Entscheidungsstichwort (Thema)
Rente, Beschwerde, Abfindung, Gesellschaft, Beteiligung, Gutachten, Aktien, Vergleich, Spruchverfahren, Barabfindung, Antragsteller, Hauptversammlung, Aktie, Planung, gutachtliche Stellungnahme, konkrete Anhaltspunkte, nicht ausreichend
Leitsatz (amtlich)
1. Der weitgehende tatrichterliche Überprüfungsmaßstab in Spruchverfahren gebietet es, dass das Gericht die zentralen Planungsprämissen und Planzahlen grundsätzlich selbst überprüft. Diesem Prüfungsauftrag wird es nicht gerecht, wenn es sich ohne entsprechende Darlegung der relevanten Tatsachen auf die Schlussfolgerung des sachverständigen Prüfers, die Planung sei im Ergebnis plausibel, zurückzieht.
2. Bei seiner Prüfung hat das Gericht jedoch zu berücksichtigen, dass Planungen und Prognosen in erster Linie Ergebnis einer unternehmerischen Entscheidung der Gesellschaft und dementsprechend nur eingeschränkt darauf überprüfbar sind, ob sie auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage und realistischen Annahmen beruhen. Plausible Planannahmen der Gesellschaft dürfen nicht durch andere - ggf. für die Aktionäre günstigere - Annahmen des Gerichts oder anderer Verfahrensbeteiligter ersetzt werden.
Normenkette
AktG § 327b
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 29.08.2018; Aktenzeichen 5 HK O 16585/15) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 29.08.2018 aufgehoben.
2. Die Anträge der ehemaligen Aktionäre der S... AG auf Festsetzung einer höheren Barabfindung werden zurückgewiesen.
3. Die Beschwerden der Antragsteller zu 21) - 23) werden verworfen.
4. Die Beschwerden der Antragsteller zu 1), 4), 5), 10), 14) - 18), 24), 28), 29), 36) - 42), 60), 79) - 84), 92), 96), 109), 114), 115), 122) und 123) und die Anschlussbeschwerden der Antragsteller zu 21) - 23) werden zurückgewiesen.
5. Die Gerichtskosten der Verfahren erster und zweiter Instanz trägt die Antragsgegnerin. Außergerichtliche Kosten der ersten und zweiten Instanz werden nicht erstattet.
6. Der Geschäftswert für die Verfahren erster und zweiter Instanz, sowie der Wert für die Bemessung der von der Antragsgegnerin an den gemeinsamen Vertreter der nicht selbst als Antragsteller am Verfahren beteiligten ehemaligen Aktionäre zu leistende Vergütung werden jeweils auf EUR 200.000,00 festgesetzt.
Gründe
I. Gegenstand des Verfahrens ist die Angemessenheit der Barabfindung nach Ausschluss der Minderheitsaktionäre im Rahmen eines Squeeze-Outs.
Die Antragsteller waren Aktionäre der S... AG (im Folgenden: S... oder die Gesellschaft). Das Grundkapital der Gesellschaft in Höhe von EUR 931.114.937 war in ebenso viele auf den Inhaber lautende Stückaktien mit einem auf die einzelne Stückaktie entfallenden Anteil am Grundkapital von EUR 1,00 eingeteilt. Die Aktien waren zum Handel im regulierten Markt der Frankfurter Wertpapierbörse, sowie im Freiverkehr an den Börsen Berlin, Düsseldorf, Hamburg, München, Hannover und Stuttgart zugelassen.
Satzungsmäßiger Unternehmensgegenstand der S... war die Veranstaltung, Vermarktung und Verbreitung von Fernsehsendungen durch Übertragungsmedien aller Art, insbesondere im Rahmen des durch Teilnehmerentgelte finanzierten Fernsehens, die Herstellung, Beschaffung, Veräußerung, Vermarktung und Verbreitung von Fernseh-, Film-, Hörfunk- und Medienproduktionen aller Art sowie sonstiger immaterieller Rechte, die Erbringung, Beschaffung und Vermarktung von Dienstleistungen im Bereich der Kommunikation und der elektronischen Medien unter Einschluss der Bereitstellung und Vermarktung von Anschlüssen und Übertragungsleistung, sowie das Merchandising-, Event- und Multimedia-Geschäft und Persönlichkeitsmarketing. Dabei gehörten zur S... Gruppe neben der S... als Muttergesellschaft verschiedene Tochtergesellschaften, an denen diese zu 100% beteiligt war.
Die Antragsgegnerin, die S... GmbH, hatte den Aktionären der S... bereits mit Angebot vom 03.09.2014 den Kauf ihrer Aktien für einen Preis von EUR 6,75 je Aktie angedient. Vorstand und Aufsichtsrat der Gesellschaft vertraten in einer gemeinsamen Stellungnahme zu diesem Übernahmeangebot (Anl. AG 20) die auf eine Fairness Opinion der Bank ... gestützte Auffassung, dass dieses Angebot nicht angemessen sei.
Am 17.02.2015 veröffentlichte der Vorstand der S... sodann eine ad hoc-Mitteilung über die Übermittlung des förmlichen Verlangens der Antragsgegnerin auf Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre gegen eine angemessene Barabfindung.
Im Dreimonatszeitraum vor dieser Mitteilung lag der umsatzgewichtete Durchschnittskurs der S... Aktie bei EUR 6,68 je Aktie.
Am 22.07.2015 fasste die Hauptversammlung der Gesellschaft sodann den Beschluss, die Aktien der Minderheitsaktionäre gegen Gewährung einer Barabfindung in Höhe des genannten Durchschnittskurses von EUR 6,68 je Aktie auf die Antragsgegnerin zu übertragen.
Die von der Antragsgegnerin mit der Bewertung beauftrage ... Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft (im Folgenden: die Bewerterin) ermittelte im Vorfeld dieser H...