Leitsatz (amtlich)
Zuständigkeitsbestimmung für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen aus abgetretenem Recht gegen den inländischen Berater und die im europäischen Ausland ansässige darlehensgebende Bank im Zusammenhang mit dem teilfinanzierten Anteilserwerb an einem inländischen Filmfonds.
Normenkette
EuGVVO Art. 6 Nr. 1, Art. 16; ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3, § 37
Verfahrensgang
LG Kempten (Aktenzeichen 23 O 134/12) |
Tenor
Als zuständiges Gericht wird das LG Wiesbaden bestimmt.
Gründe
i. Die Antragstellerin macht mit ihrer unter dem 24.1.2012 zum LG Kempten (Allgäu) erhobenen Klage (Aktenzeichen 23 O 134/12) aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes im Wesentlichen Schadensersatz- und Freistellungsansprüche wegen einer fehlgeschlagenen Vermögensanlage geltend. Der Zedent beteiligte sich im Herbst 2004 als Kommanditist an dem xx Fonds Nr. 158, xx Beteiligungs GmbH & Co. Verwaltungs KG mit einem Nominalbetrag von 25.000 EUR. Sitz des Fonds ist in Pullach bei München. Die Antragstellerin trägt vor, der Zedent sei im Rahmen der telefonischen Beratung von der Antragsgegnerin zu 1 über Nachteile und Risiken des angebotenen Modells nicht vollständig und zutreffend aufgeklärt worden, weshalb diese aus Vertragsverletzung hafte. Beide Antragsgegnerinnen hätten unter dem Gesichtspunkt der uneigentlichen Prospekthaftung (culpa in contrahendo) einzustehen, die Antragsgegnerin zu 2 außerdem wegen Widerrufs des mit dieser abgeschlossenen Darlehensvertrags zur obligatorischen Anteilsfinanzierung gem. §§ 495, 355, 357, 346 ff. BGB.
Die Antragstellerin - ebenso der Zedent - hat den allgemeinen (Wohnsitz-) Gerichtsstand beim LG Kempten (Allgäu), die Antragsgegnerin zu 1 hat ihren Sitz in Wiesbaden. Die Antragsgegnerin zu 2 - ein Kreditinstitut - ist im europäischen Ausland (Irland) ansässig.
Im anhängigen Prozess hat die Antragsgegnerin zu 1 die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gerügt. Die Antragstellerin hat gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung gestellt. In seinem Vorlagebeschluss vom 12.9.2012 vertritt das LG Kempten die Auffassung, es sei nur hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 1 international wie örtlich zuständig. Hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 2 bestehe keine Zuständigkeit, insbesondere nicht aus § 29 ZPO, weil ein Beratungsgespräch am Wohnsitz des Zedenten nicht stattgefunden habe.
Die Antragsgegnerinnen hatten im Bestimmungsverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Antragsgegnerin zu 1 hält einen gemeinsamen Gerichtsstand beim LG Wiesbaden für gegeben. Auch die Antragsgegnerin zu 2 hält den Antrag für unzulässig, da ein gemeinsamer Gerichtsstand bestehen dürfte. Die Antragstellerin ihrerseits beruft sich hinsichtlich der Klage gegen die ausländische Antragsgegnerin zu 2 trotz erfolgter Abtretung auf den Verbrauchergerichtsstand des Art. 16 EuGVVO.
Auf den nach § 36 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, § 37 ZPO auch noch nach Klageerhebung zulässigen Antrag bestimmt der Senat das LG Wiesbaden als gemeinsam zuständiges Gericht.
1. Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor. Die Antragsgegnerinnen sind nach dem maßgeblichen (Zöller/Vollkommer ZPO, 29. Aufl., § 36 Rz. 18 m.w.N.), insoweit auch schlüssigen Vortrag der Antragstellerin in Bezug auf die geltend gemachten Ansprüche Streitgenossen (§§ 59, 60 ZPO; vgl. dazu BGH WM 2011, 1026).
2. Auch wenn ein gemeinsamer (besonderer) Gerichtsstand besteht, kann eine (deklaratorische) Zuständigkeitsbestimmung entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO getroffen werden, sofern das mit der Sache befasste Gericht das Bestehen eines gemeinsamen Gerichtsstands mit nachvollziehbaren Gründen in Frage stellt oder sich der gemeinsame Gerichtsstand nicht zuverlässig feststellen lässt (vgl. BGH NJW-RR 2008, 1514; BayObLG vom 10.4.2003 - 1Z AR 25/03, bei juris; KG NJW-RR 2006, 775; Zöller/Vollkommer § 36 Rz. 18).
a) Nach Ansicht des Senats ist ein gemeinsamer Gerichtsstand gem. Art. 6 Nr. 1 EuGVVO begründet.
(1) Zwar ist wohl davon auszugehen, dass der Zedent - der Ehemann der Antragstellerin - Verbraucher i.S.d. Art. 15, 16 EuGVVO ist. Wäre Art. 16 EuGVVO als lex specialis anwendbar, so käme eine Anwendung des (nachrangigen) Art. 6 EuGVVO - nach dem ein Gerichtsstand für die Antragsgegnerin zu 2 am Sitz der mitverklagten Antragsgegnerin zu 1 gegeben sein könnte - nicht in Betracht (vgl. OLG Frankfurt Beschl. v. 30.7.2012 - 11 AR 132/12, nach juris) mit der Folge, dass kein gemeinsamer Gerichtsstand bestünde. So beurteilt dies das LG Kempten. Es ist aber keineswegs offensichtlich, dass sich der Rechtsnachfolger eines privaten Endverbrauchers auf die Verbrauchergerichtsstände der Art. 15 ff. EuGVVO berufen kann. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Zessionar die erworbenen Ansprüche in Ausübung seiner beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit durchzusetzen sucht (vgl. Zöller/Geimer ZPO, 29. Aufl. Art. 17 EuGVVO Rz. 15). Für den privaten Zessionar wird dies teilweise anders gesehen (vgl. zum Meinungsstand Zöller/Geimer, a.a.O.)....