Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufung, Versicherungsschutz, Unfall, Wirksamkeit, Klausel, Straftat, Widerklage, Unfallversicherungsvertrag, Tatbegehung, Einstandspflicht, Strafbarkeit, Rechtsverletzung, Anforderungen, Erlaubnis, Mitversicherte Person
Leitsatz (amtlich)
1. Ziff. 5.1.2 AUB 2014 ist wirksam.
2. Ein Strafantrag nach §§ 77 ff. StGB ist keine Voraussetzung für den Ausschluss nach Ziff. 5.1.2 AUB 2014.
3. Auch bei einem vermeidbaren Verbotsirrtum greift der Ausschluss nach Ziff. 5.1.2 AUB 2014.
4. Der erforderliche adäquate Kausalzusammenhang zwischen Straftat und Unfall ist grds. schon dann gegeben, wenn durch die Ausführung der Tat eine erhöhte Gefahrenlage geschaffen worden ist, die generell geeignet ist, Unfälle der eingetretenen Art herbeizuführen. Er fehlt lediglich, wenn der Zusammenhang zwischen der Straftat und dem Unfall rein zufällig ist und der dem Delikt eigentümliche Gefahrenbereich für den Schaden nicht ursächlich gewesen sein kann.
Verfahrensgang
LG Traunstein (Beschluss vom 25.01.2022; Aktenzeichen 1 O 1609/21) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 25.1.2022, Az. 1 O 1609/21, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
Sowohl die vom Kläger geltend gemachten Zahlungs- und Feststellungsbegehren als auch seine Verteidigung gegen die Widerklage hängen davon ab, ob ihm aufgrund des Unfalls, den sein Sohn als mitversicherte Person am 21.4.2018 erlitten hat, Leistungsansprüche gemäß § 1 S. 1, § 178 Abs. 1 VVG aus dem mit dem Beklagten abgeschlossenen Unfallversicherungsvertrag zustehen. Diese Frage hat das Landgericht zutreffend verneint. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO), noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
I. Im Mittelpunkt des Streits steht die Frage, ob sich der Beklagte im vorliegenden Fall auf Ziffer 5.1.2 der AVB berufen kann, wonach "Kein Versicherungsschutz besteht für [...] Unfälle, die der versicherten Person dadurch zustoßen, dass sie vorsätzlich eine Straftat ausführt oder versucht".
1. Entgegen dem Berufungsvorbringen hat der Senat keinerlei Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser deckungsausschließenden Abrede. Insbesondere genügt Ziffer 5.1.2 ohne Weiteres den AGB-rechtlichen Anforderungen, die nach ständiger Rechtsprechung an derartige Klauseln in Versicherungsverträgen zu stellen sind (beachte die übereinstimmenden Nachweise bei Dörner in Münchener Kommentar zum VVG, 2. Aufl. 2017, § 178 VVG Rn. 134; Jacob in BeckOK VVG, Stand: 15.2.2022, § 178 VVG Rn. 149).
a) Die seit Jahrzehnten gebräuchliche Klausel ist weder überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB noch intransparent im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Für einen durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmer erschließt sich bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs (beachte zu diesem Maßstab nur BGH, VersR 2020, 154) ohne Weiteres der Bedeutungsgehalt der Klausel.
Bei der Klauselauslegung müssen nach ständiger Rechtsprechung solche Verständnismöglichkeiten außer Betracht bleiben, die zwar theoretisch denkbar, aber praktisch fernliegend sind und nicht ernstlich in Betracht kommen (vgl. hierzu etwa die ausführlichen Nachweise bei Lindacher/Hau in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 7. Aufl. 2020, § 305c BGB Rz. 129). Darauf liefe es indes hinaus, wollte man mit der Berufungsbegründung unterstellen, dass die Klausel so zu verstehen sei, dass auch eine in Notwehr oder Nothilfe handelnde versicherte Person keinen Versicherungsschutz genießen würde. Wollte man hingegen, wie von der Berufung suggeriert, verlangen, dass in der Klausel sämtliche denkbaren Konstellationen, in denen trotz Vorliegens des objektiven und subjektiven Tatbestands einer Strafvorschrift unter bestimmten objektiven und subjektiven Umständen keine Strafbarkeit eintritt, zum Ausdruck kommen, so würde dies, falls dies überhaupt möglich ist, eine Textgestaltung erfordern, die schon aufgrund ihres schieren Umfangs keinerlei Aussicht auf Verständlichkeit mehr hätte.
b) Ebenso wenig bestehen gegen Ziffer 5.1.2 irgendwelche durchgreifenden Bedenken unter dem Gesichtspunkt der AGBrechtlichen Inhaltskontrolle anhand von § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB. Insbesondere verfolgt die Klausel einen ebenso legitimen wie einleuchtenden Zweck: Geregelt wird der typisierte Fall einer Gefahrerhöhung, die vor allem in der möglichen Unfähi...