Leitsatz (amtlich)
Zum Anspruch eines dinglich Berechtigten auf Entfernung von Schriftstücken aus den Grundakten, die ein Dritter außerhalb eines Grundbuchverfahrens hereingegeben hat und die geeignet sind, des Persönlichkeitsrecht des Berechtigten zu beeinträchtigen.
Normenkette
GBO §§ 10, 12; GBV §§ 24, 46
Verfahrensgang
AG Traunstein (Beschluss vom 15.10.2009; Aktenzeichen Bl. 2665) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Beteiligten wird der Beschluss des AG Traun-stein - Grundbuchamt - vom 15.10.2009 aufgehoben.
II. Das AG Traunstein - Grundbuchamt - wird angewiesen, das Schreiben der Baugenossenschaft der Bundespostbeamten vom 29.3.2006 nebst Anlagen aus den Grundakten zu entfernen.
Gründe
I. Der Beteiligte ist als Eigentümer eines Grundstücks im Grundbuch eingetragen. Dem Grundbuchamt ist eine Wohnanschrift in der Stadt M. bekannt, unter der der Beteiligte mit dem Grundbuchamt korrespondiert und postalisch auch erreichbar ist. Im April 2006 ging beim Grundbuchamt das Schreiben einer Baugenossenschaft vom 29.3.2006 nebst Anlagen ein, in dem u.a. unter Bezugnahme auf berufs-, steuer-, straf- und zivilrechtliche Vorgänge mitgeteilt wurde, dass der Beteiligte nicht berechtigt sei, die zur Anschrift gehörige Wohnung zu nutzen oder als Wohnsitz anzugeben. Tatsächlich werde die Wohnung seit mehreren Jahren nicht genutzt, sondern nur als "Scheinadresse" geführt. Das Grundbuchamt werde gebeten, die aus seiner Sicht erforderlichen Maßnahmen zu veranlassen.
Die zuständige Rechtspflegerin vermerkte auf dem Schreiben, dass nichts veranlasst sei. Das Schreiben befindet sich seitdem in den Grundakten.
Unter dem 10.10.2009 hat der Beteiligte, der durch Zufall davon erfahren hatte, beantragt, das Schriftstück aus den Grundakten zu entfernen. Das Grundbuchamt hat ihm am 15.10.2009 mitgeteilt, dass das Schreiben Bestandteil der Grundakte sei und nicht entfernt werden könne. Der Beteiligte hat daraufhin unter dem 24.10.2009 Rechtsbehelf eingelegt und hierzu vorgetragen, dass der private Vorgang keine Bedeutung für Grundbuch und Grundakten hätte und auch nicht notwendiger Bestandteil der Grundakten sei, sondern das Schreiben im Gegenteil einen denunziatorischen, unwahren und verleumderischen Inhalt mit strafbarem Charakter besitze. Jeder, der in Zukunft das Grundbuch einsehen dürfe, könne den Inhalt des Vorgangs zur Kenntnis nehmen. Nach weiterem erfolglosem Schriftwechsel hat das Grundbuchamt auf die Bitte des Beteiligten um formelle Entscheidung mit Beschluss vom 17.11.2009 dem Rechtsmittel nicht abgeholfen. Es hat seine Haltung im Wesentlichen damit begründet, dass ungeachtet der Frage, ob das Schriftstück einen zwingend in der Grundakte zu verbleibenden Eingang darstelle, nur dem Einreicher das Recht zustehe, dessen Herausgabe zu verlangen, nicht aber dem Antragsteller. Da das Schriftstück nicht für ein Verfahren vor dem Grundbuchamt bestimmt gewesen sei, sei auch nicht davon auszugehen, dass es unter unwiderruflichem Verzicht auf Rückgabe eingereicht worden sei.
II. Die Beschwerde ist zulässig.
1. Die Beschwerde findet nach § 71 Abs. 1 GBO gegen Entscheidungen des Grundbuchamtes statt. Die ablehnende Verfügung vom 15.10.2009 ist eine solche Entscheidung. Entscheidung ist jede für die Außenwelt bestimmte, auf einen sachlichen Erfolg gerichtete, die Rechtsverhältnisse der Beteiligten unmittelbar regelnde Maßnahme (vgl. Meikel/Streck GBO 10. Aufl., § 71 Rz. 17; Demharter, GBO, 27. Aufl., § 71 Rz. 11). Der Antrag des Beteiligten, ein Schriftstück aus den Akten zu entfernen, wurde zurückgewiesen. Es liegt also nicht nur ein innerdienstlicher Vorgang vor. Unerheblich ist, ob die Entscheidung in Beschlussform gekleidet ist.
2. Der Antrag des Beteiligten wurde durch das AG gerade in dessen Funktion als Grundbuchamt (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 GBO) zurückgewiesen. Die Behandlung eingereichter Urkunden, z.B. ihre Verwahrung oder Herausgabe (§§ 10, 10a GBO) und die Entscheidung darüber, wie die Grundakten geführt werden und was in diese einzuordnen ist, sind in der Grundbuchordnung und in der Grundbuchverfügung geregelt und dem Grundbuchamt zugewiesen (vgl. Demharter § 71 Rz. 14; Meikel/Streck § 71 Rz. 91; Meikel/Böttcher Vorbem. zu § 24 GBV Rz. 3).
3. Um eine Erinnerung gem. § 12c Abs. 4 Satz 1 GBO gegen eine Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle über einen Antrag auf Rückgabe von Urkunden (§ 12c Abs. 1 Nr. 4 GBO) handelt es sich nicht. Der Beteiligte verlangt nicht eine von ihm eingereichte Urkunde zurück, sondern begehrt die Entfernung eines Schriftstücks aus den Grundakten. Hierin liegt keines der im § 12c Abs. 1 GBO dem Urkundsbeamten übertragenen Geschäfte, weshalb auch zutreffend die Grundbuchrechtspflegerin die angegriffene Verfügung getroffen hat.
4. Der Beteiligte hat ein eigenes rechtliches Interesse; er kann geltend machen, in einem Recht beeinträchtigt zu sein. Zwar besteht die Aufbewahrungspflicht im öffentlichen Interesse. Die Aufbewahrung derjenigen Urkunden, auf die sich eine Eintragung gründet, ist deshalb notwendig,...