Leitsatz (amtlich)
Gegen Entscheidungen nach § 769 Abs. 1 ZPO ist eine sofortige Beschwerde nicht statthaft. Vielmehr ist § 707 Abs. 2 S. 2 ZPO analog anzuwenden. Dagegen bestehen auch keine Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Vorbehalts des Gesetzes und der Rechtsmittelklarheit.
Verfahrensgang
LG Kempten (Beschluss vom 18.01.2011; Aktenzeichen 23 O 2605/10) |
Tenor
Der gegen den Beschluss des LG Kempten vom 18.1.2011 als "zulässige[s] Rechtsmittel" eingelegte, als sofortige Beschwerde jedoch unzulässige Rechtsbehelf ist als Antrag auf Abänderung der Entscheidung des Ausgangsgerichts auszulegen, über den das LG Kempten zu entscheiden hat.
Gründe
Als sofortige Beschwerde ist der gegen den Beschluss des LG Kempten vom 18.1.2011 mit Schriftsatz vom 9.2.2011 als "zulässige[s] Rechtsmittel" eingelegte Rechtsbehelf unzulässig. Gegen Entscheidungen nach § 769 Abs. 1 ZPO ist eine sofortige Beschwerde nicht statthaft (grdlgd. BGH NJW 2004, 2224; ebenso BGH NJW-RR 2006, 286 u. BGH InVo 2006, 146). Vielmehr ist § 707 Abs. 2 S. 2 ZPO analog anzuwenden. Denn ebenso wie in jenen Verfahren soll auch hier die Entscheidung in der Hauptsache nicht durch Rechtsmittel gegen die Nebenentscheidung über die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung verzögert werden und kann das mit der Hauptsache befasste erstinstanzliche Gericht nach der gesetzgeberischen Wertung am besten beurteilen, inwieweit eine einstweilige Regelung erforderlich ist (vgl. BGH NJW 2004, 2224 u. BT-Drucks. 10/3054, 14). Auch soll die Entscheidung in der Hauptsache nicht durch eine vorläufige Entscheidung des Beschwerdegerichts beeinflusst werden (BGH NJW 2004, 2224). Diese Überlegungen gelten nicht nur für den Fall, dass das Ausgangsgericht eine einstweilige Anordnung getroffen hat, sondern auch dann, wenn der Rechtsbehelfsführer sich dagegen wehrt, dass eine solche Anordnung versagt wurde (vgl. Hk-ZPO/Kindl, ZPO, 4. Aufl. 2011, § 769 Rz. 7).
Dagegen bestehen auch keine Bedenken unter dem Gesichtspunkt des Vorbehalts des Gesetzes und der Rechtsmittelklarheit (so aber OLG Koblenz, NJOZ 2006, 4372, 4373 u. ähnl. bereits OLG Hamm, NJOZ 2005, 1557, 1560). Denn eine explizite Regelung im Gesetz ist nur deshalb unterblieben, weil die im Wege der Analogiebildung bejahte Unanfechtbarkeit ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung entspricht und der Gesetzgeber deshalb davon ausging und ausgehen durfte, diese sei hinreichend anerkannt (ausf. Nachw. bei BGH NJW 2004, 2224, 2225).
Auch als außerordentliche Beschwerde ist der Rechtsbehelf nicht statthaft. Dies schon deshalb nicht, weil weder geltend gemacht wird, dass die Ausgangsentscheidung ein Verfahrensgrundrecht des Beschwerdeführers verletze, noch, dass diese aus sonstigen Gründen greifbar gesetzwidrig sei. Im Übrigen wäre aber auch dann, wenn ein solcher Fall vorläge, keine Beschwerde statthaft, sondern wäre die angefochtene Entscheidung durch das Gericht, das sie erlassen hat, auf Gegenvorstellung zu korrigieren und käme im Falle einer unterbleibenden Korrektur allein eine Verfassungsbeschwerde zum BVerfG in Betracht (BGHZ 150, 133; BGH NJW 2004, 2224, 2225).
Der als Beschwerde unzulässige Rechtsbehelf kann jedoch als Antrag auf (jederzeit mögliche) Abänderung der Entscheidung des Ausgangsgerichts ausgelegt werden (vgl. allg. Zöller/Herget, ZPO, § 707 Rz. 22; dazu ferner Hk-ZPO/Kindl, ZPO, 4. Aufl. 2011, § 769 Rz. 7). Dies gilt vorliegend umso mehr, als der Rechtsbehelfsführer den Rechtsbehelf im Schriftsatz vom 9.2.2011 nicht als Beschwerde bezeichnet und im Schriftsatz vom 3.3. (S. 14) unmissverständlich deutlich gemacht hat, dass ggf. ein Antrag auf Abänderung der Ausgangsentscheidung beabsichtigt ist. Über diesen Antrag hat das LG Kempten als Ausgangsgericht zu entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 2753239 |
MDR 2011, 1321 |