Leitsatz (amtlich)
1. Der Erwerb von Aktien sowie von Beteiligungen an Aktien- und Rentenfonds scheidet nicht von vornherein wegen des allgemeinen Risikos von Kurs- und Wertschwankungen als vormundschaftsgerichtlich genehmigungsfähige "andere Anlage" aus. Zu den bei einer am Einzelfall orientierten Prüfung zu beachtenden Gesichtspunkten (vgl. OLG Frankfurt Rpfleger 2002, 621; OLG Köln FamRZ 2001, 708; OLG Schleswig BtPrax 2000, 87).
2. Hält das Tatsachengericht den Antrag des Betreuers auf Genehmigung einer anderen Anlage für nicht hinreichend bestimmt - etwa wegen einer übermäßigen Zahl benannter Aktiengesellschaften bzw. unklarer Betragsobergrenzen für den Aktienkauf -, ist ihm im Rahmen der Amtsermittlungspflicht zunächst Gelegenheit zu sachgerechter Antragstellung zu geben.
Normenkette
BGB §§ 1807, 1811, 1908i Abs. 1 S. 1; FGG § 12
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 23.03.2009; Aktenzeichen 13 T 5146/09) |
AG München (Beschluss vom 05.03.2009; Aktenzeichen 707 XVII 5723/05) |
Tenor
I. Der Beschluss des LG München I vom 23.3.2009 und der Beschluss des AG München vom 5.3.2009 werden aufgehoben.
II. Die Angelegenheit wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das AG München zurückverwiesen.
Gründe
I. Das AG lehnte mit Beschluss vom 5.3.2009 den Antrag der Betreuerin auf Erteilung der Genehmigung zum Erwerb von Aktien aus einer Auswahl von 22 Unternehmen bis zu einem Betrag von maximal 300.000 EUR ab. Mit ihrer Beschwerde konkretisierte die Betreuerin den Antrag dahin, dass Aktien der benannten Gesellschaften jeweils nur bis zu einem Höchstbetrag von 40.000 EUR erworben werden sollten. Gleichzeitig bat sie um gerichtlichen Hinweis, falls ein anderer Antrag für erforderlich gehalten werde. Gegen den zurückweisenden Beschluss des LG vom 23.3.2009 legte die Betreuerin weitere Beschwerde ein, wobei sie den Antrag auf neun konkret benannte Unternehmen beschränkte und für jedes die Höchstsumme der zu erwerbenden Anteile bezifferte.
II. Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache zumindest vorläufig Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen auf folgende Erwägungen gestützt:
Die vorgesehene Anlage eines Geldbetrags von bis zu 300.000 EUR aus dem Vermögen des Betroffenen in Aktien bedürfe der Gestattung des Vormundschaftsgerichts gem. § 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1811 BGB. Bei der Ausübung des dem Vormundschaftsgericht dabei zustehenden Ermessens seien die Vor- und Nachteile der konkreten Anlage speziell für den Betroffenen im Rahmen einer Gesamtwürdigung abzuwägen. Die Vermögensanlage in Aktien oder Aktienfonds im Rahmen einer längerfristigen Anlegung sei jedenfalls nicht von vornherein auszuschließen.
Jedoch sei nach dem Sinn und Zweck des § 1811 BGB der Schutz des Vermögens der betreuten Person in den Vordergrund zu stellen. Bei der anderweitigen Anlage nach § 1811 BGB handele es sich um eine Ausnahme von dem Grundsatz, eine mündelsichere Anlage nach § 1807 BGB zu wählen. Deswegen komme eine Erlaubnis nur dann in Betracht, wenn die beabsichtigte Anlage im Einzelfall klar erkennbare wirtschaftliche Vorteile biete und gleichermaßen sicher sei. Der Antrag müsse das Vormundschaftsgericht in die Lage versetzen, die gebotene Einzelfallprüfung vorzunehmen und die Vor- und Nachteile der konkreten Anlage speziell für den Betroffenen abzuwägen. Es müsse danach zu der Feststellung gelangen können, dass die beabsichtigte Anlage wirtschaftliche Vorteile gegenüber einer solchen nach § 1807 BGB biete und hinreichend sicher sei. Bei Zweifeln an der Wirtschaftlichkeit oder Sicherheit der beabsichtigten Anlageform könne das Vormundschaftsgericht im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes nicht davon absehen, sich sachverständig beraten zu lassen, indem es etwa eine amtliche Auskunft bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht oder ein Gutachten bei einem Bankenverband einhole.
Dieser Aufwand sei jedoch nur sachgerecht, wenn die beabsichtigte Anlageform hinreichend bestimmt sei. Daran fehle es in dem Antrag vom 26.2.2009. Da eine Auswahl aus den benannten 22 Unternehmen erst nach Erteilung der Genehmigung durch die Betreuerin vorgenommen werden solle, müsse das Vormundschaftsgericht in 10 bis 16 Fällen, die nicht in die Auswahl der Betreuerin kämen, eine überflüssige Einzelfallprüfung vornehmen. Die von der Betreuerin angegebenen Maximalbeträge bezogen auf den Aktienerwerb insgesamt und pro Unternehmen ließen die beabsichtigte Anlageform nicht hinreichend bestimmt erscheinen. Da nicht angegeben werde, von welchen Unternehmen in welchem Umfang tatsächlich Aktien erworben werden sollten, könne nicht beurteilt werden, wie die Werte zueinander und im Verhältnis zu den im Depot vorhandenen Werten stünden. Dieser Umstand müsse jedoch bei der Beurteilung, ob die Anlageform den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung zuwiderlaufe, berücksichtigt werden. Ohne entsprechende Konkretisierung des Antrags lasse sich die erforderliche Einzelfallprüfung nicht durchführen, weswegen der Antrag abzu...