Leitsatz (amtlich)
1. Das notarielle Nachlassverzeichnis ist eine Tatsachenbescheinigung des Notars über seine Ermittlungen und Wahrnehmungen. Sie wird durch Errichtung einer öffentlichen Zeugnisurkunde über die vom Notar festgestellten Tatsachen errichtet; eine Verlesung findet nicht statt. Der Pflichtteilsberechtigte hat an einer Anwesenheit bei diesem Vorgang grundsätzlich kein Interesse.
2. Das Zuziehungsrecht des Pflichtteilsberechtigten bei der Aufnahme des amtlichen Verzeichnisses durch einen Notar besteht nicht bei einzelnen notariellen Ermittlungshandlungen.
3. Der Pflichtteilsberechtigte hat grundsätzlich keinen Anspruch, die vom Notar im Rahmen der Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses auszuwertenden Unterlagen einzusehen.
Normenkette
BGB § 2314; ZPO § 888
Verfahrensgang
LG Memmingen (Aktenzeichen 22 O 1854/22) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Memmingen vom 22.05.2024, Az. 22 O 1854/22, wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I. Der Antragsteller nimmt die Antragsgegnerin (im Folgenden: die Erbin) im Wege der Zwangsvollstreckung auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses in Anspruch.
Die Erbin ist durch rechtskräftiges Teil-Anerkenntnisurteil des Landgerichts Memmingen vom xx.07.2023 zur Auskunftserteilung über den Nachlass des am xx.xx.2019 verstorbenen Erblassers durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses verurteilt worden.
Mit Schriftsatz vom 09.10.2023 beantragte der Antragsteller, gegen die Erbin ein Zwangsgeld zu verhängen, weil ein notarielles Nachlassverzeichnis noch nicht vorgelegt worden war. Mit Beschluss vom 16.02.2024 verhängte das Landgericht ein entsprechendes Zwangsgeld gegen die Erbin in Höhe von 1.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft von 10 Tagen. Auf die Beschwerde der Erbin vom 08.03.2024 hob das Landgericht diesen Beschluss mit Beschluss vom 22.05.2024 mit der Begründung auf, dass jedenfalls durch das zwischenzeitlich vorgelegte Nachlassverzeichnis vom 11.10.2023 und einzelne erstellte Nachträge der Anspruch des Antragstellers erfüllt worden sei.
Dagegen richtet sich nunmehr der Antragsteller mit seiner sofortigen Beschwerde vom 07.06.2024, mit der er seinen Zwangsgeldantrag weiterverfolgt. Er ist im Wesentlichen der Ansicht, dass sein Zuziehungsrecht bei der Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses verletzt worden sei, weswegen diesem allein deswegen keine Erfüllungswirkung zukomme. Bei dem Termin im Notariat vom 10.05.2023, bei dem er vertreten war, habe es sich lediglich um ein informatorisches Gespräch gehandelt. Im Übrigen läge durch die einzelnen Nachträge kein übersichtliches Verzeichnis vor; die Notarin habe zudem keine eigene Ermittlungstätigkeit entfaltet und den Zeitpunkt des Vollzugs von Schenkungen nicht ermittelt.
Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 24.06.2024 nicht abgeholfen und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Der Senat hat mit Beschluss vom 29.07.2024 darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen. Zu diesem Hinweis haben sich die Parteien am 22.08.2024, 29.08.2024, 06.09.2024 und 13.11.2024 geäußert.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, bleibt im Ergebnis aber ohne Erfolg. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat zunächst Bezug auf seinen Hinweisbeschluss vom 29.07.2024, an dem nach erneuter Überprüfung festgehalten wird. Das weitere Vorbringen im Beschwerdeverfahren verhilft der sofortigen Beschwerde nicht zum Erfolg.
1. Soweit der Antragsteller rügt, dass sein tituliertes und geltend gemachtes Anwesenheitsrecht bei der Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses verletzt worden sei, weshalb diesem keine Erfüllungswirkung zukommen könne, trifft dies nicht zu.
a) Der Erfüllung des titulierten Anspruchs steht nicht entgegen, dass die maßgebliche Besprechung mit der Notarin (bzw. deren amtlich bestelltem Vertreter) am 10.05.2023 und damit noch vor der Titulierung des klägerischen Anspruchs stattfand. Vorliegend ist die geschuldete Leistung die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses, bei dessen Aufnahme der Gläubiger zuzuziehen ist. Ein solches notarielles Nachlassverzeichnis lag bei Erlass des Teil-Anerkenntnisurteils am 27.07.2023 noch nicht vor, d. h. Erfüllung im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB war nicht eingetreten, so dass die Auskunftsschuldnerin auch nach materiellem Recht und im Übrigen antragsgemäß zu verurteilen war. Ungeachtet dessen verlieren bereits erbrachte Teilleistungen zur Herbeiführung des geschuldeten Leistungserfolgs (Errichtung eines notariellen Nachlassverzeichnisses) ihre Wirksamkeit nicht mit einer nachfolgenden Titulierung und müssen demzufolge nicht wiederholt werden.
b) Der Erfüllung des titulierten Anspruchs steht ebenfalls nicht entgegen, dass der Antragsteller über den Termin vom 10.05.2023 hinaus nicht (erneut) von der Notarin zugezogen worden ist.
aa) In Rechtsprechung und Schrifttum ist bislan...