Leitsatz (amtlich)
Die erstinstanzliche Zuständigkeit des OLG für Vergütungsansprüche nach § 54 UrhG gilt auch für Verfahren, die am 1.1.2008 noch nicht beim LG anhängig waren und in denen der Vergütungsanspruch auf § 54 UrhG in der vor dem 1.1.2008 geltenden Fassung gestützt ist.
Normenkette
UrhG § 54; UrhWG § 16 Abs. 4 S. 1, § 27 Abs. 3; ZPO § 281 Abs. 2 S. 4, § 696 Abs. 1 S. 4
Verfahrensgang
OLG München (Aktenzeichen 6 VVG 15/08) |
LG München I (Aktenzeichen 21 O 7353/08) |
Tenor
Sachlich zuständig ist das OLG.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte, ein Zusammenschluss deutscher Verwertungsgesellschaften, behauptete Ansprüche auf Rückgewähr zuviel bezahlter Vergütungen geltend. Ihr Mahnbescheidsantrag ging am 27.12.2007 bei dem Zentralen Mahngericht ein. Der Mahnbescheid wurde am 29.1.2008 zugestellt. Nach Eingang des Widerspruchs der Beklagten am 8.2.2008 stellte die Klägerin mit Schriftsatz vom 18.3.2008 den Antrag auf Abgabe der Sache an das im Mahnbescheidsantrag bezeichnete LG zur Durchführung des streitigen Verfahrens. Am 30.4.2008 gingen die Akten beim LG ein.
Mit Beschluss vom 2.12.2008 erklärte sich das LG für unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das "gem. § 16 Abs. 4 UrhWG ausschließlich zuständige" OLG. Dieses Gericht lehnte die Übernahme ab und legte die Akten dem für Kompetenzkonflikte nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zuständigen Senat vor.
II. Zuständig ist das OLG. Das ergibt sich bereits aus der Bindungswirkung des landgerichtlichen Verweisungsbeschlusses (§ 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO). Die Bindungswirkung tritt ausnahmsweise dann nicht ein, wenn die Verweisung unter Verletzung rechtlichen Gehörs ergangen ist oder sich so weit von der gesetzlichen Grundlage entfernt, dass sie im Hinblick auf das Gebot des gesetzlichen Richters und das Willkürverbot des Grundgesetzes nicht hingenommen werden kann (vgl. BGHZ 102, 338/341; BGH NJW 2002, 3634/3635; BayObLGZ 2003, 187/190; Zöller/Greger ZPO, 27. Aufl., § 281 Rz. 17, 17a). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Der Verweisungsbe-schluss ist, wenn nicht zutreffend, jedenfalls vertretbar und nicht etwa willkürlich.
1. Das Zweite Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 26.10.2007 hat mit Wirkung ab 1.1.2008 sowohl die Vorschriften über den materiellen Vergütungsanspruch des Urhebers für Vervielfältigungen gegen Gerätehersteller (§§ 54 ff. UrhG) als auch das im Urheberrechtswahrnehmungsgesetz geregelte Verfahrensrecht (Schiedsstelle, § 14, und gerichtliche Geltendmachung, § 16 UrhWG) geändert. Seit 1.1.2008 ist die schon bisher nach § 16 Abs. 4 Satz 1 UrhWG (a.F.) für bestimmte Fälle bestehende erstinstanzliche ausschließliche Zuständigkeit des OLG auf "Streitfälle nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b" UrhWG erweitert. Streitfälle nach Buchstabe b (n.F.) betreffen die Vergütungspflicht nach § 54 oder § 54c UrhG.
2. Nach der Übergangsvorschrift in § 27 Abs. 3 UrhWG ist § 16 Abs. 4 Satz 1 UrhWG, also die erweiterte erstinstanzliche Zuständigkeit des OLG, auf Verfahren, die am 1.1.2008 bereits beim LG anhängig sind, nicht anzuwenden. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die erweiterte Zuständigkeit auf alle Verfahren anzuwenden ist, die zum Stichtag noch nicht beim LG anhängig sind. Nur bereits beim LG anhängige Verfahren sollten dort weiterbetrieben werden können und nicht nach der neuen Regelung vor dem OLG neu begonnen werden müssen (vgl. BT-Drucks. 16/1828, 36); auch dies sollte nach der Gesetzesbegründung der Verfahrensbeschleunigung dienen (a.a.O.).
3. Der Umstand, dass die Klägerin bereits bezahlte Vergütung zurückfordert, die unter der Geltung des alten Rechts (§§ 54 ff. UrhG a.F.) für Zeiträume vor dem 1.1.2008 bezahlt worden war, steht der Annahme des LG, das OLG sei zuständig, nicht entgegen. Die neue Zuständigkeit des OLG für zum 1.1.2008 noch nicht beim LG anhängige Verfahren gilt bei verständiger Auslegung des Übergangsrechts auch für solche Streitigkeiten, die nach Sachverhalt und Anspruchsgrundlage im vor dem Stichtag geltenden Recht wurzeln.
a) Der Wortlaut scheint einer solchen Auslegung allerdings auf den ersten Blick zunächst entgegenzustehen. § 16 Abs. 4 Satz 1 UrhWG begründet die erstinstanzliche Zuständigkeit des OLG nämlich für Streitfälle nach "§ 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b" UrhWG, also für Streitfälle nach einer Vorschrift, die ihre jetzige Fassung zum 1.1.2008 erhielt und ihrerseits auf materielle Bestimmungen im Urheberrechtsgesetz verweist (§§ 54, 54c UrhG), die ebenfalls mit Wirkung ab 1.1.2008 geändert wurden. Wäre dies als Verweisung auf - vereinfacht ausgedrückt - "Streitfälle nach neuem Recht" zu verstehen, so gäbe es für die Übergangsvorschrift aber keinen einzigen Anwendungsfall; denn Streitfälle nach neuem Recht können zum Stichtag 1.1.2008 noch gar nicht beim LG anhängig gewesen sein. Die Übergangsvorschrift, dass (nur) bereits anhängige Verfahren beim LG verbleiben, liefe ins Leere, und das LG wäre auch nach dem 1.1.2008 auf längere Zeit noch mit neu eingehenden Sachen befasst. Das kann de...