Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren - vereinfachtes Auslieferungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Bis zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/1919 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über Prozesskostenhilfe für Verdächtige und beschuldigte Personen in Strafverfahren sowie für gesuchte Personen in Verfahren zur Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls (PKH-Richtlinie) ist § 40 IRG richtlinienkonform auszulegen.
2. Aufgrund des Erwägungsgrunds 9 der PKH-Richtlinie ist davon auszugehen, dass ein Verfolgter bis zur Umsetzung der PKH-Richtlinie - jedenfalls im vereinfachten Auslieferungsverfahren gem. § 41 IRG - auf die Beiordnung eines Pflichtbeistands verzichten kann.
Normenkette
EMRK Art. 3; GRCH Art. 4; IRG § 13 Abs. 1, § 14 Abs. 1, §§ 15, 17, 40-41; EURL 1919/2016 Art. 5-6, 9
Gründe
I. Die rumänischen Behörden haben um vorläufige Festnahme des rumänischen Staatsangehörigen A. G. zur Sicherung der Auslieferung zur Strafvollstreckung ersucht.
Es liegt gegen den Verfolgten der im Tenor unter Ziffer 2. aufgeführte Europäische Haftbefehl vor.
Danach wurde der Verfolgte durch Urteil des Amtsgerichts Botosani vom 24.09.2018, rechtskräftig seit 09.10.2018, wegen folgenden Sachverhalts - unter Einbeziehung einer Restfreiheitsstrafe aus dem Urteil vom 07.06.2013, dessen Sachverhalt bislang nicht mitgeteilt wurde - zu einer unbedingten Gesamtstrafe von 9 Monaten 434 Tagen verurteilt, die noch vollständig zu verbüßen ist:
Am 28.06.2016 um 20:50 Uhr wurde der Verfolgte von Polizeibeamten der Polizeidienststelle SPR 1 Botosani bei einer Verkehrskontrolle auf der öffentlichen Landstraße DJ 207 N in B., Gemeinde C., Kreis Botosani, gestellt, als er einen PKW der Marke VW Passat mit amtlichen Kennzeichen ohne Fahrerlaubnis fuhr.
Der Verfolgte wurde am 22.05.2019 bei Bad Feilnbach zur Sicherung der Auslieferung vorläufig festgenommen und befindet sich derzeit in der Justizvollzugsanstalt München.
Zu Protokoll des Ermittlungsrichters des Amtsgerichts Rosenheim hat sich der Verfolgte am 22.05.2019 mit seiner vereinfachten Auslieferung nach Rumänien einverstanden erklärt. Hierbei hat er auf die Beachtung des Spezialitätsgrundsatzes nicht verzichtet.
Der Ermittlungsrichter hat am selben Tag gegen den Verfolgten Festhalteanordnung erlassen.
II. Das Oberlandesgericht München ist gemäß § 13 Abs. 1 IRG sachlich und als Gericht des Ergreifungsorts bzw. des ersten ermittelten Aufenthalts auch örtlich gemäß § 14 Abs. 1 IRG zuständig.
Gegen den Verfolgten war auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft München zur Sicherung und Durchführung der Auslieferung an die rumänischen Behörden zur Strafvollstreckung Auslieferungshaft anzuordnen, §§ 15, 17 IRG.
Dem Auslieferungshaftbefehl war der im Tenor unter Ziffer 2. aufgeführte Europäische Haftbefehl zu Grunde zu legen.
Der Verfolgte hat gegen seine Auslieferung keine Einwendungen erhoben. Gründe, die die Auslieferung von vorneherein als unzulässig erscheinen lassen könnten, liegen nicht vor, § 15 Abs. 2 IRG.
Das dem Verfolgten angelastete Verhalten ist auch nach deutschem Recht mit Strafe bedroht gemäß § 21 des deutschen Straßenverkehrsgesetzes.
Die Auslieferungsfähigkeit folgt aus § 81 Nr. 2 IRG.
Der Zulässigkeit der Auslieferung stehen keine Hindernisse nach §§ 2 ff., 80, 81, 83 IRG entgegen.
Im Europäischen Haftbefehl fehlen die erforderlichen Angaben zu den Straftaten, die dem Urteil vom 07.06.2013, das in die auslieferungsgegenständliche Gesamtstrafe miteinbezogen wurde, zugrunde liegen. Ohne diese Angaben kann nicht beurteilt werden, ob die beiderseitige Strafbarkeit umfassend gewahrt ist.
Die rumänischen Behörden wurden insoweit bereits von der Generalstaatsanwaltschaft München mit Fax-Schreiben vom 24.05.2019 um eine entsprechende Ergänzung gebeten.
Ferner wurden die rumänischen Behörden dabei von der Generalstaatsanwaltschaft München um ergänzende Informationen zu den Haftbedingungen ersucht, unter denen der Verfolgte im Falle seiner Auslieferung in Rumänien inhaftiert sein würde.
Die Generalstaatsanwaltschaft München hat den rumänischen Behörden im Fax-Schreiben vom 24.05.2019 für die Erteilung der angeforderten ergänzenden Informationen eine Frist bis 20.06.2019 gesetzt.
Der Senat legt seiner Entscheidung die Erwartung zu Grunde, dass die Generalstaatsanwaltschaft München die Auslieferung des Verfolgten nur dann bewilligen wird,
- wenn aufgrund der bereits angeforderten ergänzenden Informationen ausreichend sichergestellt ist, dass auch die Straftaten, die der einbezogenen Verurteilung zu Grunde liegen, nach deutschem Recht strafbar sind und
- die Haftbedingungen, die den Verfolgten nach der Auslieferung in Rumänien erwarten, den Europäischen Mindeststandards für die Unterbringung von Gefangenen entsprechen und nicht gegen Art. 3 EMRK bzw. gegen Art. 4 GRCh verstoßen.
Zur Sicherung ist Auslieferung ist Haft erforderlich und zulässig, §§ 15, 17 IRG.
Es besteht die Gefahr, dass sich der Verfolgte dem Auslieferun...