Entscheidungsstichwort (Thema)

Erstattung bei Anwaltswechsel

 

Leitsatz (amtlich)

Hatte der Parteivertreter der erstattungsberechtigten Partei während des Rechtsstreits seine Zulassung zurückgegeben und musste die Partei deshalb einen neuen Parteivertreter beauftragen, sind die Mehrkosten erstattungsfähig.

Die materiell-rechtliche Frage, ob der erste Prozessbevollmächtigte überhaupt einen Vergütungsanspruch gegen die Partei hat, ist im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich nicht zu prüfen (Aufgabe der früheren Senatsrechtsprechung AnwBl. 02, 117).

 

Normenkette

ZPO § 91 Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

LG München II (Beschluss vom 30.10.2006; Aktenzeichen 5 O 1881/96)

 

Tenor

I. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG München II vom 30.10.2006 wird dahingehend abgeändert, dass vom 21.8.2003-29.1.2006 Zinsen nur aus einem Betrag von 9.532,33 EUR geschuldet sind.

II. Im Übrigen werden die sofortigen Beschwerden zurückgewiesen.

III. Die Klägerin trägt die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.

IV. Der Beschwerdewert beträgt bis zu 1.200 EUR.

 

Gründe

I. Die Klägerin wendet sich dagegen, dass für die I. Instanz Erstattungsansprüche für zwei Rechtsanwälte der Beklagten anerkannt wurden, die Beklagte dagegen, dass die Reisekosten der Klägerin und ihres Prozessbevollmächtigten nicht so abgerechnet wurden, als wären sie gemeinsam in einem Pkw zum Termin gefahren, und weiter dagegen, dass hinsichtlich der ersten Instanz aus einem zu hohen Betrag Zinsen schon ab dem 21.8.2003 zuerkannt wurden.

Die Klägerin verklagte 1996 die Beklagte im Wege einer Stufenklage auf Feststellung, dass sie neben der Beklagten Miterbin zu ½ der am 26.4.1903 verstorbenen Erblasserin ist und auf Auskunftserteilung über den Bestand des Nachlasses und auf Zahlung der Hälfte des Nachlasswertes. Im Mai 1996 bestellte sich für die Beklagte Rechtsanwältin B. Am 23.4.2001 erging ein Teilurteil, mit der eine Miterbenstellung zu ½ festgestellt wurde und eine Verurteilung zur Auskunft erfolgte. Danach erklärte Rechtsanwältin B., dass sie das Mandat niederlege, da sie ihre Kanzleitätigkeit vom 31.7.2001 beende. Von nun an wurde die Beklagte von den Rechtsanwälten B. vertreten. Diese Anwälte vertraten die Beklagte im Berufungsverfahren gegen das Teilurteil in der Leistungsstufe der I. Instanz sowie in dem Berufungsverfahren gegen das Leistungsurteil vom 30.6.2003. Das Verfahren wurde beendet durch Urteil des OLG München vom 4.2.2004.

Das LG hat für die I. Instanz zu Gunsten der Beklagten die Kosten für zwei Prozessbevollmächtigte berücksichtigt.

II. Lediglich hinsichtlich der Zinsen ist die sofortige Beschwerde der Beklagten begründet. Im Übrigen sind die sofortigen Beschwerden unbegründet.

1.a) Zweifache Anwaltsgebühren in der I. Instanz:

In der Rechtsprechung werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Nach der wohl herrschenden Meinung besteht ein Erstattungsanspruch für einen zweiten Prozessbevollmächtigten, wenn der erste Prozessbevollmächtigte seine Zulassung aus achtenswerten Gründen zurückgegeben hat (OLG Frankfurt, RPfleger 1986, 66; OLG Hamburg JurBüro 1993, 351; OLG Hamm NJW-RR 1996, 1343; OLG Koblenz MDR 1991, 1098). Teilweise wird unabhängig davon, ob die Rückgabe der Zulassung aus achtenswerten Gründen erfolgt ist oder nicht, ein Erstattungsanspruch für zwei Prozessbevollmächtigte verneint (Senat AnwBl. 2002, 117 = AGS 2002, 174; OLG Naumburg AGS 06, 45).

Der Senat hält an seiner bisherigen Auffassung nicht fest. Das geschieht im Hinblick darauf, dass zwischenzeitlich der BGH entschieden hat, dass materiell-rechtliche Fragen innerhalb eines Kostenfestsetzungsverfahrens nicht zu berücksichtigen sind und dass dies selbst dann gilt, wenn es um die Frage geht, ob die erstattungsberechtigte Partei ihrem Prozessbevollmächtigten überhaupt eine Vergütung schuldet (BGH, Beschl. v. 22.11.2006 - IV ZB 18/06 = RVGReport 2007, 110). Nach dieser Rechtsprechung hat die erstattungsberechtigte Partei also u.U. auch dann einen Erstattungsanspruch, wenn sie überhaupt keine Kosten gehabt hat. Der Erstattungspflichtige muss sich dann durch eine Vollstreckungsabwehrklage wehren.

Auf den hier zu entscheidenden Fall angewandt bedeutet dies, dass im Rahmen von § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO nicht mehr zu prüfen ist, ob die erstattungsberechtigte Partei beide Prozessbevollmächtigte bezahlen muss, worauf der Senat in seiner früheren Entscheidung abgestellt hatte. Es reicht aus, dass die erstattungsberechtigte Partei zwei Rechtsanwälte beauftragen musste, weil ihr erster Prozessbevollmächtigter die Zulassung zurückgegeben hat. Damit steht zunächst einmal fest, dass es notwendig war, einen neuen Prozessbevollmächtigten zu beauftragen. Die materiell-rechtliche Frage, ob sie etwa unter Heranziehung von § 628 Abs. 1 Satz 2 BGB oder § 326 BGB dem ersten Prozessbevollmächtigten nichts zahlen muss, ist im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu prüfen.

2. Sofortige Beschwerde der Beklagten:

a) Doppelte Fahrtkosten:

Es ist nicht zu beanstanden, dass das LG für die getrennte Fahrt...

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