Leitsatz (amtlich)

1. Ein formularmäßiger Einwendungsverzicht in einer Ratenzahlungsvereinbarung zwischen einem Unternehmen, das das Factoringgeschäft mit ärztlichen Honorarforderungen betreibt, und einem Patienten verstößt gegen § 309 Nr. 3 BGB, weil dadurch dem Patienten die Aufrechnung mit Schadenersatzansprüchen gegen den Arzt aus fehlerhafter Behandlung völlig abgeschnitten wird.

2. Soweit die Unwirksamkeit einer Klausel die Rechtsstellung des Kunden verbessern würde, ist die Unklarheitenregel auch im Individualprozess zunächst umgekehrt anzuwenden, das heißt, es ist vorweg zu prüfen, ob die Klausel bei scheinbar kundenfeindlichster Auslegung wegen Verstoß gegen ein Klauselverbot unwirksam ist.

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 23.06.2004; Aktenzeichen 10 O 2930/04)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten werden die Beschlüsse des LG München I vom 23.6.2004 und 21.7.2004 aufgehoben.

Dem Beklagten wird zur beabsichtigten Rechtsverteidigung in erster Instanz Prozesskostenhilfe gegen monatliche Ratenzahlung von 135 EUR, beginnend am 1.1.2005, gewährt.

Ihm wird Rechtsanwalt Dr. H. beigeordnet.

 

Gründe

1. Der Beklagte ließ sich von der Zahnärztin Dr. T. im Jahr 2002 als Privatpatient mit einer Brücke im Oberkiefer versorgen. Vor Behandlungsbeginn, am 4.12.2001, unterzeichnete er eine vorformulierte Abtretungserklärung hinsichtlich des Behandlungshonorars an die Klägerin (Anlage K 2).

Die Klägerin betreibt das Factoringgeschäft mit zahnärztlichen Honorarforderungen.

Die Klägerin stellte am 6.5.2002 eine Rechnung über 8.412,59 EUR.

Am 8.7.2002 schlossen die Parteien eine Stundungsvereinbarung (Anlage K 6), in der die Klägerin dem Beklagten Ratenzahlung über drei Jahre zu einem effektiven Jahreszins von 13,11 % gewährte. In Ziff. 5. des Vertrages heißt es: "Der Schuldner verzichtet auf Einwendungen jeglicher Art hinsichtlich des Grundes und der Höhe der Schuld. Der Schuldner erkennt die Forderung an."

Der Beklagte leistete bis zum 24.7.2003 Teilzahlungen i.H.v. insgesamt 2.659,71 EUR. Die Klägerin kündigte die Ratenzahlungsvereinbarung wegen Verzugs am 24.7.2003. Im September 2003 stellte nach dem Vorbringen des Beklagten der Nachbehandler Dr. K. Mängel an einer Wurzelfüllung der Zahnärztin Dr. T. fest.

In einem vom Beklagten unter dem Aktenzeichen 27 OH 18193/03 beim LG München I betriebenen selbständigen Beweisverfahren gegen Frau Dr. T. legte der gerichtliche Sachverständige Dr. B. in einem Gutachten am 18.2.2004 dar, ihre Leistungen würden Planungs- und Ausführungsfehler aufweisen (zu den Einzelheiten s. Anlage B 1). Die Klägerin machte mit Klage vom 16.2.2004 ggü. dem Beklagten eine - rechnerisch unstreitige - Restforderung von 6.752,99 EUR geltend.

Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 9.3.2004 Prozesskostenhilfe. Er brachte vor, die Abtretung des Honoraranspruchs sei unwirksam. Die Leistung der Zahnärztin sei mangelhaft. Dies müsse die Klägerin sich trotz des Einwendungsverzichts entgegenhalten lassen (zu den Einzelheiten der Begründung s. Bl. 9/13 d.A.).

Die Klägerin nahm hierzu am 21.4.2004 Stellung (Bl 14/16 d.A.).

Mit Beschl. v. 23.6.1984 wies das LG den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zurück (Bl. 17/18 d.A.). Es führte aus, auf die Wirksamkeit der Abtretung komme es nicht an, da in der Ratenzahlungsvereinbarung die Forderung anerkannt worden sei. Der Einwendungsverzicht ggü. der Klägerin gelte nach den §§ 133, 157 BGB für alle Forderungen aus dem Behandlungsverhältnis, auch für Schadenersatzansprüche aufgrund später bekannt gewordener Behandlungsfehler. Der Beklagte legte gegen den Beschluss am 7.7.2004 sofortige Beschwerde ein.

Das LG half der sofortigen Beschwerde nicht ab (Beschl. v. 21.7.2004). In der Beschwerdeinstanz vertieften der Beklagte mit Schriftsatz vom 5.8.2004 (Bl. 24/26 d.A.) und die Klägerin mit Schriftsatz vom 24.8.2004 (Bl. 27/29 d.A.) ihre gegensätzlichen Standpunkte.

2. Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist begründet. Die beabsichtigte Rechtsverteidigung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.v. § 114 ZPO. Der Beklagte kann mit dem behaupteten Schadenersatzanspruch wegen mangelhafter Prothetik ggü. der Klägerin trotz des in der Ratenzahlungsvereinbarung erklärten Einwendungsverzichts aufrechnen (§§ 404, 406 BGB). Darüber, ob der Vorwurf fehlerhafter Behandlung zutrifft, muss im Hauptverfahren Beweis erhoben werden. Die Abtretung der Honorarforderung an die Klägerin ist nach der Auffassung des Senats allerdings wirksam. Das Formular enthält die von der Rechtsprechung geforderten Hinweise.

Der Beklagte kann jedoch mit Schadenersatzforderungen gegen die Zahnärztin ggü. der Klägerin aufrechnen.

Der Einwendungsverzicht verstößt gegen § 309 Nr. 3 BGB, weil er ein vollständiges Aufrechungsverbot zur Folge hat. Auch im Übrigen gibt es gegen die Angemessenheit der Klausel Bedenken. Selbst wenn die Klausel wirksam sein sollte, wäre sie i.S.d. Beklagten auszulegen. Denn nach § 305c BGB gehen die Zweifel bei der Frage, ob die von der Klägerin verwendete Klausel ...

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