Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozesskostenhilfe: Vergütungsfestsetzung für die im Ehescheidungsverfahren beigeordnete Rechtsanwältin. Bindungswirkung der nachträglichen Zulassung der Beschwerde für das Beschwerdegericht
Leitsatz (amtlich)
Eine nachträgliche Zulassung der Beschwerde nach Erlass der angegriffenen Entscheidung gem. den §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG ist grundsätzlich unzulässig und für das Beschwerdegericht nicht bindend (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 5.7.2006 - 11 W 1704/06 - JurBüro 2006, 602 - Leitsatz).
Normenkette
RVG § 56 Abs. 2 S. 1, § 33 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
AG Kaufbreuen (Beschluss vom 01.04.2010; Aktenzeichen 1 F 514/09) |
Tenor
Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I. Das AG Kaufbeuren hat der Antragstellerin mit Beschluss vom 4.8.2009 für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe bewilligt und ihr Rechtsanwältin ... als Prozessbevollmächtigte beigeordnet. Diese hat mit Schriftsatz vom 28.1.2010 beantragt, eine Vergütung i.H.v. 890,12 EUR festzusetzen. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (Rechtspfleger) hat die aus der Staatskasse zu zahlende Prozesskostenhilfevergütung mit Beschl. v. 22.2.2010 auf 731,85 EUR festgesetzt und dabei die Berücksichtigung der zur Festsetzung angemeldeten Einigungsgebühr i.H.v. 133 EUR netto bzw. 158,27 EUR brutto abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Erinnerung hat das AG Kaufbeuren mit richterlichem Beschluss vom 1.4.2010 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung haben die Rechtsanwälte ... mit Schriftsatz vom 21.4.2010 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig deren Zulassung beantragt. Das AG hat mit Beschluss vom 21.5.2010 die Beschwerde gegen den Beschluss vom 1.4.2010 zugelassen und dem Rechtsmittel nicht abgeholfen. Gleichzeitig ist die Vorlage der Akten an das OLG angeordnet worden.
II. Die Beschwerde der Antragstellervertreterin ist unzulässig und war deshalb zu verwerfen.
1. Gegen die Entscheidung über die Erinnerung des Rechtsanwalts gegen die Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung ist nach den §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 RVG die Beschwerde zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 EUR übersteigt oder wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Keine der genannten Voraussetzungen ist im vorliegenden Fall erfüllt.
2. Die nachträgliche Zulassung der Beschwerde im Nichtabhilfebeschluss des AG vom 21.5.2010 war unzulässig und entfaltet deshalb auch keine Bindungswirkung für den Senat gem. § 33 Abs. 4 Satz 4, 1. Hs. RVG. Die Beschwerde kann nämlich gem. § 33 Abs. 3 Satz 2 RVG nur "in dem Beschluss" zugelassen werden, mit dem über die Erinnerung entschieden worden ist. Wenn in diesem Beschluss die Zulassung der Beschwerde unterblieben ist, kann sie später nicht nachgeholt werden. Die Gegenmeinung, wonach die zunächst unterbliebene Zulassung der Beschwerde auch noch später - etwa im Nichtabhilfebeschluss nach Einlegung und Begründung des Rechtsmittels - erfolgen kann (so Pukall in Mayer/Kroiß, RVG, 4. Auflage, § 56 Rz. 26) ist auf Grund des eindeutigen Wortlauts des § 33 Abs. 3 Satz 2 RVG, wonach die Zulassung "in dem Beschluss" zu erfolgen hat, abzulehnen (vgl. zur wörtlich übereinstimmenden Regelung in § 4 Abs. 3 JVEG Leitsatzbeschluss des Senats vom 5.7.2006 - 11 W 1704/06 - JurBüro 2007, 602 - Ls; ebenso zur vergleichbaren Regelung in § 66 Abs. 2 Satz 2 GKG Hartmann, Kostengesetze, 40. Auflage, § 66 GKG Rz. 33 und Meyer, GKG, 11. Auflage, § 66 Rz. 32 und zur Zulassung der weiteren Beschwerde AnwK-RVG/E. Schneider, 4. Auflage, § 33 RVG Rz. 88, 89).
3. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO hat auch der BGH bereits entschieden, dass die in dem angefochtenen Beschluss unterbliebene Zulassung nicht nachgeholt werden kann, auch nicht in entsprechender Anwendung von § 321 ZPO (BGH NJW 2004, 779 = MDR 2004, 465). Das Gericht ist nämlich an seine einmal getroffene Entscheidung, in der die Zulassung der Rechtsbeschwerde unterblieben ist, grundsätzlich gebunden (BGH a.a.O.). Für die Zulassung der Beschwerde nach § 33 Abs. 3 Satz 2 RVG kann nichts anderes gelten.
a) Allerdings könnte eine gerichtliche Entscheidung, in der die beschlossene Zulassung eines Rechtsmittels versehentlich nicht ausgesprochen worden ist, nach § 319 Abs. 1 ZPO berichtigt werden (BGH NJW 2004, 779 und zur Zulassung der Berufung BGH NJW 2004, 2389). Dies kommt aber nur dann in Betracht, wenn das Versehen des Gerichts nach außen hervorgetreten und auch für Dritte aus dem Zusammenhang der Entscheidung selbst oder mindestens aus den Vorgängen bei deren Erlass oder Verkündung erkennbar geworden ist (BGH a.a.O.). Ein solcher Fall lag hier jedoch nicht vor. Dem Beschluss des AG vom 1.4.2010 lässt sich auch nicht andeutungsweise entnehmen, dass die Beschwerde hiergegen zugelassen werden sollte.
b) Eine ergänzende Zulassung der Beschwerde käme nach der Rech...