Entscheidungsstichwort (Thema)

Leistungsausschlüsse in der Unfallversicherung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Leistungsausschluss in der Unfallversicherung wegen einer vorsätzlichen Straftat setzt voraus, dass nicht nur das äußere Geschehen der Straftat, sondern auch der strafrechtliche Vorsatz des Versicherungsnehmers nachgewiesen ist. Bleibt unklar, warum der Versicherungsnehmer nachts in ein fremdes Gebäude eingedrungen ist, hängt es von den Umständen des Einzelfalles ab, ob ein Vorsatz hinsichtlich eines versuchten Einbruchsdiebstahls oder hinsichtlich eines Hausfriedensbruchs festgestellt werden kann.

2. Bei einem nächtlichen Treppensturz in alkoholisiertem Zustand kommt ein Leistungsausschluss gemäß Ziff. 5.1.1 AUB 2010 (Unfall durch alkoholbedingte Bewusstseinsstörung) in Betracht. Eine Blutalkoholkonzentration von 1,0 Promille reicht nicht ohne weiteres für eine Schlussfolgerung aus, dass die Alkoholisierung für den Unfall ursächlich war. (Hier: Sturz auf einer dem Versicherungsnehmer unbekannten Kellertreppe bei völliger Dunkelheit.)

 

Normenkette

AUB 2010 Ziff. 5.1.1; AUB 2010 Ziff. 5.1.2

 

Verfahrensgang

LG Offenburg (Urteil vom 17.07.2014; Aktenzeichen 3 O 94/13)

 

Tenor

Der Senat erwägt eine Zurückweisung der Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Konstanz vom 17.07.2014. Die Parteien erhalten vor einer Entscheidung Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen.

 

Gründe

I. Der Kläger hat bei der Beklagten eine Invaliditäts-Zusatzversorgung für die Zeit ab dem 01.11.2001 abgeschlossen (vgl. den Versicherungsschein, Anlage K1 nebst den Allgemeinen Bedingungen der A. Gesellschaften für die Unfallrente - im Folgenden abgekürzt: AUB -, Anlage K 2). Nach den vertraglichen Vereinbarungen sollte der Kläger bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 50 % eine lebenslange Rente von monatlich 500,00 EUR erhalten. Nach einem Unfall vom 04.03.2011 verlangt der Kläger die Zahlung dieser Rente ab März 2011.

Am Abend des 03.03.2011 hielt sich der in G. lebende Kläger in der dortigen K.halle bei einer Faschingsveranstaltung des Turnvereins auf. Er nahm im Laufe des Abends alkoholische Getränke in unbekannter Menge zu sich. Im Laufe der Nacht verließ der Kläger die Veranstaltung; der genaue Zeitpunkt ist unbekannt.

Am Morgen des 04.03.2011 stellte der Inhaber eines in der Nähe befindlichen BMW-Autohauses, P. S., fest, dass die Scheibe eines Rolltores an der Seite des Firmengebäudes eingeschlagen war. Er untersuchte daraufhin die Räumlichkeiten des Gebäudes auf weitere Einbruchspuren und -folgen. Nach dem Öffnen einer Kellertür stellte P. S. fest, dass am unteren Ende der Kellertreppe der Kläger lag. Dieser war die Kellertreppe hinuntergestürzt und hatte schwerste Kopfverletzungen erlitten. Nachträgliche Ermittlungen ergaben, dass der Sturz des Klägers zwischen 00:30 und 07:30 Uhr erfolgt sein musste. Während der Nacht war der Strom im Autohaus abgeschaltet, so dass es im Bereich des Zugangs zum Keller und im Bereich der Kellertreppe dunkel war. Eine um 10:34 Uhr im Krankenhaus beim Kläger entnommene Blutprobe ergab zu diesem Zeitpunkt einen Ethanolgehalt des Blutes von 0,66 Promille. Daraus ergab sich nach einem im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren eingeholten rechtsmedizinischen Gutachten - im Zivilprozess unstreitig - ein Blutalkoholgehalt des Klägers zum Zeitpunkt seines Treppensturzes (zwischen 00:30 und 07:30 Uhr) von mindestens 1,0 Promille und höchstens 2,9 Promille. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei auf Grund der bestehenden Unfallversicherung verpflichtet, eine lebenslängliche Rente von 500,00 EUR/Monat zu zahlen. Nach dem Unfall habe sich eine dauerhafte Invalidität von mehr als 50 % ergeben.

Die Beklagte hat geltend gemacht, ein Versicherungsschutz sei für den streitgegenständlichen Unfall ausgeschlossen. Sie hat sich zum einen auf Ziff. 5.1.2 der AUB berufen. Der Unfall sei dem Kläger dadurch zugestoßen, dass er vorsätzlich eine Straftat ausgeführt habe (versuchter Einbruchsdiebstahl im Autohaus des P. S.). Zum anderen sei der Treppensturz nur durch die Alkoholisierung des Klägers erklärbar. Die Beklagte könne sich daher auch auf die Ausschlussklausel gemäß Ziff. 5.1.1 der AUB berufen (Unfall durch Geistes- oder Bewusstseinsstörungen).

Das LG hat die Beklagte antragsgemäß wie folgt verurteilt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20.500,00 EUR zu bezahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 500,00 EUR seit dem 01.03.2011, aus weiteren 500,00 EUR seit dem 01.04.2011, aus weiteren 500,00 EUR seit dem 01.05.2011, aus weiteren 500,00 EUR seit dem 01.06.2011, aus weiteren 500,00 EUR seit dem 01.07.2011, aus weiteren 500,00 EUR seit dem 01.08.2011, aus weiteren 500,00 EUR seit dem 01.09.2011, aus weiteren 500,00 EUR seit dem 01.10.2011, aus weiteren 500,00 EUR seit dem 01.11.2011, aus weiteren 500,00 EUR seit dem 01.12.2011, aus weiteren 500,00 EUR seit dem 01.01.2012, aus weiteren 500,00 EUR seit dem 01.02.2012, aus weiteren 500,00 EUR seit dem ...

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