Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwaltsgebühren bei Beschränkung der Beschwerde auf das Sorgerecht

 

Leitsatz (amtlich)

Wird in einem Verbundverfahren nur die Entscheidung des FamG über das Sorgerecht oder Teile hiervon angefochten, so sind für das Beschwerdeverfahren §§ 47 Abs. 2, 48 Abs. 3 S. 3 GKG zur Vermeidung eines verfassungswidrigen Eingriffs in die Berufsausübung von Rechtsanwälten dahin gehend auszulegen, dass §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 3, Abs. 2 KostO entsprechend anzuwenden sind.

 

Normenkette

GG Art. 3, 12; GKG §§ 47-48

 

Verfahrensgang

AG Miesbach (Aktenzeichen 1 F 433/03)

 

Tenor

Auf die Gegenvorstellungen der Prozessbevollmächtigten der Parteien wird der Streitwertbeschluss des Senats vom 9.5.2005 dahin gehend abgeändert, dass der Streitwert für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 EUR festgesetzt wird.

 

Gründe

I. Der Senat hat mit Beschluss vom 9.5.2005 den Streitwert für die in der Beschwerde nach § 629a ZPO allein anhängige Folgesache "Aufenthaltsbestimmungsrecht" auf 900 EUR festgesetzt und dies mit §§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG, 48 Abs. 3 S. 3 GKG begründet.

Beide Prozessbevollmächtigten beantragen entweder im Wege der Beschwerde bzw. der Gegenvorstellung, den Streitwert wegen des Umfangs der Rechtssache auf 5.000 EUR festzusetzen. Sie sehen in § 48 Abs. 3 S. 3 GKG einen unangemessenen Eingriff in ihr Grundrecht auf freie Berufsausübung, weil sie für ihre umfangreiche Tätigkeit in dem Sorgerechtsstreit nicht angemessen bezahlt würden. In einem isolierten Sorgerechtsstreit würde der Gegenstandswert nach der KostO zu bewerten sein und mindestens 3.000 EUR betragen.

Der Bezirksrevisor hatte Gelegenheit zur Stellungnahme und beantragt die Abänderung des Streitwerts auf 4.000 EUR.

II. Auf die zulässigen Gegenvorstellungen der Prozessbevollmächtigten der Parteien ist der Streitwert auf 5.000 EUR abzuändern.

1. Eine Abänderung der Entscheidung über den Streitwert ist gem. § 63 Abs. 3 GKG zulässig, die sechsmonatige Frist, innerhalb derer eine Abänderung nach Beendigung des Verfahrens vorgenommen werden kann, ist eingehalten.

2. Zwar bleibt nach allgemeiner Meinung in der Literatur das Verfahren über die Folgesache elterliche Sorge in der Beschwerdeinstanz nach § 629a ZPO ein Verbundverfahren, auch wenn die hierzu im Verbund ergangene Entscheidung allein angefochten wird, so dass der Streitwert nach dem GKG zu berechnen ist (Finger in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 629a Rz. 55, 57; Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 629a Rz. 44). Der Streitwert in der Beschwerdeinstanz wird gem. § 47 Abs. 2 GKG durch den Wert des Gegenstandes der ersten Instanz begrenzt, es sei denn, der Streitgegenstand wird erweitert, was hier nicht zutrifft. Damit würde es gem. § 48 Abs. 3 S. 3 GKG i.V.m. § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bei einem Streitwert von 900 EUR verbleiben.

3. Diese Regelung verstößt nach Auffassung des Senats jedoch gegen Art. 3 Abs. 1 und 12 GG.

a) Zu Recht weist die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin darauf hin, dass es in der Beschwerde keinen Unterschied macht, ob die Verbundsache Sorgerecht allein angegriffen wird oder ob von vornherein nur eine isolierte Sorgerechtssache vorliegt. Die Argumente, die für eine kostenmäßige Begünstigung der Verbundsache in der ersten Instanz infolge der Addierung der Streitwerte sprechen, bestehen bei der alleinigen Anfechtung der Verbundsache "Sorgerecht" nicht mehr.

b) Damit behandelt das Gesetz einen vergleichbaren Sachverhalt ungleich, obwohl die Unterschiede zwischen ihnen eine Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. In beiden Fällen muss der Anwalt denselben Arbeitsaufwand in zeitlicher und persönlicher Hinsicht erbringen. Im Falle einer Anfechtung eines isolierten Sorgerechtsverfahrens erhält er jedoch Gebühren aus einem Gegenstandswert von 3.000 EUR gem. § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 KostO, der jedoch im Einzelfall erhöht oder gesenkt werden kann. Vorliegend käme - würde eine isolierte Sorgerechtssache vorliegen - wegen des Umfangs des Sorgerechtsstreits, der notwendigen umfangreichen Beweisaufnahmen, die von den üblichen Sorgerechtsstreitigkeiten erheblich abweichen, nach der Rechtsprechung des Senat ein Gegenstandswert von 5.000 EUR in Betracht.

c) Zudem enthält die Regelung in § 47 Abs. 2 i.V.m. § 48 Abs. 3 S. 3 GKG nach Auffassung des Senats einen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht der freien Berufsausübung. Die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Freiheit, einen Beruf auszuüben, ist untrennbar mit der Freiheit verbunden, eine angemessene Vergütung zu fordern (BVerfG v. 23.8.2005 - 1 BvR 46/05, MDR 2005, 1373 m. Anm. Hartung = NJW 2005, 2980). Gesetzliche Vergütungsregelungen sind daher am Maßstab des Art. 12 Abs. 1 GG zu messen (BVerfG v. 30.3.1993 - 1 BvR 1045/89, 1 BvR 1381/90, 1 BvL 11/90, MDR 1993, 753 = NJW 1993, 2861).

Die Streitwertfestsetzung durch den Senat betrifft zwar zunächst nur den Streitwert und regelt nicht unmittelbar die Vergütung der Prozessbevollmächtigten der Parteien. Die Berufsfreiheit ist aber auch dann berührt, wenn sich...

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