Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen eines Amtswiderspruchs gegen eine Zwangshypothek; Beweiskraft einer Zustellungsurkunde
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen eines Amtswiderspruchs gegen eine Zwangshypothek und zur Beweiskraft einer Zustellungsurkunde.
2. Zustellungsurkunden erbringen als öffentliche Urkunden im Sinne von § 182 Abs. 1, § 418 ZPO bis zum Beweis des Gegenteils den vollen Nachweis für die in ihnen bezeugten Tatsachen, mithin für die im Gerichtsvollzieherauftrag durch einen Postbediensteten vorgenommenen Zustellungen durch Einlegen in einen zur Wohnung der Zustelladressatin gehörenden Briefkasten oder sonstige Vorrichtung gemäß § 750 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 ZPO.
Normenkette
GBO §§ 22, 53 Abs. 1; ZPO § 418 Abs. 2, § 750 Abs. 1
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts München - Grundbuchamt - vom 19. Mai 2017 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Beteiligte zu 1 ist im Grundbuch als Eigentümerin von Grundbesitz eingetragen. Am 23.12.2016 beantragten die anwaltlich vertretenen Beteiligten zu 2 und 3 die Eintragung unter sich gleichrangiger Zwangshypotheken über jeweils 25.000 EUR zu ihren Gunsten. Sie übergaben vollstreckbare Ausfertigungen der notariellen Urkunde vom 5.7.2012 samt Nachtrag vom 16.8.2012 über die Abtretung eines GmbH-Geschäftsanteils und die laut Nachtragsurkunde mit 50.000 EUR bezifferte und von der Beteiligten zu 1 nach Ablauf einer dreimonatigen Stundungsfrist je hälftig an die Beteiligten zu 2 und 3 zu leistende Kaufpreisrestschuld. Zu den laut notarieller Vollstreckungsklausel vom 22.8.2016 bzw. 27.10.2016 zu Gunsten des Beteiligten zu 2 bzw. zu 3 jeweils wegen eines Teilbetrags von 25.000,00 EUR erteilten Ausfertigungen wurden die Postübergabeurkunden des Gerichtsvollziehers, verbunden jeweils mit einer Postzustellungsurkunde, vorgelegt. Danach wurde eine beglaubigte Abschrift der jeweiligen Urkunde am 14.11.2016 der Postanstalt zum Zweck der Zustellung übergeben und am 16.11.2016 unter der im Adressfeld angegebenen Anschrift in U. in den "zur Wohnung gehörenden Briefkasten oder in eine ähnliche Vorrichtung eingelegt", weil "die Übergabe des Schriftstücks in der Wohnung/in dem Geschäftsraum nicht möglich war".
Das Grundbuchamt nahm die Eintragungen am 30.12.2016 vor (Abt. II/7 und II/8).
Mit Schreiben vom 5.5.2017 legte die Beteiligte zu 1 unter Angabe einer Adresse in München gegen die Eintragungen "Rechtsmittel (Widerspruch)" ein mit dem Antrag, die Zwangshypotheken zu löschen. Zur Begründung führte sie aus, ihr seien die Urkunden nicht ordnungsgemäß an ihrer Meldeadresse zugestellt worden. Vom Inhalt habe sie keine Kenntnis, nachdem ihr an der Zustelladresse wohnhafter Vater die Urkunden an die Gerichtsvollzieherin zurückgesandt habe.
Diese Eingabe hat das Grundbuchamt als Antrag auf Löschung behandelt, den es mit Beschluss vom 19.5.2017 zurückgewiesen hat mit der Begründung, die Zustellung sei durch die Zustellungsurkunden nachgewiesen.
Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1 mit der Beschwerde, mit der sie den Löschungsantrag wiederholt. Aus dem Adressfeld der Zustellungsurkunden ergebe sich, dass die Zustellung nicht an ihrer Melde- und Wohnadresse erfolgt sei. Hierdurch habe sie Rechtsnachteile erlitten. Außerdem würden die für die Gläubiger eingetragenen Ansprüche nicht den laut Urkunde vollstreckbaren Ansprüchen entsprechen.
Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen.
Vor dem Beschwerdesenat hat die Beteiligte zu 1 auf die gerichtlich erteilten Hinweise am Rechtsmittel festgehalten und geltend gemacht, dass das Grundbuch durch die Eintragungen unrichtig geworden sei. Das Grundbuchamt habe auch gesetzliche Vorschriften verletzt, denn die zutreffende Wohnadresse ergebe sich aus der notariellen (Nachtrags-)Urkunde. Dass in der Haupturkunde eine abweichende Postanschrift angegeben sei, sei in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Mangels Zustellung hätten die Voraussetzungen für den Beginn der Zwangsvollstreckung nicht vorgelegen.
II. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Gegen die Eintragung einer Zwangshypothek kann sich der betroffene Eigentümer in zweierlei Weise zur Wehr setzen: Er kann unmittelbar gegen die Eintragung nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 2 i. V. m. § 53 Abs. 1 GBO vorgehen mit dem Ziel, einen Widerspruch eintragen oder aber die Eintragung wegen inhaltlicher Unzulässigkeit löschen zu lassen (Demharter GBO 30. Aufl. § 71 Rn. 49 und 51); er kann aber auch gegen die eingetragene Hypothek mit einem Antrag auf Löschung wegen Unrichtigkeit (§ 22 GBO) vorgehen. Wird dieser Antrag abgewiesen, kann ein hiergegen gerichtetes Rechtsmittel bei behaupteter anfänglicher Unrichtigkeit allerdings nach herrschender Ansicht ebenfalls nur zur Eintragung eines Amtswiderspruchs oder zur Löschung wegen inhaltlicher Unzulässigkeit führen (vgl. § 53 Abs. 1 GBO; Senat vom 2.2.2016, 34 Wx 20/16, juris; OLG Hamm FGPrax 2012, 54; kritisch Hügel/Kramer GBO 3. Aufl. § 71 Rn. 150 f.).
Das Grundbuchamt hat die Eingabe der Beteiligten zu 1 in vertretba...