Leitsatz (amtlich)

Zur (verweigerten) Grundbucheinsicht für eine Pflichtteilsberechtigte, wenn das Grundstück niemals dem Erblasser gehörte und das Gesuch darauf gestützt wird, aus einem bei den Grundakten befindlichen Kaufvertrag Anhaltspunkte für eine ergänzungspflichtige Schenkung der aufgewandten Gegenleistung für den Grundstückserwerb herleiten zu wollen.

 

Normenkette

GBO § 12 Abs. 1; GBV § 46

 

Verfahrensgang

AG Rosenheim (Beschluss vom 10.01.2011; Aktenzeichen Blatt 988)

 

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des AG - Grundbuchamt - Rosenheim vom 10.1.2011 wird zurückgewiesen.

II. Der Beschwerdewert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligte führt einen Rechtsstreit über Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche gegen die Witwe und Erbin des am 18.7.2005 verstorbenen Theodor O. Unter dem 9.12.2010 hat sie dem Grundbuchamt dargelegt, die Beklagte habe angegeben, dass der Erblasser ein Grundstück verschenkt habe, und beantragt, ihr einen aktuellen unbeglaubigten Grundbuchauszug sowie, unter bestimmten Voraussetzungen, auch das vorangegangene Grundbuchblatt, eine Fotokopie des der Schenkung des Grundstücks zugrunde liegenden Vertrages sowie des Vertrages, mit dem der Erblasser seinerseits das Grundstück erworben hat, zu überlassen.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Beteiligten die Auskunft erteilt, dass das Grundstück zu keiner Zeit dem Erblasser gehört habe, gemäß Überlassungsvertrag vom 10.12.1964 an den Voreigentümer übertragen wurde und der vormalige Eigentümer das Grundstück mit Vertrag vom 16.9.1998 an den jetzigen Eigentümer verkauft habe. Nachdem sich die Beteiligte mit dieser Auskunft nicht zufrieden gegeben hatte, hat der Urkundsbeamte mit Beschluss vom 28.12.2010 die Erteilung weiterer Unterlagen abgelehnt. Über die der Beteiligten erteilten Informationen hinaus sei ein berechtigtes Interesse an der Einsicht des Grundbuchs (§ 12 Abs. 1 GBO) nicht dargetan.

Die Beteiligte hat gegen die Entscheidung Erinnerung eingelegt mit der Begründung, dass zwar möglicherweise die Angaben der Erbin nicht mit dem Grundbuchinhalt übereinstimmten, sich dahinter aber ein anderer Sachverhalt verbergen könne, der gleichwohl eine ergänzungspflichtige Schenkung darstelle. Sie habe außerdem ein berechtigtes Interesse daran, zu erfahren, zu welchem Preis das Anwesen seinerzeit erworben worden sei. Auch hieraus ließen sich möglicherweise Rückschlüsse auf den damaligen Wert des Grundstücks ziehen.

Mit Beschluss vom 10.1.2011 hat die Grundbuchrichterin dahingehend entschieden, dass sie der Erinnerung nicht abhelfe. Es bestehe kein berechtigtes Interesse. Ein anerkennungswürdiges berechtigtes Interesse wirtschaftlicher oder tatsächlicher Natur sei nur dann gegeben, wenn der Antragsteller ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse darlege. Daran fehle es. Denn das Grundstück habe nicht zum Nachlass gehört. Die Einsicht würde den Interessen des eingetragenen Eigentümers und damit seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht Rechnung tragen.

Hiergegen hat die Beteiligte als sofortige Beschwerde bezeichnetes Rechtsmittel eingelegt, die sie folgendermaßen begründet: Sie habe ein berechtigtes Interesse daran, festzustellen, ob das von der Erbin angegebene Grundstück tatsächlich zum Nachlass gehört habe bzw. eine ergänzungspflichtige Schenkung darstelle. Die Erbin habe angegeben, dass das Grundstück vom Erblasser lebzeitig seinem Sohn geschenkt worden sei. Möglicherweise sei dies nicht ganz richtig und der Erblasser habe dem Sohn nur die finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt. Dies aber könne aus dem Kauf- bzw. Überlassungsvertrag hervorgehen, mit dem der jetzige Eigentümer das Grundstück erworben habe.

Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II. Die Beschwerde ist zulässig (§ 71 Abs. 1 GBO; vgl. Meikel/Nowak, GBO, 10. Aufl., § 12c Rz. 21), und zwar unbefristet (Demharter, GBO, 27. Aufl., § 71 Rz. 2). Entgegen der - verfehlten - Tenorierung handelt es bei dem Beschluss der Grundbuchrichterin nicht um eine - nicht isoliert angreifbare - Nichtabhilfeentscheidung, sondern um die nach § 12c Abs. 4 Satz 1 GBO vorgesehene Entscheidung über die vom Urkundsbeamten ausgesprochene Verweigerung von Grundbucheinsicht, deren Änderung beantragt wurde. Dafür spricht nicht nur ihr Inhalt, sondern auch die begleitende Verfügung mit Rechtsmittelbelehrung gem. § 12c Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 71 GBO.

1. Das Rechtsmittel bleibt im Ergebnis erfolglos.

a) Aus formellen Gründen muss der Beschluss des AG nicht aufgehoben werden. Allerdings entscheidet nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. im Einzelnen Beschl. v. 25.1.2011, 34 Wx 160/10; auch OLG Rostock v. 8.2.2010 - 3 W 12/10, BeckRS 2010, 09125) über die Erinnerung gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten im Hinblick auf die Vollübertragung der Grundbuchsachen in § 3 Nr. 1 Buchst. h RPflG trotz des - gesetzlich nicht angepassten - Wortlauts in § 12c Abs. 4 Satz 1 GBO der Rechtspfleger, nicht der Grundbuchrichter. Indes ist es unschädlich...

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