Leitsatz (amtlich)

Gerichtsstandsbestimmung bei Konkurrenz von nationalen mit Zuständigkeitsnormen der Brüssel I-Verordnung (im Anschluss an BGH vom 6.5.2013 - X ARZ 181/13).

 

Normenkette

EuGVVO Art. 15, 16 Abs. 1; ZPO § 12 ff., § 36 Abs. 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 22 O 24933/12)

 

Tenor

Als zuständiges Gericht wird das LG München II bestimmt.

 

Gründe

I. Der im Bezirk des LG München II wohnhafte Antragsteller macht mit seiner zum LG München I (Az. 22 O 24933/12) erhobenen Klage gegen die fünf Antragsgegnerinnen Ansprüche wegen einer fehlgeschlagenen Kapitalanlage (xxx) geltend, an der er sich seinem Vortrag zufolge im Jahr 2002 mit einer Einlage von 25.000 EUR beteiligt hat.

In Anspruch genommen werden:

die Antragsgegnerin zu 1 als beratende Bank,

die Antragsgegnerin zu 2 als Initiatorin des Fonds, Platzierungsgarantin und Geschäftsbesorgerin,

die Antragsgegnerin zu 3 als Treuhänderin,

die Antragsgegnerin zu 4 als Partnerin des abgeschlossenen Treuhand- und Beteiligungsverwaltungsvertrags,

schließlich die Antragsgegnerin zu 5 als in das Beteiligungskonzept eingebundene fremdfinanzierende Bank.

Die Antragsgegnerinnen zu 2 bis 4 haben ihren Sitz im Bezirk des LG München I, die Antragsgegnerin zu 1 ist in Frankfurt/M. geschäftsansässig, während deren Beratungsleistungen im Bezirk des LG Darmstadt erbracht wurden. Die Beteiligte zu 5 ist die in Dublin/Irland ansässige selbständige Tochtergesellschaft einer deutschen Landesbank.

Der Antragsteller hat Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts gestellt. Die Antragsgegnerinnen hatten Gelegenheit zur Stellungnahme, namentlich auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des BGH vom 6.5.2013 (Az. X ARZ 65/13 zitiert nach www.bundesgerichtshof.de) zum Verhältnis zwischen inländischen Gerichtsständen und konkurrierenden Gerichtsständen nach der Brüssel I-Verordnung (EuGVVO).

II. Auf den zulässigen Antrag an das zuständige OLG (§ 36 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 ZPO) bestimmt der Senat das LG München II als gemeinsam zuständig. Die Voraussetzungen für die Zuständigkeitsbestimmung - namentlich fehlender gemeinschaftlicher Gerichtsstand sowie Streitgenossenschaft nach §§ 59, 60 ZPO (dazu etwa BGH vom 3.5.2011 - X ARZ 101/11, bei juris) - sind erfüllt. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO findet auch Anwendung, wenn für einen der Antragsgegner im Inland lediglich ein besonderer Gerichtsstand nach unionsrechtlichen Zuständigkeitsbestimmungen begründet ist und die anderen Antragsgegner ihren allgemeinen Gerichtsstand im Inland haben (BGH vom 6.5.2013, Leitsatz 1). Für die Antragsgegnerin zu 5 bedingt dies die ausschließliche Zuständigkeit des LG München II; denn der in dessen Bezirk wohnhafte Antragsteller ist unzweifelhaft Verbraucher (Art. 15 Abs. 1 Buchst. c, Art. 16 Abs. 1, Art. 59 Abs. 1 EuGVVO, § 7 BGB).

Als zuständige (inländische) Gerichte kommen in Betracht:

1. Die LG Frankfurt/M. und München I als Gerichte am Sitz des jeweiligen Unternehmens (§ 17 Abs. 1 ZPO), das LG Darmstadt im Hinblick auf den inländischen Gerichtsstand nach § 29 ZPO, das LG München II als aus dem europäischen Recht folgender Gerichtsstand für Verbrauchersachen (Art. 16 Abs. 1 EuGVVO). Sofern einer der Antragsgegnerinnen zu 2 bis 4 "Anbieter" i.S.v. § 32b ZPO mit dem daraus für Inlandsfälle folgenden ausschließlichen Gerichtsstand beim LG München I ist, wäre dieses Gericht nach § 32b Abs. 1 Nr. 2 ZPO (n.F.) auch für die Klage gegen die Antragsgegnerin zu 1 zuständig. Dies kann aus den nachfolgenden Gründen offen bleiben.

2. Denn bei Konkurrenz mit Gerichtsständen nach der Brüssel I-Verordnung hat der Senat kein Auswahlermessen, welches Gericht als (örtlich) zuständig zu bestimmen ist. Zur Begründung wird auf den Beschluss des BGH vom 6.5.2013 (bei Rz. 18) Bezug genommen. Hiernach kann die aus dem europäischen Zivilverfahrensrecht folgende abschließende Zuständigkeitsregel im Bestimmungsverfahren nicht überwunden werden. Deshalb kann es keine Rolle spielen, dass das Verfahren bereits geraume Zeit bei einem für die Mehrzahl der Antragsgegnerinnen zuständigen Gericht anhängig ist, eine Verlagerung deshalb zu Verzögerungen und zusätzlichem Ressourcenaufwand führen kann (und voraussichtlich wird), das zunächst angerufene Gericht nach § 37 GZVJu für Klagen auf Grund falscher, irreführender oder unterlassener Kapitalmarktinformationen (§ 32b ZPO) auch für den Landgerichtsbezirk München II zuständig ist und beide LG ihren Sitz in derselben Stadt haben. Es ist nämlich zu beachten, dass die so verstandene Hierarchie zwischen europäischen und nationalen Zuständigkeitsnormen auch den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) präjudiziert.

3. Ob es Fälle gibt, in denen die für eine der Prozessparteien aus dem europäischen Recht folgende Zuständigkeit für die andere inländische Prozesspartei unzumutbar ist und welche Folgen daraus zu ziehen wären, kann auf sich beruhen, weil ein derartiger Fall nicht gegeben ist. Die Antragsgegnerinnen zu 2 bis 4 haben sich ausdrücklich mit einer Bestimmung des LG München II einverst...

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