Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensfähigkeit des Kindes bei Kindeswohlgefährdungssachen
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Beschwerdeeinlegung durch einen Minderjährigen genügt es nicht, dass dieser das 14. Lebensjahr zwischen Erlass des angefochtenen Beschlusses und Beschwerdeeinlegung vollendet. (Rn. 59)
2. In einem Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls ist ein Kind auch nach der Vollendung des 14. Lebensjahres nicht verfahrensfähig und kann daher einen Rechtsanwalt nicht selber mandatieren.(Rn. 63)
3. Wenn den Eltern Teilbereiche der elterlichen Sorge entzogen sind, hat die Vertretungsmacht in diesen Teilbereichen der insoweit bestellte Ergänzungspfleger inne und vertritt das Kind auch im gerichtlichen Verfahren. Die Eltern können insoweit keinen Rechtsanwalt zur Vertretung des Kindes bestellen.(Rn. 78)
Normenkette
BGB § 1666 Abs. 1; FamFG § 9 Abs. 1 Nr. 3, § 60 S. 3, § 158 Abs. 5
Tenor
1. Die Beschwerde der Beteiligten ... wird zurückgewiesen.
2. Die Anschlussbeschwerde der Beteiligten ... wird verworfen.
3. Rechtsanwalt ... wird als Verfahrensbevollmächtigter der Beteiligten ... zurückgewiesen.
4. Es wird festgestellt, dass die Beteiligte ... im Beschwerdeverfahren nicht verfahrensfähig ist.
5. Der Antrag der Beteiligten ... auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe wird abgelehnt.
6. Der Antrag von Rechtsanwalt ... auf Bewilligung von Akteneinsicht wird abgelehnt.
7. Der Anregung auf Entlassung des Verfahrensbeistands wird keine Folge gegeben.
8. Der Antrag der Beteiligten ... auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
9. Die Beteiligte ... trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
10. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
11. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Aus der nichtehelichen Beziehung der Beteiligten ... (im folgenden: Kindsmutter) und ... (im folgenden: Kindsvater) ist die gemeinsame Tochter ... geb. ... hervorgegangen.
Die Kindsmutter hatte zunächst die alleinige elterliche Sorge inne, welche ihr mit Beschluss des Amtsgerichts Wolfratshausen vom 26.06.2014 ... in der dortigen Ziffer 1. in den Teilbereichen Recht zur Aufenthaltsbestimmung, Recht zur Regelung der schulischen Angelegenheiten, Recht zur Gesundheitssorge sowie Recht zur Beantragung staatlicher Hilfen entzogen wurde. Soweit ihr die Rechte entzogen wurden, wurde Ergänzungspflegschaft angeordnet.
Mit Sorgeerklärung vom 14.02.2017 erklärten die Kindseltern beim Landratsamt ... dass sie die elterliche Sorge für ... gemeinsam ausüben.
Im Zeitraum Februar 2015 bis einschließlich März 2018 war ... im sozialpädagogischen Jugendhaus in ... untergebracht, wo sie regelmäßig die ... Schule besuchte. Am 14.03.2018 wurde ... im Einverständnis mit dem Ergänzungspfleger und unter Aufrechterhaltung der bestehenden Sorgeentscheidung - in den Haushalt der Mutter zurückgeführt und wieder von ihren Eltern betreut. Die Kindseltern wohnten zu diesem Zeitpunkt im selben Haus in der ..., jedoch in verschiedenen Wohnungen.
Am 02.09.2018 stellte der Ergänzungspfleger beim Amt für Jugend und Familie ... einen Antrag auf Hilfe nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz mit dem Ziel einer stationären Fremdunterbringung von ... in der Einrichtung des ... einem Zentrum für medizinisch-schulische Rehabilitation für chronisch kranke, u.a. an Adipositas leidende Kinder und Jugendliche im Schulalter mit angegliederten Schulen. Hiergegen wendeten sich die Kindseltern und riefen das Amtsgericht ... an. Mit Beschluss vom 17.10.2018 ... wies das Amtsgericht Wolfratshausen den Antrag der Kindseltern auf Rückübertragung des Rechts zur Aufenthaltsbestimmung sowie des Rechts zur Gesundheitssorge für ... auf beide Elternteile gemeinsam zur Verhinderung der Fremdunterbringung ... im Rahmen einer einstweiligen Anordnung zurück.
Die Unterbringung ... in der Einrichtung des ... wurde sodann seitens des Ergänzungspflegers mit dem Aufnahmetermin 07.11.2018 geplant. Am 02.11.2018 teilte der Ergänzungspfleger den Kindseltern den vorgesehenen Aufnahmetermin mit.
In der Folge tauchten die Kindseltern gemeinsam mit ... unter. Nachdem weder ... noch die Kindseltern für Jugendamt oder Ergänzungspfleger erreichbar waren, wurde ... am 07.11.2018 als vermisst gemeldet. Am 13.11.2018 teilte der Kindsvater gegenüber dem Jugendamt ... mit, dass nur er selbst wieder in den Landkreis zurückgekehrt sei, er jedoch nicht wisse, wo sich ... und die Kindsmutter aktuell aufhielten. Ihm sei aber bekannt, dass sie sich an "einem sicheren Ort" befänden und es ein paar Leute gebe, die ... und die Mutter unterstützten.
Nach zunächst erfolgloser Fahndung konnte ... schließlich in der Nacht vom 06. auf den 07.01.2019 in ... aufgegriffen werden. Danach wurde sie zunächst in einer Inobhutnahmestelle in ... untergebracht; seit 17.01.2019 befindet ... sich in der Einrichtung des ....
Mit Beschluss vom 08.01.2019 ... entzog das Amtsgericht ... auf Anregung des Ergänzungspflegers ohne mündliche Verhandlung im Wege der einstweiligen ...