Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergleichsgebühr bei Einbeziehung nicht anhängiger Ansprüche im Berufungsverfahren. Forderung. Kostenfestsetzung
Leitsatz (amtlich)
Werden im Berufungsverfahren Gegenstände mitverglichen, wegen derer ein gerichtliches Verfahren nicht anhängig ist, verbleibt es insoweit bei der 15/10 Vergleichsgebühr; die Gebühr wird nicht auf 19,5/10 erhöht.
Normenkette
BRAGO § 23 Abs. 1, § 11 Abs. 1 S. 4
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde wird der Kostenfestsetzungsbeschluß des Landgerichts Passau vom 5.10.1998 dahin abgeändert, daß die von der Beklagten an die Kläger zu gleichen Teilen zu erstattenden Kosten auf 16.136.60 DM nebst 4% Zinsen seit 13.5.1998 festgesetzt werden. Der weitergehende Kostenfestsetzungsantrag der Kläger vom 12.5.1998 wird zurückgewiesen.
II. Von den außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Kläger 1/6 und die Beklagte 5/6.
III. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt 6.514,45 DM.
Gründe
Mit ihrer sofortigen Beschwerde wendet sich die in vollem Umfang erstattungspflichtige Beklagte dagegen, daß wegen der im Berufungsverfahren mitverglichenen, nicht anhängigen Ansprüche eine 19, 5/10 Vergleichsgebühr berücksichtigt wurde. Diese Vergleichsgebühr könne nur in Höhe von 15/10 anfallen. Das gesetzgeberische Motiv für die Erhöhung der außergerichtlichen Vergleichsgebühr sei, daß „… das anwaltliche Bestreben, Streitigkeiten möglichst ohne Anrufung des Gerichts beizulegen, gefördert und belohnt werden ….” solle (vgl. Gerold/Schmidt-von Eicken, BRAGO, Rn. 40 zu § 23). Diese Förderung und Belohnung dürfe nicht soweit führen, daß die Partei beim Mitvergleichen nicht rechtshängiger Ansprüche wirtschaftlich mit Blick auf die Kosten des Rechtsstreits schlechter gestellt werde, als wenn sie diese Ansprüche gerichtlich geltend gemacht hätte. Ergänzend wird auf den Rechtsmittelschriftsatz vom 13.10.1998 Bezug genommen.
Soweit die Beklagte hier den Kostenfestsetzungsbeschluß auch deshalb angegriffen hatte, weil (nach Abschluß des Prozeßvergleichs vom 30.4.1998) die erstinstanzlichen Kosten erneut festgesetzt wurden, hat die Beklagte das Rechtsmittel zurückgenommen.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.
Nach Auffassung des Senats kann nur eine 15/10 Vergleichsgebühr nach § 23 Abs. 1 BRAGO angesetzt werden, soweit im Berufungsverfahren Gegenstände mitverglichen werden, wegen derer ein gerichtliches Verfahren nicht anhängig ist; diese Gebühr wird nicht nach § 11 Abs. 1 S. 4 BRAGO auf 19,5/10 erhöht. Bei der Berechnung der Vergleichsgebühr ist § 13 Abs. 3 BRAGO zu berücksichtigen.
Der Senat befindet sich mit seiner Auffassung in Übereinstimmung mit den Landgerichten Berlin (JurBüro 1997, 639) und Köln (JurBüro 1997, 414) sowie den Kommentaren von Hansens (BRAGO, 8. Aufl. RN. 15 zu § 23) sowie Gerold/Schmidt-von Eicken (BRAGO, 13. Aufl. Rn. 53 zu § 23; vgl. von Eicken, NJW 1994, 2259 und AGS 1998, 147); eine Erhöhung der Vergleichsgebühr auf 19, 5/10 vertreten das Kammergericht (JurBüro 1998, 189), das Oberlandesgericht Frankfurt/Main (AGS 1998, 147), das Oberlandesgericht Hamm (AGS 1999, 7), sowie Enders (JurBüro 1996, 618f) und N. Schneider (MDR 1998, 197).
Nach § 23 Abs. 1 S. 1 BRAGO erhält der Rechtsanwalt „für die Mitwirkung beim Abschluß eines Vergleichs … 15/10 der vollen Gebühr…” (Satz 1). Diese Gebühr reduziert sich nach Satz 3 dieser Vorschrift auf eine volle Gebühr „soweit über den Gegenstand des Vergleichs ein gerichtliches Verfahren anhängig ist.” Zweck dieser Regelung ist – wie bereits im Sachverhalt zitiert – das anwaltliche Bestreben zu fördern und zu belohnen, Streitigkeiten möglichst ohne Anrufung des Gerichts beizulegen. Eine über 15/10 hinausgehende Belohnung ist weder nach dem Wortlaut noch nach dem Zweck der Vorschrift gerechtfertigt. Es ist insbesondere nicht einsehbar, warum für das Mitvergleichen nicht anhängiger Gegenstände im Berufungsverfahren ein höherer Anreiz bestehen sollte, als im erstinstanzlichen Verfahren. § 11 Abs. 1 S. 4 BRAGO ist nicht anwendbar, weil eben § 23 Abs. 1 S. 1 BRAGO eindeutig nur den Fall betrifft, daß ein gerichtliches Verfahren nicht anhängig ist.
Wenn demgegenüber N. Schneider (a.a.O.) argumentiert, daß aus § 11 Abs. 1 S. 4 BRAGO „mit keinem Wort” zu entnehmen sei, daß die für die Gebührenrechnung heranzuziehenden Gegenstände anhängig oder gar rechtshängig sein müssen, ist hierzu folgendes zu bemerken. Zum einen betrifft § 11 Abs. 1 S. 4 BRAGO das „Berufungs- und Revisionsverfahren”, also ohne weiteres Verfahren, die nicht nur anhängig, sondern auch rechtshängig sind. Im übrigen ist die Anwendung dieser Vorschrift auf den Fall des § 23 Abs. 1 S. 1 BRAGO eben – wie bereits ausgeführt – gerade deshalb ausgeschlossen, weil diese Vorschrift dadurch charakterisiert ist, daß ein gerichtliches Verfahren nicht anhängig ist. Der bloße Bezug auf den in § 23 Abs. 2 S. 1 BRAGO enthaltenen Begriff der „vollen Gebühr” (vgl. KG a.a.O.) kann die gegenteilige Auffassung auch nicht rechtfertigen. Das gleiche gilt für die Erwä...