Leitsatz (amtlich)
Auslegungsfähigkeit einer Schiedsklausel, die den Sitz des schiedsrichterlichen Verfahrens festlegt und bestimmt, dass sämtliche Rechtsstreitigkeiten aus einem bestimmten Vertrag durch ein Schiedsgericht "nach der Schiedsordnung der Industrie- und Handelskammer" entschieden werden.
Normenkette
ZPO §§ 1029, 1032 Abs. 2
Tatbestand
Die Antragstellerin und der Antragsgegner schlossen am 9.8./9.9.2005 eine Vertriebs- und Marketing-Vereinbarung, nach der der Antragsgegner auf Provisionsbasis Produkte der Antragstellerin (Sanitärporzellan) vor allem im Vorderen Orient zu bewerben und zu vertreiben hatte. Der schriftliche Vertrag bestimmt in § 15.1 als Gerichtsstand für eventuelle Auseinandersetzungen München und die Geltung deutschen Rechts.
§ 15.2 enthält folgende Schiedsklausel:
Sämtliche Rechtsstreitigkeiten, die sich aus diesem Vertrag oder aus dem Zusammenhang mit diesem ergeben, einschließlich solche über die Gültigkeit des Vertrags und dieser Schiedsklausel, werden unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs durch ein Schiedsgericht nach der Schiedsordnung der Industrie- und Handelskammer entschieden. Sitz des schiedsrichterlichen Verfahrens ist München.
Das Schiedsgericht soll aus einem Schiedsrichter (oder drei Schiedsrichter) bestehen.
Der Antragsgegner berechnete der Antragstellerin Kosten für die Entwicklung von Werbematerial. Offen sind nach seiner Aufstellung noch 5.676,20 EUR.
Mit der ursprünglich zum LG München I erhobenen Klage vom 18.12.2007 beantragte der Antragsgegner, die Antragstellerin zur Zahlung des offenen Betrags zu verurteilen. Die Antragstellerin als dortige Beklagte erhob die Schiedseinrede. Mit Schriftsatz vom 11.7.2008 nahm der Antragsgegner die Klage zurück. Unter dem 31.7.2008 rief der Antragsgegner wegen seiner Ansprüche nunmehr das Schiedsgericht der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern in der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) an. Das Schiedsgericht hat sich noch nicht konstituiert.
Die Antragstellerin hält die Schiedsvereinbarung für unwirksam, jedenfalls für undurchführbar. Sie hat unter dem 14.11.2008 die Feststellung beantragt, dass in Bezug auf die behaupteten Ansprüche der W. D. GmbH i.H.v. 5.676,20 EUR nebst Zinsen das schiedsrichterliche Verfahren unzulässig ist.
Der Antragsgegner hat die Zurückweisung des Antrags begehrt. Die Schiedsklausel sei auslegungsfähig. Die Antragstellerin handle gegen Treu und Glauben, weil sie vor dem LG München I die Einrede des Schiedsgerichtsverfahrens erhoben habe. Im Übrigen komme es auf die materiellen Einwände der Antragstellerin an dieser Stelle nicht an. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb sie sich nunmehr damit beschäftige, ob sich die Schiedsvereinbarung auf Ansprüche der Firma W. D. GmbH beziehe.
Entscheidungsgründe
Der Antrag bleibt erfolglos.
1. Die Zuständigkeit des OLG München ergibt sich aus § 1025 Abs. 1, § 1032 Abs. 2, § 1062 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 5 ZPO i.V.m. § 8 der gerichtlichen Zuständigkeitsverordnung Justiz vom 16.11.2004 (GVBl. S. 471). Denn der Ort des potentiellen schiedsrichterlichen Verfahrens befindet sich in Bayern.
2. Zur Konstituierung des Schiedsgerichts ist es bis zur Antragstellung noch nicht gekommen, weshalb der Antrag statthaft ist. Der Senat prüft im Rahmen dieses Antrags das Bestehen und die Wirksamkeit der Schiedsabrede, ob sie durchführbar ist und der Gegenstand des Schiedsverfahrens der Schiedsabrede unterfällt (OLG München vom 12.2.2008, 34 SchH 006/07, OLGReport 2008, 430; zusammenfassend MünchKomm/Münch ZPO, 3. Aufl., § 1032 Rz. 25; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 29. Aufl., § 1032 Rz. 5).
3. Soweit der Antrag ausdrücklich dahin gehend lautet, die Unzulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens in Bezug auf Ansprüche der W. D. GmbH festzustellen, bezieht er sich nicht auf die gegenständliche Schiedsklage, sondern auf die potentielle Klage einer Partei, die nicht Partnerin der Schiedsabrede ist (GmbH). Es ist weder ersichtlich, dass die Zulässigkeit einer Schiedsklage jener Partei strittig wäre und der gerichtlichen Klärung bedürfte, noch dass eine derartige Schiedsklage der Antragstellerin drohte. Insoweit mangelt es dem Antrag an einem Rechtsschutzbedürfnis.
4. Der Antrag befasst sich jedoch erkennbar mit der Schiedsklage des Antragsgegners, die dieser unter dem 31.7.2008 bei dem (institutionellen) Schiedsgericht erhoben hat (vgl. § 1044 ZPO; § 6 DIS-Schiedsgerichtsordnung). Er ist deshalb dahin auszulegen, dass die Unzulässigkeit des durch diesen Antrag bestimmten schiedsrichterlichen Verfahrens festgestellt werden soll.
a) Gegen die Form der Schiedsvereinbarung (§ 1031 Abs. 1 ZPO, § 14 BGB) und die Schiedsfähigkeit des vom Antragsgegner behaupteten vermögensrechtlichen Anspruchs (§ 1030 Abs. 1 ZPO) bestehen keine Bedenken.
b) Die Schiedsvereinbarung in § 15.2 des Vertrags ist hinreichend bestimmt (§ 1029 Abs. 1 ZPO).
(1) Sachlich bezieht sich die Abrede auf Streitigkeiten aus dem maßgeblichen Vertrag. Die Relativität der Schuldverhältnisse bring...