Leitsatz (amtlich)

Die Abschiebung eines nicht eindeutig identifizierten Ausländers ist nicht schon deshalb undurchführbar und die Sicherungshaft aufzuheben, weil dessen mutmaßliche Heimatvertretung einen Heimreiseschein nur nach Zusage der deutschen Behörden ausgestellt hat, den Ausländer bei nicht eindeutiger Identifizierung im mutmaßlichen Heimatstaat wieder zurück zu übernehmen.

 

Normenkette

AufenthG § 62 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 30.11.2007; Aktenzeichen 13 T 21102/07)

AG München (Aktenzeichen 872 XIV B 467/07)

 

Tenor

Der Beschluss des LG München I vom 30.11.2007 wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG München I zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Die Ausländerbehörde betreibt die Abschiebung des Betroffenen, der nach derzeitigem Erkenntnisstand vermutlich nigerianischer Staatsangehöriger ist. Der Asylantrag des Betroffenen wurde mit Bescheid vom 31.1.2005 als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Der Bescheid ist bestandskräftig.

Der Betroffene gibt sich seit seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland im Jahre 2004 durchgängig als sudanesischer Staatsangehöriger aus. Dies wurde jedoch bei einer Vorführung des Betroffenen bei der Botschaft der Republik Sudan ausgeschlossen. Vorsprachen bei der Botschaft der Bundesrepublik Nigeria ergaben demgegenüber, dass es sich bei dem Betroffenen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit um einen nigerianischen Staatsangehörigen handelt. Zur sicheren Feststellung der tatsächlichen Staatsangehörigkeit sollte eine Vor-Ort-Identifizierung in Nigeria durchgeführt werden. Hierzu wurde von der nigerianischen Botschaft die Ausstellung eines Heimreisescheines zugesichert. Demgegenüber wurde von der Bundesrepublik Deutschland die Rücknahme des Betroffenen zugesagt, wenn dessen Identifizierung vor Ort scheitern sollte.

Auf Antrag der Ausländerbehörde hat das AG nach Anhörung des Betroffenen durch Beschluss vom 18.10.2007 Abschiebungshaft bis zum Vollzug der Abschiebung, längstens jedoch für die Dauer von 2 Wochen angeordnet.

Die für den 29.10.2007 geplante Abschiebung scheiterte am Widerstand des Betroffenen. Dieser verweigerte unmittelbar vor dem Flugzeug den Einstieg, warf sich zu Boden, zog seine Jacke aus, schrie lauthals und versuchte, sich aus den Festhaltegriffen der ihn begleitenden Beamten zu befreien. Die Abschiebung musste deshalb abgebrochen werden.

Auf Antrag der Ausländerbehörde hat das AG nach Anhörung des Betroffenen durch Beschluss vom 31.10.2007 weitere Abschiebungshaft bis zur möglichen Abschiebung, längstens jedoch auf die Dauer von drei Monaten im Anschluss an die bestehende Haft, sowie die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung angeordnet. Hiergegen hat der Betroffene sofortige Beschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 30.11.2007 hat das LG die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen.

Die für den 12.12.2007 geplante Abschiebung des Betroffenen nach Nigeria musste storniert werden, da die zur Ausreise erforderlichen Papiere von der Botschaft Nigerias nicht rechtzeitig ausgestellt werden konnten. Ein neuer Termin ist für den 15.1.2008 vorgesehen.

II. Dem zulässigen Rechtsmittel ist ein - vorläufiger - Erfolg nicht zu versagen.

1. Das LG hat ausgeführt:

Die Beschwerde sei unbegründet, da das AG die Abschiebungshaft zu Recht angeordnet habe. Der Betroffene sei vollziehbar ausreisepflichtig. Die Frage, ob die Ausweisung und Abschiebung des Betroffenen zu Recht betrieben werde, sei im Verfahren über die Anordnung der Abschiebungshaft nicht zu prüfen. Insoweit seien zur Gewährung von Rechtsschutz allein die VG berufen.

Es liege der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG vor, da der begründete Verdacht bestehe, dass sich der Betroffene der Abschiebung entziehen werde.

Der Verdacht ergebe sich konkret daraus, dass der Betroffene die Abschiebung vom 29.10.2007 durch den von ihm geleisteten Widerstand vereitelt habe. Entgegen der Ansicht des Verfahrensbevollmächtigten habe dem Betroffenen ein "Notwehrrecht" gegen die Abschiebung nicht zugestanden.

Darüber hinaus habe der Betroffene die Behörden seit Jahren über seine Staatsangehörigkeit belogen. Seine Behauptung, sudanesischer Staatsangehöriger zu sein, sei durch die Feststellungen der Botschaft der Republik Sudan widerlegt. Weiterhin habe der Betroffene während der Dauer des Asylverfahrens mehrmals gegen die räumliche Beschränkung der Aufenthaltsgestattung verstoßen. Auch dieses Verhalten zeige, dass die Ausländerbehörde nicht darauf vertrauen könne, der Betroffene werde sich ihr gegenüber kooperativ verhalten und sich freiwillig abschieben lassen.

Aus den vorgenannten Gründen sei die Kammer zu der Überzeugung gekommen, dass sich der Betroffene im Falle seiner Haftentlassung einer Abschiebung entziehen und untertauchen werde.

Unzulässigkeitsgründe seien nicht ersichtlich, insbesondere sei nicht ausgeschlossen, dass die Abschiebung des Betroffenen innerhalb der nächsten drei Monate möglich sei.

Die An...

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