Entscheidungsstichwort (Thema)
Kosten- und Auslagenentscheidung im Strafverfahren nach dem Tod des Angeklagten: Antrags- und Beschwerderecht des Verteidigers. Beschwer der Erben des verstorbenen Angeklagten durch Ablehnung einer Erstattungspflicht der Staatskasse hinsichtlich notwendiger Auslagen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Verteidigervollmacht endet mit dem Tod des Angeklagten.
2. Stirbt der Angeklagte vor rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens, so hat der ehemalige Verteidiger weder aufgrund fortwirkender Vollmacht, noch aufgrund neu erteilter Vollmacht der Erben ein Antrags- oder Beschwerderecht zu eventuell noch ergehenden Kosten- und Auslagenentscheidungen.
3. Durch die Ablehnung einer Erstattungspflicht der Staatskasse hinsichtlich der notwendigen Auslagen des Angeklagten, der vor rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens verstorben ist, sind dessen Erben nicht beschwert.
Normenkette
StPO §§ 137, 467 Abs. 3, § 464 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Deggendorf (Beschluss vom 10.06.2002; Aktenzeichen 1 Ns 3 Js 5812/01) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des früheren Angeklagten wie auch seiner Witwe gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung gemäß Ziffer 2 des Beschlusses der 1. Strafkammer des Landgerichts Deggendorf vom 10.06.2002 – 1 Ns 3 Js 5812/01 – wird als unzulässig verworfen.
Tatbestand
I.
Mit Urteil vom 27.11.2001 verurteilte das Amtsgericht Deggendorf den damaligen Angeklagten … wegen versuchter Nötigung unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einem früheren Urteil desselben Gerichts vom 08.06.2000 zu einer Gesamtgeldstrafe. Hierbei wurde der damalige Angeklagte von Rechtsanwalt … als Verteidiger aufgrund einer formularmäßigen „Prozessvollmacht für Zivil- und Strafprozess” vom 20.04.2001 vertreten. Das ansonsten vorgedruckte Formular der Prozessvollmacht enthielt lediglich im Betreff den maschinenschriftlichen Eintrag „Strafsache gegen …” wegen „Hausfriedensbruch u.a.”. Eine ausdrückliche Fortwirkung über den Tod des Angeklagten hinaus enthielt die Vollmacht nicht.
Nach zulässiger Berufungseinlegung durch den Verteidiger setzte das Landgericht in der Berufungsverhandlung vom 07.02.2002 das Verfahren aus, um zur Überprüfung der Glaubwürdigkeit des Belastungszeugen weitere Zeugen ermitteln und vernehmen zu lassen. Noch ehe dies geschehen und im Rahmen einer neuen Hauptverhandlung das Berufungsverfahren durch Urteil abgeschlossen werden konnte, verstarb der damalige Anklagte … am … Rechtsanwalt … beantragte hierauf mit Schriftsatz vom 06.06.2002 das Verfahren im Hinblick auf den Tod des Angeklagten nach § 206 a StPO einzustellen sowie die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen.
Mit Beschluss vom 10.06.2002 stellte das Landgericht das Verfahren unter Auferlegung der Verfahrenskosten auf die Staatskasse ein, sah aber nach § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO unter Hinweis auf die erstinstanzielle Verurteilung und die zwischenzeitlich von der Staatsanwaltschaft beantragte Sachbehandlung nach § 154 Abs. 2 StPO von der Auferlegung der notwendigen Auslagen des Angeklagten auf die Staatskasse ab. Gegen diesen ihm am 11.06.2002 zugestellten Beschluss legte der Rechtsanwalt mit Schriftsatz vom 18.06.2002, bei Gericht am selben Tage eingegangen, sofortige Beschwerde ein und beschränkte diese ausdrücklich auf die Kosten- und Auslagenentscheidung. Von der Erstattung der notwendigen Auslagen nach § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO hätte nicht abgesehen werden dürfen, weil keine Schuldspruchreife vorgelegen habe. Auf die Frage, in wessen Namen die sofortige Beschwerde eingelegt worden sei, erklärte Rechtsanwalt Kolp sinngemäß, die Witwe des verstorbenen ehemaligen Angeklagten sei als dessen Erbin auf das Geld unbedingt angewiesen. Eine Beschwerdebefugnis müsse auf alle Fälle bestehen, da sonst die Beschwerdemöglichkeit leer laufe.
Entscheidungsgründe
II.
Die sofortige Beschwerde ist mangels Beschwerdebefugnis nicht zulässig. Es kann für das vorliegende Beschwerdeverfahren dahinstehen, ob der ergangene Einstellungsbeschluss nach § 206 a StPO als solcher im Hinblick auf die Rechtsprechung des BGH (BGH St 45, 108 ff einerseits bzw. BGH St 34, 184 ff andererseits) erforderlich war und ob ihm ggf. konstitutive oder lediglich deklaratorische Bedeutung zukommt. Denn die sofortige Beschwerde ist ausdrücklich auf die in Ziffer 2 des Beschlusses enthaltene Kosten- und Auslagenentscheidung beschränkt worden.
Die isolierte sofortige Beschwerde gegen die gleichzeitig ergangene Kosten- und Auslagenentscheidung ist zwar im Falle eines Einstellungsbeschlusses wegen eines dauernden Prozesshindernisses – wie hier – nach § 464 Abs. 3 StPO i.V. mit § 206 a Abs. 2 StPO grundsätzlich statthaft. Im vorliegenden Fall, in dem der Einstellungsbeschluss in Folge des Todes des früheren Angeklagten ergangen ist, fehlt aber die erforderliche Beschwerdebefugnis. Dabei kann dahinstehen, ob die sofortige Beschwerde namens der Ehefrau und Erbin des verstorbenen Angeklagten eingelegt wurde, wofür die nachträgliche Erklärung des auftretenden...