Entscheidungsstichwort (Thema)
Wechsel des Rechtsmittels von der Berufung zur Revision. Fehlende Feststellungen zum Mindestschuldumfang in Betäubungsmittelverfahren [Heroin]
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach Einlegung des Rechtsmittels der Berufung kann, auch wenn der Angeklagte, wie im vorliegenden Fall, sein Rechtsmittel ausdrücklich zunächst als Berufung bezeichnet hat, wirksam zur Revision übergegangen werden, vorausgesetzt, der Übergang erfolgt innerhalb der Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO.
2. Dem Urteil muss sich entnehmen lassen, welche betäubungsmittelrelevanten Wirkstoffmengen sich in den verfahrensgegenständlichen Rauschgiftmengen befunden haben. Derartige Feststellungen bilden aber die Grundlage jeglicher Strafbemessung. Hierzu hat der Tatrichter entweder konkrete Feststellungen zum Wirkstoffgehalt zu treffen oder er muss von der für den Angeklagten günstigsten Qualität ausgehen, die nach den Umständen in Betracht kommt.
3. Falls eine zuverlässige Bestimmung des Wirkstoffgehalts nicht möglich ist, hat der Tatrichter unter Berücksichtigung der anderen festgestellten Umstände - wie Preis und Herkunft des Betäubungsmittels sowie Beurteilung durch Tatbeteiligte - zu untersuchen, von welcher Mindestqualität auszugehen ist. Kann auch auf diese Weise eine hinreichend sichere Feststellung des Wirkstoffgehalts nicht getroffen werden, so muss von dem für den Angeklagten günstigsten Mischungsverhältnis ausgegangen werden, das nach den Umständen in Betracht kommt.
Verfahrensgang
AG Augsburg (Urteil vom 18.07.2006) |
Tenor
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts/Schöffengerichts Augsburg vom 18. Juli 2006 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
II. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an ein anderes Schöffengericht des Amtsgerichts Augsburg zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht/Schöffengericht Augsburg verurteilte den Angeklagten am 18.7.2006 wegen gewerbsmäßigen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 27 tatmehrheitlichen Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten.
Gegen das am 4.8.2006 zugestellte Urteil legte der Angeklagte bereits am 19.7.2006 Berufung ein.
Mit anwaltlichen Telefax-Schreiben vom 4.9.2006, gerichtet sowohl an das Amtsgericht als auch an das Landgericht Augsburg, bezeichnete der Angeklagte die gegen das amtsgerichtliche Urteil eingelegte Berufung als Revision. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts; insbesondere habe das Landgericht (richtig Amtsgericht) den Schuldumfang des Angeklagten nicht ausreichend bestimmt, weil es keine hinreichenden Feststellungen zum Mindestwirkstoffgehalt der Heroinzubereitungen getroffen habe.
II.
Die statthafte (§ 335 Abs. 1 StPO) und im Übrigen zulässige (§ 341 Abs. 1, §§ 344, 345 StPO) Revision des Angeklagten hat mit der erhobenen Sachrüge Erfolg.
1. Der Übergang vom Rechtsmittel der Berufung zum Rechtsmittel der Revision, wie ihn der Angeklagte mit Telefax-Schreiben vom 4.9.2006 gegenüber dem Amtsgericht Augsburg vornahm, war wirksam.
a) Nach Einlegung des Rechtsmittels der Berufung kann, auch wenn der Angeklagte, wie im vorliegenden Fall, sein Rechtsmittel ausdrücklich zunächst als Berufung bezeichnet hat, wirksam zur Revision übergegangen werden, vorausgesetzt, der Übergang erfolgt innerhalb der Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO (BGHSt 40, 395/398; OLG München Beschluss vom 10.10.2006 4St RR 189/06).
Die mit Zustellung des Urteils am 4.8.2006 beginnende Revisionsbegründungsfrist endete mit Ablauf des 4.9.2006. Der Wechsel des Rechtsmittels ist somit am 4.9.2006 rechtzeitig erfolgt.
b) Der Übergang vom Rechtsmittel der Berufung zur Revision muss, da es sich bei der Erklärung des Übergangs um eine Rechtsmitteleinlegung handelt, die wie eine solche zu behandeln ist (BayObLGSt 1983, 93; BGH aaO; OLG München aaO), nach § 341 Abs. 1 StPO bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, somit bei dem Amtsgericht, erfolgen.
Der Angeklagte hat den Übergang am 4.9.2006 gegenüber dem Amtsgericht Augsburg erklärt.
2. Der Schuldspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Amtsgericht hat den Umfang der Schuld des Angeklagten nicht ausreichend bestimmt. Dem Rechtsfolgenausspruch fehlt somit eine tragfähige Grundlage.
a) Den amtsgerichtlichen Feststellungen lässt sich nicht entnehmen, welche betäubungsmittelrelevanten Wirkstoffmengen sich in den verfahrensgegenständlichen Rauschgiftmengen befunden haben. Derartige Feststellungen bilden aber die Grundlage jeglicher Strafbemessung. Hierzu hat der Tatrichter entweder konkrete Feststellungen zum Wirkstoffgehalt zu treffen oder er muss von der für den Angeklagten günstigsten Qualität ausgehen, die nach den Umständen in Betracht kommt (st.Rsp. BayObLGSt 2003, 83/85 m.w.N.).
Falls eine zuverlässige Bestimmung des Wirkstoffgehalts nicht möglich ist, hat der Tatrichter unter Berücksichtigung der anderen festgestellten Umstände - wie Preis und Herkunft des Betäubungsmittels sowie Beurteilung durch Tat...