Leitsatz
Nach Abschluss eines Scheidungsverfahrens wurde gegen die Folgesache elterliche Sorge Beschwerde eingelegt. Das OLG hat den Streitwert für die Beschwerde auf 900,00 EUR festgesetzt und dies mit §§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG, 48 Abs. 3 S. 3. GKG begründet.
Die Prozessbevollmächtigten beider Parteien beantragten im Wege der Beschwerde bzw. der Gegenvorstellung, den Streitwert wegen des Umfangs der Angelegenheit auf 5.000,00 EUR festzusetzen. Dies mit der Begründung, § 48 Abs. 3 S. 3 GKG stelle einen unangemessenen Eingriff in ihr Grundrecht auf freie Berufsausübung dar, weil sie für ihre umfangreiche Tätigkeit in dem Sorgerechtsstreit nicht angemessen bezahlt würden. In einem isolierten Sorgerechtsstreit würde der Gegenstandswert nach der Kostenordnung zu bewerten sein und mindestens 3.000,00 EUR betragen. Der Bezirksrevisor hatte Gelegenheit zur Stellungnahme und beantragte die Festsetzung des Streitwerts auf 4.000,00 EUR.
Das OLG änderte den Streitwert auf 5.000,00 EUR ab.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG verweist zunächst darauf, dass nach allgemeiner Meinung in der Literatur das Verfahren über die Folgesache elterliche Sorge in der Beschwerdeinstanz nach § 629a ZPO ein Verbundverfahren bleibt, auch dann, wenn die hierzu im Verbund ergangene Entscheidung allein angefochten wird, so dass der Streitwert nach dem GKG zu berechnen ist. Der Streitwert in der Beschwerdeinstanz wird gem. § 47 Abs. 2 GKG durch den Wert des Gegenstandes der ersten Instanz begrenzt, es sei denn, der Streitgegenstand wird erweitert, was auf den vorliegenden Fall nicht zutraf. Damit würde es gem. § 48 Abs. 3 S. 3 GKG i.V.m. § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO bei einem Streit von 900,00 EUR verbleiben.
Diese Auffassung verstößt nach Auffassung des Senats jedoch gegen Art. 3 Abs. 1 und 12 GG. Zu Recht hätte die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin darauf hingewiesen, dass es in der Beschwerde keinen Unterschied mache, ob die Verbundsache Sorgerecht allein angegriffen wird oder von vornherein nur eine isolierte Sorgerechtssache vorliegt. Die Argumente, die für eine kostenmäßige Begünstigung der Verbundsache in der ersten Instanz infolge der Addierung der Streitwerte sprechen, bestehen bei der alleinigen Anfechtung der Verbundsache Sorgerecht nicht mehr.
Damit behandelt das Gesetz einen vergleichbaren Sachverhalt ungleich, obwohl die Unterschiede zwischen ihnen eine Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. In beiden Fällen muss der Anwalt denselben Arbeitsaufwand in zeitlicher und persönlicher Hinsicht erbringen. Im Fall einer Anfechtung eines isolierten Sorgerechtsverfahrens erhält er jedoch Gebühren aus einem Gegenstandswert von 3.000,00 EUR gem. § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 3 S. 1Abs. 2 KostO, der jedoch im Einzelfall erhöht oder gesenkt werden kann.
Vorliegend käme - würde eine isolierte Sorgerechtssache vorliegen - wegen des Umfangs des Verfahrens, der notwendigen umfangreichen Beweisaufnahmen, die von den üblichen Sorgerechtsstreitigkeiten erheblich abweichen, nach der Rechtsprechung des OLG einen Gegenstandswert von 5.000,00 EUR in Betracht.
Außerdem enthält die Regelung in § 47 Abs. 2 i.V.m. § 48 Abs. 3 S. 3 GKG nach Auffassung des Senats einen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Grundrecht der freien Berufsausübung. Die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Freiheit, einen Beruf auszuüben, ist untrennbar mit der Freiheit verbunden, eine angemessene Vergütung zu fordern (BVerfG v. 23.8.2005 - 1 BvR 46/05, MDR 2005, 1373 m. Anm. Hartung = NJW 2005, 2980).
Die Streitwertfestsetzung durch den Senat betrifft zwar zunächst nur den Streitwert und regelt nicht unmittelbar die Vergütung der Prozessbevollmächtigten der Parteien. Die Berufsfreiheit ist aber auch dann berührt, wenn eine Maßnahme sich zwar nicht auf die Berufstätigkeit selbst bezieht, aber in einem so engen Zusammenhang mit der Ausübung des Berufes steht, dass sie objektiv eine berufsregelnde Tendenz hat (BVerfG a.a.O.).
Eine Vorlage an das BverG kann nach Auffassung des Senats vorliegend unterbleiben, weil § 47 Abs. 2 S. 2 GKG eine verfassungskonforme Auslegung ermöglicht. Der Streitwert für die Beschwerdeinstanz wird nämlich dann nicht durch denjenigen der ersten Instanz begrenzt, wenn der Streitgegenstand erweitert wird. Damit räumt § 47 Abs. 2 S. 2 GKG den Gerichten bei der Änderung des Streitwerts eine Anpassung nach oben ein. Diese Vorschrift ist analog auch auf den Fall anzuwenden, dass sich der Streitwert der Beschwerdeinstanz gegenüber demjenigen der ersten Instanz deshalb ändert, weil mit der Beschwerde nach § 629a ZPO nur eine Folgesache angefochten wird.
Link zur Entscheidung
OLG München, Beschluss vom 02.12.2005, 12 UF 1847/04