Leitsatz (amtlich)

Eine alkoholbedingte Bewusstseinsstörung, die zum Verlust von Leistungsaussprüchen aus einem Unfallversicherungsvertrag führt, liegt auch dann vor, wen eine Blutalkoholkonzentration gesichert ist, die nur geringfügig unter dem Wert von 1,1 Promille liegt und der Unfall auf einem alkoholtypischen Fahrfehler (hier: Abkommen von der Fahrbahn in einer übersichtlichen Rechtskurve bei trockener Fahrbahn) beruht.

 

Verfahrensgang

LG Dresden (Aktenzeichen 8 O 3020/20)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Der Termin zur mündlichen Verhandlung am 08.02.2022 wird aufgehoben.

4. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Verfahren auf 865.546,00 EUR festzusetzen.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Frage der Leistungspflicht der Beklagten aus einer Unfallversicherung.

Der Kläger hielt bei der Beklagten eine Vermögenssicherungspolice mit Vertragsbeginn zum 19.09.20216 (Vers.-Nr. 000-PK-000.000.000.000) in die ein Unfallversicherungsvertrag eingeschlossen war. Dem Vertrag lagen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Unfallversicherung (AUB 2016) in der Fassung von Januar 2017 zugrunde.

In Ziff. 5 der AUB 2016 heißt es:

"5.1 Ausgeschlossene Unfälle

Kein Versicherungsschutz besteht für folgende Unfälle:

5.1.1 Unfälle der versicherten Person durch Bewusstseinsstörungen...

Eine Bewusstseinsstörung liegt vor, wenn die versicherte Person in ihrer Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit so beeinträchtigt ist, dass sie den Anforderungen der konkreten Gefahrenlage nicht mehr gewachsen ist.

Ursachen für die Bewusstseinsstörung können sein:

...

- Alkoholkonsum,

...

Beispiele: Die versicherte Person

...

- kommt unter Alkoholeinfluss mit dem Fahrzeug von der Straße ab. ..."

Der Kläger erlitt am 4.8.2017 mit seinem Kraftrad xxx xxx mit dem amtlichen Kennzeichen xx-xxx einen Verkehrsunfall, bei dem er schwer verletzt wurde. Er befuhr mit seinem Kraftrad zu einem unbekannten Zeitpunkt zwischen 00.30 Uhr und 4:30 Uhr die B... von H... kommend in Richtung L..., als er in einer leichten Rechtskurve nach links von der Fahrbahn abkam und sich auf dem angrenzenden Feld überschlug. Nachdem er gegen 4:30 Uhr dort aufgefunden wurde, wurde durch die hinzugezogene Polizei um 5:12 Uhr ein Atemalkoholtest durchgeführt, der einen Wert von 0,53 mg/l (= BAK-Wert 1,06 o/oo) ergab. Eine weitere Blutentnahme zur Vorbereitung einer Operation wurde um 5:44 Uhr im Klinikum Görlitz durchgeführt und ergab eine Blutalkoholkonzentration von 1,04 o/oo.

Die Beklagte lehnte in der vorgerichtlichen Korrespondenz eine Leistungspflicht aus dem Unfallversicherungsvertrag unter Berufung auf den Leistungsausschluss wegen einer alkoholinduzierten Bewusstseinsstörung im Sinne von Nr. 5.1.1 AUB ab. Im Hinblick auf den Leistungsausschluss hat der Kläger eingeräumt, dass "eine Alkoholisierung gewissen Grades" vorgelegen habe, das Vorliegen einer absoluten Fahruntüchtigkeit und einer bedingungsgemäßen Bewusstseinsstörung hat er indessen in Abrede gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung ergänzend Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen nach Beiziehung der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Görlitz, Az 240 Js 30567/17, und der Verwertung des im Ermittlungsverfahren eingeholten rechtsmedizinischen Gutachten des Sachverständigen Dr. E... vom 19.2.2018. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Unfall des Klägers sei durch eine Bewusstseinsstörung herbeigeführt worden, so dass der Versicherungsfall bedingungsgemäß ausgeschlossen sei. Auch wenn vieles dafür spreche, dass der Unfall früher als um 04.30 Uhr am Morgen des 04.08.2017 geschehen sei, so dass von einer höheren Alkoholisierung des Klägers ausgegangen werden müsse, habe die Beklagte nicht nachgewiesen, dass der Kläger zum Unfallzeitpunkt absolut fahruntüchtig gewesen sei. Der Blutalkoholgehalt des Klägers läge aber im Bereich der relativen Fahruntüchtigkeit und ihm sei ein alkoholtypischer Fahrfehler unterlaufen, weshalb im Ergebnis von einem Ausschlusstatbestand auszugehen sei.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung. Zu deren Begründung führt er aus, das Landgericht sei zu Unrecht von hinreichenden Indizien für einen alkoholtypischen Fahrfehler ausgegangen. Dagegen spreche insbesondere, dass der Kläger nicht mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei. Die erkennbare Spurenlage würde nicht ausschließen, dass der Unfall durch verkehrsbedingte Ausweichbewegungen des Klägers verursacht worden sei. Allein das Abkommen von der Fahrbahn würde daher nicht ausreichen, einen alkoholtypischen Fahrfehler anzunehmen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Dresden aufzuheben und

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 865.460,- EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über de...

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