Verfahrensgang
LG München II (Beschluss vom 27.02.2014; Aktenzeichen 4 HK O 963/14) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des LG München II vom 27.2.2014 aufgehoben.
II. Der Antragsgegnerin wird bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft - zu vollstrecken an dem Oberbürgermeister - geboten, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bei Strom- und Gaslieferungsverträgen, die mit Verbrauchern im Sinne des § 13 BGB außerhalb der Grundversorgung geschlossen werden oder geschlossen werden sollen, folgende Klausel zu verwenden und/oder verwenden zu lassen:
"Der Lieferant ist verpflichtet, die Preise nach Ziffer 6.1 - mit Ausnahme der gesondert nach Ziffer 6.2 an den Kunden weitergegebenen Strom- und Umsatzsteuer - nach billigem Ermessen der Entwicklung der Kosten anzupassen, die für die Preisberechnung maßgeblich sind."
ohne deutlich auf die Möglichkeit einer Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB hinzuweisen.
III. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen zu tragen.
IV. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 40.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
I. Von einem Tatbestand wird in entsprechender Anwendung der Vorschriften §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg.
1. Der geltend gemachte Verfügungsanspruch ergibt sich aus §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. 307 Abs. 1 BGB.
Gegenstand des Verfügungsverfahrens ist ausweislich des Verfügungsantrags allein die Frage, ob die Antragsgegnerin verpflichtet ist, die von ihr verwandte Klausel
"Der Lieferant ist verpflichtet, die Preise nach Ziffer 6.1 - mit Ausnahme der gesondert nach Ziffer 6.2 an den Kunden weitergegebenen Strom- und Umsatzsteuer - nach billigem Ermessen der Entwicklung der Kosten anzupassen, die für die Preisberechnung maßgeblich sind."
mit einem (deutlichen) Hinweis auf die Möglichkeit einer Billigkeitskontrolle gemäß § 315 Abs. 3 BGB zu versehen (zum Streitgegenstand BGH GRUR 2013, 401 Tz. 25 - Biomineralwasser).
Die von der Antragsgegnerin verwendete Preisanpassungsklausel ist unwirksam, da sie die Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 BGB). Die Preisanpassungsklausel genügt nicht den Anforderungen, die an die tatbestandliche Konkretisierung eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts zu stellen sind. Sie lässt jedenfalls bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung nicht hinreichend deutlich erkennen, dass dem Kunden das Recht zusteht, die von der Antragsgegnerin nach billigem Ermessen vorzunehmende Preisanpassung gemäß § 315 Abs. 3 BGB gerichtlich auf Billigkeit überprüfen zu lassen (BGH NJW 2013, 3647 Tz. 43 f.). Die Verwendung der Worte "billiges Ermessen" in der streitgegenständlichen Klausel lässt den Durchschnitlskunden nicht erkennen, dass die Preisänderungen der Billigkeitskontrolle gem. § 315 BGB Abs. 3 BGB unterliegen und ihm damit eine gerichtliche Überprüfung möglich ist.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass dem Kunden in den AGB der Antragsgegnerin ein Kündigungsrecht eingeräumt wird. Das Kündigungsrecht kann schon deshalb nicht als Kompensation für den fehlenden Hinweis auf die Billigkeitskontrolle gesehen werden, weil mit diesem Recht seiner Zielsetzung und Wirkung nach einem diametral entgegengesetzten Kundeninteresse (Vertragsbeendigung/Anbieterwechsel) entsprochen wird.
2. Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, die Antragstellerin habe nicht dargelegt, dass die fragliche Klausel in der Praxis überhaupt eingesetzt werde, ist festzustellen, dass die Antragsgegnerin die AGB mit der fraglichen Klausel unstreitig auf ihrer Internetseite zum Abruf bereit hält. Damit ist ein Einsatz in der Praxis hinreichend belegt.
3. Die Geltendmachung des Anspruchs ist auch nicht rechtsmissbräuchlich.
Ein Missbrauch liegt vor, wenn der Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen (BGH GRUR 2000, 1089, 1090 - Missbräuchliche Mehrfachverfolgungen; BGH WRP 2010, 640 Tz. 19 - Klassenlotterie; BGH GRUR 2001, 260, 261 - Vielfachabmahner; BGH GRUR 2009, 1180 Tz. 20 - 0,00-Grundgebühr; BGH GRUR 2012, 286 Tz. 13 - Falsche Suchrubrik).
Aus den vorgelegten Anlagen Ast 9 bis Ast 11 ergibt sich entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin nicht, dass es die Antragsgegnerin zu ihrem Geschäftsmodell erkoren hat, massenhaft abzumahnen. Aus den fraglichen Anlagen ergibt sich allenfalls, dass die Antragstellerin mehrere Entscheidungen erstritten hat, mit denen Wettbewerbern die Verwendung unwirksamer Klauseln untersagt wurde. Dass dabei sachfremde Interessen verfolgt wurden, ist nicht ersichtlich.
III. Zu den Nebenentscheidungen
1. Die Entscheidung üb...