1 FamFG sei anzuwenden (Keidel/Giers FamFG 17. Aufl., § 466 Rz. 13, Bumiller/Harders § 466 Rz. 2; Maas in Prütting/Helms FamFG § 466 Rz. 2 und § 442 bis 445 Rz. 6; für den Fall des § 442 FamFG Zöller/Geimer ZPO, 29. Aufl., § 442 Rz. 4; a.A. Walter in Bassenge/Roth FamFG 12. Aufl., § 466 Rz. 5).

b) Nach der zivilrechtlichen Kommentarliteratur ist hingegen § 36 Abs. 1 Nr. 4 ZPO sinngemäß anzuwenden. Dies wird überwiegend noch unreflektiert unter Bezugnahme auf die aufgehobenen Bestimmungen in Buch 9 der ZPO und mit eine älteren Entscheidung des BayObLG vom 22.9.1977 (Rpfleger 1977, 448) begründet, wonach bei einer Gesamthaftung mehrerer in verschiedenen Gerichtsbezirken belegenen Grundstücke für eine Grundschuld die genannte Vorschrift heranzuziehen sei (Hüßtege in Thomas/Putzo § 36 Rz. 19; Musielak/Heinrich ZPO, 10. Aufl., § 36 Rz. 25; Patzina in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl., § 36 Rz. 32; Lange in Prütting/Gehrlein ZPO, 3. Aufl., § 36 Rz. 10; Zöller/Vollkommer § 36 Rz. 19). Der Senat folgt dem aus den unter a) genannten Gründen für den gegenwärtigen Rechtszustand nicht.

c) Der für Zuständigkeitsbestimmungen vormals zuständige 31. Zivilsenat hat in seiner Entscheidung vom 15.2.2011 (31 AR 21/11 = NJOZ 2011, 1204; s. auch Zöller/Geimer § 466 FamFG Rz. 4) die Ansicht vertreten, dass für bestimmte Fallkonstellationen auch nach Unterstellung des Aufgebotsverfahrens unter das Regime der freiwilligen Gerichtsbarkeit eine entsprechende Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 4 ZPO noch in Betracht komme. In der dortigen Sache ging es um die Kraftloserklärung mehrerer Grundschuldbriefe. Ob dem für bestimmte Fälle aus Praktikabilitätserwägungen zu folgen ist, bedarf hier keiner Erörterung. Jedenfalls schließt auch der 31. Senat in seiner dortigen Entscheidung die Anwendung des § 2 FamFG keineswegs aus, sondern hält sie für "befriedigend", sofern es sich eindeutig um eine einzige (einheitliche) Angelegenheit handelt, nicht aber um mehrere, wenn auch sachlich zusammenhängende Angelegenheiten. Dass die Angelegenheit hier eine einzige ist, nämlich die Kraftloserklärung (nur) eines Grundschuldbriefs, liegt aber auf der Hand.

 

Fundstellen

Haufe-Index 5506979

MDR 2014, 22

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