Leitsatz (amtlich)
1. Zur Auslegung eines privatschriftlichen Testaments, das neben der Anordnung eines Vermächtnisses den Satz enthält: "Eine Erbeinsetzung möchte ich heute nicht treffen".
2. Die tatrichterliche Auslegung eines solchen Testaments dahin, dass sich der Testierwille des Erblassers auf die in der letztwilligen Verfügung getroffene Vermächtnisanordnung beschränkt und nicht auch den Widerruf einer früheren Erbeinsetzung umfasst, ist grundsätzlich möglich.
Normenkette
BGB §§ 133, 2084, 2258 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Augsburg (Beschluss vom 22.12.2009; Aktenzeichen 5 T 2789/09) |
AG Augsburg (Aktenzeichen VI 2837/08) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des LG Augsburg vom 22.12.2009 wird zurückgewiesen.
II. Der Beteiligte zu 2 hat der Beteiligten zu 1 die im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Festsetzung des Geschäftswerts bleibt vorbehalten.
Gründe
I. Der Erblasser ist am 11.9.2008 im Alter von 78 Jahren verstorben. Er war in einziger Ehe verheiratet mit L. F.. Die Ehe wurde rechtskräftig geschieden. Aus ihr ist der Beteiligte zu 2 hervorgegangen. Seit 1967 lebte der Erblasser in Lebensgemeinschaft mit der Beteiligten zu 1. Aus dieser Verbindung sind keine Kinder hervorgegangen.
Am 15.7.1975 verfasste der Erblasser folgendes Testament:
"(Ort), den 15.7.1975
Testament
Im Falle meines Todes setze ich (Erblasser) Frau E. (= Beteiligte zu 1) zur Alleinerbin all dessen ein, was ich besitze und sich im Haus (Ort) befindet. Ferner gehört ihr im Falle meines Todes mein ganzes Bargeld und mein Sparvermögen. Dies ist deshalb mein letzter Wille, weil Frau E. (= Beteiligte zu 1) die einzige Frau ist die mir jemals Gutes getan hat. Für meine geschiedene Frau L. F. (Ort) bzw. meinen Sohn P. F. (= Beteiligter zu 2) habe ich eine Lebensversicherung abgeschlossen, ferner einen Bausparvertrag. Die Policen befinden sich im Haus (Ort).
Dies ist das einzige von mir bei vollem Bewusstsein verfasste Testament.
(Ort), 15.7.1975 (Unterschrift)."
Am 14.10.1984 verfasste der Erblasser ein weiteres Testament:
"(Ort), den 14.10.1984
Testament
1. Ich (Erblasser) setze hiermit Frau E. (= Beteiligte zu 1) zu meinem Alleinerben ein.
2. Zum Ersatzerben bestimme ich den Neffen von Frau E. (= Beteiligte zu 1), Herrn A. N. (Ort).
(Unterschrift)."
Die Beteiligte zu 1 hat am 16.3.1979 ebenfalls ein eigenhändiges Testament errichtet, in dem sie den Erblasser zu ihrem Alleinerben im Falle ihres Todes eingesetzt hatte. Der Erblasser und die Beteiligte zu 1 erwarben 1984 jeweils einen Hälfteanteil an einer Eigentumswohnung in der O.-Straße in A.; den Anteil des Erblassers an der Wohnung kaufte die Beteiligte zu 1 im Dezember 2005. Des Weiteren kauften der Erblasser und die Beteiligte zu 1 im Jahre 1995 eine Eigentumswohnung in E.. Der Proto-kollierungstermin fand bei Notar E. in A. am 28.8.1995 statt.
Am 11.9.1995 errichtete der Erblasser zwei Testamente:
"Testament
Eine Erbeinsetzung möchte ich heute nicht treffen. Vermächtnisweise erhält F. E. (= Beteiligte zu 1), meine Lebensgefährtin, meinen Anteil an der Eigentumswohnung mit Tiefgaragenstellplatz in E. (Ort)
(Ort) 11.9.1995
(Unterschrift)"
"Testament
Eine Erbeinsetzung möchte ich heute nicht treffen. Vermächtnisweise erhält F. E. (= Beteiligte zu 1), meine Lebensgefährtin, meinen Anteil an der Eigentumswohnung in A. (Ort).
(Ort) 11.9.1995 (Unterschrift)."
Die Beteiligte zu 1 beruft sich auf das Testament vom 14.10.1984 und beantragte die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin des Erblassers ausweist. Der Beteiligte zu 2 ist dem entgegen getreten. Er ist der Auffassung, dass der erste Satz in dem Testament vom 11.9.1995 nur dahingehend ausgelegt werden könne, dass sich der Erblasser zum Zeitpunkt der Errichtung dieser Testamente nicht schlüssig gewesen sei, wen er als Erben einsetzen wolle, oder ob er - wie geschehen - keine Verfügung mehr treffen und damit gewollt habe, dass sein Sohn gesetzlicher Erbe würde und selbst, wenn er den Gedanken, die Beteiligte zu 1 als Erbin noch einzusetzen, noch nicht ganz aufgegeben habe, auf jeden Fall frei sein wollte, dies noch zu entscheiden. Bei Abfassung dieser Testamente habe der Erblasser jedenfalls nicht gewollt, dass die Beteiligte zu 1 Erbin werden sollte und habe dies zum Ausdruck gebracht, was gleichzeitig die Aufhebung des früheren Testaments beinhalte.
Dem gegenüber gab die Beteiligte zu 1 an, dass die frühere Erbeinsetzung durch die Testamente vom 11.9.1995 nicht aufgehoben werden sollte. Im Laufe des Notartermins hätten der Erblasser und die Beteiligte zu 1 nachgefragt, wie man verhindern könne, dass der Beteiligte zu 2 letztlich im Falle des Todes des Erblassers an dem Wert der Wohnungen Teil haben könne. Die Beteiligte zu 1 habe eine Aussage des Notars notiert und der Erblasser habe sodann zu Hause die nachfolgenden Testamente errichtet. Die frühere Erbeinsetzung sollte durch die Testamente vom 11.9.1995 nicht aufgehoben werden. Bei dem Notartermin hätte...