Leitsatz (amtlich)
Die erstinstanzliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für Vergütungsansprüche nach § 54 UrhG gilt auch für Verfahren , die am 1.1.2008 noch nicht beim Landgericht anhängig waren und in denen der Vergütungsanspruch auf § 54 UrhG in der vor dem 1.1.2008 geltenden Fassung gestützt ist.
Verfahrensgang
LG München I (Entscheidung vom 02.12.2008; Aktenzeichen 21 O 7353/08) |
OLG München (Aktenzeichen 6 WG 15/08) |
Tenor
Sachlich zuständig ist das Oberlandesgericht.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte, ein Zusammenschluss deutscher Verwertungsgesellschaften, behauptete Ansprüche auf Rückgewähr zuviel bezahlter Vergütungen geltend. Ihr Mahnbescheidsantrag ging am 27.12.2007 bei dem Zentralen Mahngericht ein. Der Mahnbescheid wurde am 29.1.2008 zugestellt. Nach Eingang des Widerspruchs der Beklagten am 8.2.2008 stellte die Klägerin mit Schriftsatz vom 18.3.2008 den Antrag auf Abgabe der Sache an das im Mahnbescheidsantrag bezeichnete Landgericht zur Durchführung des streitigen Verfahrens. Am 30.4.2008 gingen die Akten beim Landgericht ein.
Mit Beschluss vom 2.12.2008 erklärte sich das Landgericht für unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das "gem. § 16 Abs. 4 UrhWG ausschließlich zuständige" Oberlandesgericht. Dieses Gericht lehnte die Übernahme ab und legte die Akten dem für Kompetenzkonflikte nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zuständigen Senat vor.
II. Zuständig ist das Oberlandesgericht. Das ergibt sich bereits aus der Bindungswirkung des landgerichtlichen Verweisungsbeschlusses (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO). Die Bindungswirkung tritt ausnahmsweise dann nicht ein, wenn die Verweisung unter Verletzung rechtlichen Gehörs ergangen ist oder sich so weit von der gesetzlichen Grundlage entfernt, dass sie im Hinblick auf das Gebot des gesetzlichen Richters und das Willkürverbot des Grundgesetzes nicht hingenommen werden kann (vgl. BGHZ 102, 338/341; BGH NJW 2002, 3634/3635; BayObLGZ 2003, 187/190; Zöller/Greger ZPO 27. Aufl. § 281 Rn. 17, 17a). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Der Verweisungsbeschluss ist, wenn nicht zutreffend, jedenfalls vertretbar und nicht etwa willkürlich.
1. Das Zweite Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 26.10.2007 hat mit Wirkung ab 1.1.2008 sowohl die Vorschriften über den materiellen Vergütungsanspruch des Urhebers für Vervielfältigungen gegen Gerätehersteller (§§ 54 ff. UrhG) als auch das im Urheberrechtswahrnehmungsgesetz geregelte Verfahrensrecht (Schiedsstelle, § 14, und gerichtliche Geltendmachung, § 16 UrhWG) geändert. Seit 1.1.2008 ist die schon bisher nach § 16 Abs. 4 Satz 1 UrhWG (a. F.) für bestimmte Fälle bestehende erstinstanzliche ausschließliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts auf "Streitfälle nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b" UrhWG erweitert.
Streitfälle nach Buchstabe b (n. F.) betreffen die Vergütungspflicht nach § 54 oder § 54c UrhG.
2. Nach der Übergangsvorschrift in § 27 Abs. 3 UrhWG ist § 16 Abs. 4 Satz 1 UrhWG, also die erweiterte erstinstanzliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts, auf Verfahren , die am 1.1.2008 bereits beim Landgericht anhängig sind, nicht anzuwenden. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die erweiterte Zuständigkeit auf alle Verfahren anzuwenden ist, die zum Stichtag noch nicht beim Landgericht anhängig sind. Nur bereits beim Landgericht anhängige Verfahren sollten dort weiterbetrieben werden können und nicht nach der neuen Regelung vor dem Oberlandesgericht neu begonnen werden müssen (vgl. BT-Drucks. 16/1828, S. 36); auch dies sollte nach der Gesetzesbegründung der Verfahrensbeschleunigung dienen (aaO.).
3. Der Umstand, dass die Klägerin bereits bezahlte Vergütung zurückfordert, die unter der Geltung des alten Rechts (§§ 54 ff. UrhG a. F.) für Zeiträume vor dem 1.1.2008 bezahlt worden war, steht der Annahme des Landgerichts, das Oberlandesgericht sei zuständig, nicht entgegen. Die neue Zuständigkeit des Oberlandesgerichts für zum 1.1.2008 noch nicht beim Landgericht anhängige Verfahren gilt bei verständiger Auslegung des Übergangsrechts auch für solche Streitigkeiten, die nach Sachverhalt und Anspruchsgrundlage im vor dem Stichtag geltenden Recht wurzeln.
a) Der Wortlaut scheint einer solchen Auslegung allerdings auf den ersten Blick zunächst entgegenzustehen. § 16 Abs. 4 Satz 1 UrhWG begründet die erstinstanzliche Zuständigkeit des Oberlandesgerichts nämlich für Streitfälle nach "§ 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b" UrhWG, also für Streitfälle nach einer Vorschrift, die ihre jetzige Fassung zum 1.1.2008 erhielt und ihrerseits auf materielle Bestimmungen im Urheberrechtsgesetz verweist (§§ 54, 54c UrhG), die ebenfalls mit Wirkung ab 1.1.2008 geändert wurden. Wäre dies als Verweisung auf - vereinfacht ausgedrückt - "Streitfälle nach neuem Recht" zu verstehen, so gäbe es für die Übergangsvorschrift aber keinen einzigen Anwendungsfall; denn Streitfälle nach neuem Recht können zum Stichtag 1.1.2008 noch gar nicht beim Landgericht anhängig gewesen sein. Die Übergangsvorschrift, dass (nur) bereits...