Leitsatz (amtlich)
Kann ein Urteil wahlweise mit Berufung und Revision angefochten werden, so endet die Möglichkeit, ein zunächst ohne nähere Bezeichnung eingelegtes Rechtsmittel als Revision zu bezeichnen, mit Ablauf der Revisionsbegründungsfrist endgültig. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Ausübung des Wahlrechts ist unzulässig (im Anschluss an BayObLGSt 1970, 158).
Tatbestand
Das Amtsgericht verurteilte den Angeklagten am 10. September 2008 wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Mit auf den 10. September 2008 datiertem und am 17. September 2008 eingegangenem SchriftSatz 1egte der Verteidiger des Angeklagten "Rechtsmittel" ein. Eine nähere Bezeichnung des Rechtsmittels erfolgte nicht.
Das vollständige Urteil wurde dem Verteidiger am 26. September 2008 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 11. November 2008 teilte der Verteidiger der Berufungskammer mit, sein Schriftsatz vom 27. Oktober 2008 sei offenbar nicht zu den Akten gelangt, er reiche in der Anlage eine Kopie nach. In dem nachgereichten Schriftsatz war das eingelegte Rechtsmittel als Revision bezeichnet, es waren Revisionsanträge gestellt und begründet.
Auf Nachfrage der Generalstaatsanwaltschaft vermerkte der Richter am Amtsgericht am 18. Dezember 2008, dass nach Rückfrage bei der Geschäftsstelle ein Originalschriftsatz des Verteidigers vom 27. Oktober 2008 nicht vorliege und hierzu keine weiteren Erkenntnisse bestünden. Der Verteidiger legte mit Schriftsatz vom 21. Januar 2009 zur Glaubhaftmachung der Einreichung seines Schriftsatzes bei Gericht einen Auszug aus seinem Postausgangsausbuch vom 27.10.2008 vor, aus dem sich der handschriftliche Eintrag: "22/08 d (GP) AG München" und eine Zeile darunter der Eintrag "22/08 d W." ergibt. Darüber hinaus verwies er auf einen Fristverlängerungsantrag einer Kanzleikollegin in einer Zivilsache an das OLG München vom gleichen Tag, der unter dem Eintrag "883/07-b (GP) OLG München" im Postausgangsbuch steht.
Den anonymisierten Antrag der Kollegin und die daraufhin ergangene Senatsverfügung legte der Verteidiger in Kopie bei. Er trug vor, der Antrag und sein Schreiben vom 27. Oktober 2008 seien in einem Briefumschlag in die Gerichtspost gelangt. Den geschilderten Sachverhalt versicherte er anwaltlich und beantragte vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand "gegen die Fristversäumung".
Entscheidungsgründe
Das Oberlandesgericht München ist für die Entscheidung über das Rechtsmittel des Angeklagten nicht zuständig. Das am 17. September 2008 eingelegte Rechtsmittel ist als Berufung zu behandeln. Hierfür ist das Landgericht M. zuständig.
Das angegriffene Urteil des Amtsgerichts vom 10. September 2008 unterlag grundsätzlich sowohl der Berufung als auch der Sprungrevision ( § 312, § 335 Abs. 1 StPO).
Der Angeklagte war deshalb berechtigt, dieses Urteil zunächst in unbestimmter Form anzufechten. Seinem Wesen nach war dieses unbestimmte - form- und fristgerechte ( § 314 Abs. 1, § 335 Abs. 1, § 341 Abs. 1 StPO) - Rechtsmittel des Angeklagten vom 17. September 2008 jedoch von Anfang an eine Berufung (BGHSt 33, 183/189). Der Angeklagte war allerdings berechtigt, zur Revision überzugehen. Eine solche Rechtsmittelwahl unterliegt aber der Form der Revision, denn sie ist Teil der Rechtsmitteleinlegung (BGHSt 40, 395 /398; BayObLGSt 1983, 93/94), und kann rechtswirksam nur bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist ausgeübt werden (BayObLGSt 1970, 158; Meyer-Goßner StPO 51. Aufl. § 335 Rn. 8). Ist innerhalb der Revisionsbegründungsfrist keine formgerechte Erklärung erfolgt, verbleibt es bei der Berufung. Das Recht des Angeklagten, zwischen den beiden gesetzlich zunächst statthaften Anfechtungsmöglichkeiten zu wählen, geht mit Ablauf der Revisionsbegründungsfrist endgültig unter (BayObLGSt 1970, 158/159).
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit dem Ziel der Revisionswahl ist generell ausgeschlossen, denn das Unterbleiben eines fristgerechten Übergangs zur Revision hat lediglich zu Folge, dass das zunächst unbenannt eingelegte, ohnehin von vornherein als Berufung anzusehende, Rechtsmittel nunmehr endgültig als Berufung feststeht (BayObLG wistra 2001, 279).
Der Rechtsmittelführer hat mit dem Unterlassen eines fristgerechten Rechtsmittelübergangs keine eigenständige, einer selbständigen Frist unterliegende Prozesshandlung versäumt, gegen die allenfalls Wiedereinsetzung gewährt werden könnte. Für eine Wiedereinsetzung besteht auch kein Rechtsschutzbedürfnis, weil dem Angeklagten mit der Berufung (und anschließend eventuell zusätzlich der Revision) das Recht zu einer umfassenden Überprüfung des angefochtenen Urteils verbleibt (BayObLGSt 1970, 158/159).
Der Angeklagte hat innerhalb der in vorliegender Sache mit dem 27. Oktober 2008 abgelaufenen Revisionsbegründungsfrist ( § 345 Abs. 1, § 43 Abs. 2 StPO) nach Aktenlage keine der Form des § 341 Abs. 1 StPO entsprechende Erklärung zur Rechtsmittelwahl abgegeben.
Der Senat ist nicht davon übe...