Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung des Kindergeldberechtigten, Zuständigkeit
Leitsatz (amtlich)
Hat ein Kind im Haushalt eines Elternteils gelebt und besucht es nunmehr ein Internat, wobei es die Wochenenden und Ferien ohne langfristige Vorabfestlegung und mit ungleichgewichtigen Zeitanteilen bei den in verschiedenen Orten lebenden Elternteilen verbringt, ist das Familiengericht nicht zur Bestimmung des Kindergeldberechtigten berufen. Denn steht fest, dass sich das Kind im gesamten Zeitraum jedenfalls im Haushalt eines der beiden Berechtigten aufgehalten hat und ist zwischen diesen lediglich umstritten, in wessen Haushalt das Kind aufgenommen war, haben über die tatsächlichen Voraussetzungen des Obhutsprinzips die Familienkassen in eigener Zuständigkeit zu entscheiden (Anschluss an OLG Nürnberg, Beschl. v. 16.2.2011 - 7 WF 161/11; Thüring. OLG, Beschl. v. 5.5.2011 - 1 WF 87/11).
Normenkette
EStG § 64; FamFG § 231 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Wolfratshausen (Beschluss vom 09.11.2010; Aktenzeichen 3 F 731/09) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des AG Wolfratshausen vom 9.11.2010 aufgehoben.
Der Antrag auf Feststellung der Bezugsberechtigung der Antragstellerin für das Kindergeld für das gemeinschaftliche Kind Michael, geboren am 29.6.1993, wird abgewiesen, ebenso der entsprechend gleichgerichtete Widerantrag des Antragsgegners.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten beider Instanzen. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.800 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um die Bezugsberechtigung für das Kindergeld für ihren am 29.6.1993 geborenen Sohn Michael.
1. Die Eltern sind seit 2.4.2008 geschieden. Nach der Trennung blieb ihr Sohn bei seiner Mutter, der Antragstellerin dieses Verfahrens. Diese bezog bis einschließlich April 2007 das Kindergeld.
Seit dem 21.5.2007 besucht der Sohn ein Internat, dessen Kosten der Vater trägt, welcher keinen Barunterhalt zu Händen der Mutter leistet. Kindergeld wird seit Mai 2007 nicht mehr ausgezahlt, weil sich die Parteien nicht darüber einigen können, wer bezugsberechtigt ist.
2. Beide Beteiligte haben beantragt festzustellen, dass jeweils sie vorrangig bezugsberechtigt für das Kindergeld i.S.d. § 64 EStG für die Zeit ab dem 1.5.2007 seien.
Die Antragstellerin hat hierzu im Schriftsatz vom 4.12.2009, S. 3, vorgebracht:
Obwohl Michael also unter der Woche ein Internat besucht, ist sein Hauptwohnsitz eindeutig bei der Kindesmutter. Folglich ist die Kindesmutter und Antragstellerin auch vorrangig bezugsberechtigt für das Kindergeld. Die Kindesmutter hat Michael also i.S.d. § 64 II 1 EStG in ihren Haushalt aufgenommen.
Demgegenüber hat der Antragsgegner im Schriftsatz vom 20.1.2010, S. 3 geltend gemacht:
Insoweit wird bestritten, dass Michael sich seit 21.5.2007 überwiegend bei der Antragstellerin aufgehalten hat. Die Tatsache, dass der Lebensmittelpunkt des Sohnes Michael überwiegend beim Antragsgegner liegt, ergibt sich auch daraus, dass der Sohn Michael beim Antragsgegner ein eigenes Zimmer bewohnt.
Daraus ergibt sich, dass Michael außerhalb seines Internatsaufenthaltes seinen Hauptwohnsitz eindeutig beim Antragsgegner hat. Folglich ist der Antragsgegner auch vorrangig Bezugsberechtigter für das Kindergeld.
3. Das AG hat die Zeiten, die das Kind seit Beginn der Internatszeit an Wochenenden und Ferien jeweils mit einem Elternteil verbracht hat, Monat für Monat lückenlos aufgelistet. Insoweit wird auf die Aufstellung im Beschluss vom 9.11.2010, S. 2 bis 8 verwiesen. Ferner sind dort mehrere Tage bzw. Wochenenden in den Jahren 2008 und 2009 genannt, für die strittig ist, bei welchem Elternteil das Kind diese Zeiten verbracht hat.
Neben den Kosten für das Internat bezahlt der Antragsgegner auch den Gitarrenunterricht für den Sohn. Die Antragstellerin zahlt den Golfbeitrag. Beide Eltern zahlen Taschengeld, wobei zwischen ihnen streitig ist, wie oft und in welcher Höhe dies geschieht.
Beide Eltern nehmen für sich in Anspruch, die von der Krankenkasse nicht übernommenen Kosten der kieferorthopädischen Behandlung zu bezahlen sowie Kosten für Kleidung und sonstige Anschaffung für den Sohn aufzuwenden. Der Antragsgegner trägt ferner Kosten für Urlaube mit dem Kind.
Die Antragstellerin behauptet, sie zahle die Bahncard (115 EUR) und die Handykarte (180 EUR) für den Sohn.
4. Das AG hat mit Beschluss vom 9.11.2011 festgestellt, dass die Antragstellerin ab 1.5.2007 die Bezugsberechtigte sei für das Kindergeld für den gemeinsamen Sohn Michael, geboren am 29.6.1993, und hat den Widerantrag des Antragsgegners abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Antragsgegner auferlegt.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Mit dem Beginn des Internatsbesuchs sei die Aufnahme in den Haushalt der Mutter nicht verloren gegangen. Der Sohn sei noch dort angemeldet. In den Ferien sowie an den Wochenenden halte er sich häufig bei der Mutter auf. Es habe kein Umzug zum Vater stattgefunden.
Von sei...