Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhalt
Verfahrensgang
AG Mühldorf a. Inn (Urteil vom 12.01.1990; Aktenzeichen 2 F 152/89) |
Tenor
1. Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts – Familiengerichts – Mühldorf am Inn vom 12. Januar 1990 (2 F 152/89) wird zurückgewiesen.
2. Die Berufung der Klägerin gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unzulässig verworfen.
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 6.722,46 DM.
Tatbestand
I.
Das Amtsgericht Mühldorf am Inn hat durch Urteil vom 12. Januar 1990 (2 F 152/89) die Klage auf Getrenntlebensunterhalt abgewiesen. Gegen dieses Urteil, das ihr am 5. Februar 1990 zugestellt wurde, hat die Klägerin am 2. März 1990 Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungsfrist lief nach entsprechender Verlängerung am 2. Mai 1990 ab. Mit einem am 4. Mai 1990 eingegangenen Schriftsatz begründete die Prozeßbevollmächtigte der Klägerin die Berufung und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist. Sie habe am 2. Mai 1990 kurz nach 17.00 Uhr und in der Folge bis 22.30 Uhr immer wieder versucht, per Telefax die Berufungsbegründung an das Oberlandesgericht zu übermitteln. Der Anschluß sei aber belegt gewesen bzw. habe bei Freizeichen nicht der Signalton ertönt. Am nächsten Tage habe sich herausgestellt, daß das Telefaxgerät in der für das Oberlandesgericht zuständigen Einlaufstelle am 2. Mai 1990 ab 16.20 Uhr defekt gewesen sei.
Entscheidungsgründe
II.
1. Der zulässige Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht begründet. Einer Partei kann gegen die Versäumung einer Frist nur dann Wiedereinsetzung gewährt werden, wenn sie ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. Hier beruhte jedoch die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf einem Verschulden der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin, das nach § 85 Abs. 2 ZPO einem Verschulden der Klägerin gleichsteht.
Die Prozeßbevollmächtigte der Klägerin war zwar berechtigt, die ihr eingeräumte Frist zur Begründung ihres Rechtsmittels voll auszunützen (BVerfG 69, 381/385). Wenn sie die Frist bis zum letzten Tag ausschöpfte, sind die Anforderungen an ihre Sorgfaltspflicht aber besonders hoch zu bemessen (BGH VersR 1985, 551). Diesen Anforderungen genügte es nicht, wenn sich die Prozeßbevollmächtigte der Klägerin damit begnügte, in der Zeit von 17.00–22.30 Uhr immer wieder die Übermittlung der Berufungsbegründung per Telefax zu versuchen. Bedient sich ein Rechtsanwalt zur Übermittlung eines Rechtsmittels oder dessen Begründung eines technischen Gerätes, wie des Telefaxgerätes, muß er nämlich die Möglichkeit einer Störung des Gerätes entsprechend beachten (BGH NJW 1989, 594/595). Die Prozeßbevollmächtigte der Klägerin mußte daher alsbald prüfen, ob ihr Telefaxgerät defekt war, wie sie das auch nach ihrem Vortrag – allerdings möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt – getan hat und als sich dabei herausstellte, … daß ihr Gerät intakt war, gleichwohl aber eine Verbindung mit dem Telefaxgerät in der Einlaufstelle des Oberlandesgerichts nicht zustande kam, damit rechnen, daß dieses Gerät – wie tatsächlich wegen eines Defekts – nicht funktionsfähig war. Die Klägerin konnte schon im Hinblick darauf, daß die Dienstzeit zu Ende war, … nicht darauf vertrauen, daß ein solcher möglicher Defekt umgehend festgestellt und behoben werden würde. Sie hätte daher bei Anwendung der erforderlichen hohen Sorgfalt bis spätestens 18.00 Uhr erkennen können und müssen, daß eine Begründung der Berufung per Telefax bis zum Ablauf der Frist voraussichtlich nicht mehr möglich sein würde. Dann aber hätte die Prozeßbevollmächtigte die Rechtsmittelbegründung auf andere Weise rechtzeitig innerhalb der Frist einreichen können. Eine Möglichkeit dazu wäre gewesen, die Berufungsbegründung per Telefax einem anderen Rechtsanwalt in München zu übermitteln, damit dieser sie in den Nachtbriefkasten einwarf. Eine andere Möglichkeit zur Fristwahrung war die Übermittlung der Berufungsbegründung durch Blitztelegramm, das in den Nachtbriefkasten des Oberlandesgerichts geworfen wird. Schließlich bestand auch die Möglichkeit, daß die Prozeßbevollmächtigte der Klägerin oder eine von ihr beauftragte Person mit öffentlichem Verkehrsmittel, privatem PKW oder Taxi in das rund 55 km entfernte München reiste, um die Rechtsmittelbegründung in den Nachtbriefkasten einzuwerfen. Bei der Bedeutung, die der Wahrung der Rechtsmittelfrist zukommt und der besonders hohen Sorgfaltspflicht, die sich hier aus der Ausschöpfung dieser Frist bis zum letzten ergibt, waren … auch solche kostenaufwendigen Maßnahmen notwendig und zumutbar.
Das Wiedereinsetzungsgesuch der Klägerin muß daher zurückgewiesen werden.
2. Da die Berufung der Klägerin nicht innerhalb der verlängerten Berufungsfrist begründet worden ist, muß das Rechtsmittel nach § 519 b Abs. 1 Satz...