Leitsatz (amtlich)
Für den Nachweis der Löschungsreife eines bis zur Vollendung eines bestimmten Lebensjahres befristeten Rechts genügt es in der Regel nicht, dass sich das Geburtsdatum des Berechtigten aus dem Grundbucheintrag ergibt. Das Lebensalter des Berechtigten ist vielmehr in der Form des § 29 Abs. 1 Satz 2 GBO nachzuweisen.
Normenkette
GBO § 22 Abs. 1, § 29 Abs. 1; GBV § 15 Abs. 1 Buchst. a
Gründe
I. Die Beteiligte ist Eigentümerin eines Grundstücks. Dieses Grundstück ist mit einem auflösend bedingten und längstens bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres der Berechtigten befristeten Wohnungsrecht belastet. Laut Übergabevertrag vom 26.10.1995, mit welchem das Wohnungsrecht bestellt wurde, ist die Berechtigte am 23.4.1971 geboren.
Die Beteiligte hat nach dem 31.8.2009 u.a. die Löschung des Wohnungsrechts beantragt. Das Grundbuchamt hat ihr mit Zwischenverfügung vom 12.11.2009 die Vorlage der Geburtsurkunde der Wohnungsberechtigten in öffentlich beglaubigter Form aufgegeben. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten, der das Grundbuchamt nicht abgeholfen hat.
II. Die zulässige (§ 71 Abs. 1 GBO) Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg:
1. Zur Berichtigung des Grundbuchs - als solche stellt sich die begehrte Löschung dar - bedarf es nicht der Bewilligung des als Rechtsinhaber Eingetragenen, wenn die Unrichtigkeit nachgewiesen wird (§ 22 Abs. 1 Satz 1 GBO). An die Führung dieses Nachweises sind strenge Anforderungen zu stellen; ein gewisser Grad von Wahrscheinlichkeit genügt nicht. Der Antragsteller hat alle entgegenstehenden Möglichkeiten auszuräumen, die der begehrten Eintragung entgegen stehen (BayObLGZ 1971, 336/339; 1986, 317/320; vgl. Demharter, GBO, 27. Aufl., § 22 Rz. 37 m.w.N.). Der Nachweis hat grundsätzlich in der Form des § 29 GBO, z.B. in Form einer Personenstandsurkunde, zu erfolgen (vgl. Demharter Rz. 42; Meikel/Böttcher GBO 10. Aufl., §§ 23, 24 Rz. 67).
2. Dieser Nachweis ist nicht geführt. Er wäre nur dann nicht notwendig, wenn die Tatsachen, aus denen sich die Unrichtigkeit des Grundbuches ergibt, beim Grundbuchamt offenkundig wären (§ 29 Abs. 1 Satz 2 GBO). Das ist nicht der Fall:
a) Das Recht ist befristet und bedingt (§ 158 Abs. 2, § 163 BGB) bestellt. Es ist seinem eindeutigen Wortlaut nach nicht etwa für einen Zeitraum von 30 Jahren ab einem bestimmten Anfangsdatum, das dem Geburtstag der Berechtigten entspricht, bestellt. Es wurde gerade kein festes Datum für das Erlöschen bestimmt, sondern das Recht soll - wenn die Berechtigte nicht vorher heiratet - mit der Vollendung des 30. Lebensjahres erlöschen. Diese Voraussetzung muss (vgl. Meikel/Böttcher, a.a.O.) in der Form des § 29 GBO, also etwa durch Vorlage der Geburtsurkunde, nachgewiesen werden. Wenn das Recht nicht mit dem Inhalt bestellt wurde, dass es 30 Jahre, von einem bestimmten, feststehenden Zeitpunkt an berechnet, erlischt, wird auch die Richtigkeit des sich so ergebenden Enddatums nicht vermutet. Aus dem im Grundbuch verlautbarten Geburtsdatum der Berechtigten (§ 15 Abs. 1 Buchst. a GBV) ergibt sich zwar der Zeitpunkt des Erlöschens. Es gehört aber nicht zu den Aufgaben des Grundbuchs, über den Eintritt oder den Ausfall von Bedingungen und den Ablauf von Fristen Auskunft zu geben (vgl. z.B. Staudinger/Gursky BGB - Neubearb. 2008 -§ 892 Rz. 41). Jener Zusatz hat vielmehr nur den Zweck, die Person des Berechtigten eindeutig und in Abgrenzung zu Personen gleichen Namens zu identifizieren. Dafür ist der Berechtigte so zu bezeichnen, dass - soweit möglich - jeder Zweifel über seine Person und jede Verwechselung ausgeschlossen ist (BayObLGZ 1981, 391/394).
b) Ebenso wenig kann die Angabe des Geburtsdatums im Übergabevertrag vom 26.10.1995 den Nachweis, dass die Berechtigte tatsächlich an diesem Tag geboren ist, erbringen, wobei offen bleiben kann, ob dies anders zu beurteilen wäre, wenn die Berechtigte, etwa als Vertragspartei, bei der Erstellung der Urkunde selbst mitgewirkt hätte. Beurkundet wurde ein Rechtsgeschäft. Bei dieser Gelegenheit wurde eine Tatsache erklärt. Unabhängig davon, von wem diese eingeführt wurde, kann damit nur die Abgabe der Erklärung bewiesen werden, nicht aber deren Richtigkeit (§ 415 ZPO). Den Vertragsparteien mag das Geburtsdatum der Berechtigten - ihrer Tochter bzw. Schwester - bekannt gewesen sein. Da aber auch ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit nicht ausreicht (vgl. Demharter § 22 Rz. 37) und ein Versehen nie ausgeschlossen werden kann, gelten die grundbuchrechtlichen Nachweisregeln hier unbeschränkt. In der Grundbuchordnung sind zwar Fälle geregelt, in denen Urkunden und Eintragungen für den Grundbuchverkehr eine ihnen im Allgemeinen nicht zukommende Beweiskraft beigelegt ist (vgl. §§ 32-37 GBO). Ein solcher Fall liegt aber nicht vor.
III. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Bei der Festsetzung des Beschwerdewerts (§ 131 Abs. 4, § 30 Abs. 2 KostO) ist der - verhältnismäßig geringe - Aufwand zur Behebung des Hindernisses ebenso wie die Bedeutung der Angelegenheit für die Beteiligt...