Leitsatz (amtlich)
1. In Nachlassverfahren begründet ein Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit regelmäßig keinen Verfahrensmangel.
2. Zur Aufhebung einer Nachlasspflegschaft genügt die hohe Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Person Erbe geworden ist; letzte Gewissheit ist nicht erforderlich.
Normenkette
FGG § 27 Abs. 1 S. 2; ZPO § 547 Nr. 5; BGB § 1960
Verfahrensgang
LG München II (Beschluss vom 05.07.2005; Aktenzeichen 8 T 4656/01) |
AG Garmisch-Partenkirchen (Aktenzeichen VI 645/99) |
Tenor
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) und 3) gegen den Beschluss des LG München II vom 5.7.2005 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten zu 2) und 3) haben die der Beteiligten zu 1) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 500.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der kinderlose Erblasser ist am 20.8.1999 im Alter von 86 Jahren verstorben. Seine erste Ehefrau ist am 20.1.1992 vorverstorben; die Beteiligten zu 2) und 3) sind deren entfernte Verwandte. In zweiter Ehe war der Erblasser seit 25.6.1999 mit der Beteiligten zu 1) verheiratet.
Es liegt ein gemeinschaftliches Testament des Erblassers und seiner ersten Ehefrau vom 1.12.1986 vor, in dem sich die Eheleute gegenseitig als Erben und die Beteiligten zu 2) und 3) als Erben des Letztversterbenden eingesetzt haben. Sie haben weiter bestimmt, dass der Überlebende nach dem Tode des Erstversterbenden das Recht haben soll, die Erbeinsetzung nach dem Letztversterbenden nach Belieben zu ändern.
Mit der Beteiligten zu 1) hat der Erblasser am 19.2.1999 einen notariellen Erbvertrag geschlossen, indem er sie, ersatzweise ihre Abkömmlinge, zu Erben eingesetzt hat. Der Vertrag enthält für beide Vertragsparteien ein Rücktrittsrecht.
Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus einem Mehrfamilienhaus im Wert von rund 1,05 Mio. EUR sowie Bankguthaben und Wertpapieren im Wert von rund 250.000 EUR.
Die Beteiligte zu 1) sieht sich auf Grund des notariellen Erbvertrages vom 19.2.1999 als Alleinerbin an. Einen Erbscheinsantrag hat sie nicht gestellt. Die Beteiligten zu 2) und 3) haben die Testierfähigkeit des Erblassers bei Abschluss des Erbvertrages bezweifelt und am 7.9.1999 Antrag auf einen Erbschein gestellt, der sie als Erben zu je ½ aufgrund des gemeinschaftlichen Testamentes vom 1.12.1986 ausweisen sollte. Ferner haben sie geltend gemacht, die Beteiligte zu 1) sei erbunwürdig.
Mit Beschl. v. 10.9.1999 hat das AG Nachlasspflegschaft mit dem Wirkungskreis Sicherung und Verwaltung des Nachlasses angeordnet und einen Rechtsanwalt zum Nachlasspfleger bestellt. Den Antrag der Beteiligten zu 1) auf Aufhebung der Nachlasspflegschaft hat das AG mit Beschl. v. 11.10.1999 zurückgewiesen; die Rechtsmittel der Beteiligten zu 1) blieben erfolglos.
In der Folgezeit hat das AG Ermittlungen zur Testierfähigkeit des Erblassers angestellt. Es hat Stellungnahmen der behandelnden Ärzte und des Notars eingeholt und ein Sachverständigengutachten erstatten lassen. Der Sachverständige Dr. B. kommt zu dem Ergebnis, dass zwar vieles dafür spreche, dass der Erblasser zur Zeit der Errichtung des Erbvertrages stark unter dem Einfluss der Beteiligten zu 1) gestanden habe, sich jedoch Geschäfts- und Testierunfähigkeit auf Grund der zur Verfügung stehenden Erkenntnisse nicht beweisen lasse. Die Beteiligten zu 2) und 3) haben daraufhin ihren Erbscheinsantrag vom 7.9.1999 zurückgenommen.
Wegen des Todes des Erblassers, der an einer nicht behandelten Lungenentzündung verstorben ist, wurde ein Strafverfahren gegen die Beteiligte zu 1) geführt, das im Dezember 2003 durch einen rechtskräftigen Freispruch abgeschlossen wurde.
Das Nachlassgericht hat mit Beschl. v. 19.7.2001 und Beschl. v. 12.2.2004 die von der Beteiligten zu 1) beantragte Aufhebung der Nachlasspflegschaft abgelehnt. Hiergegen hat die Beteiligte zu 1) Beschwerde eingelegt. Das LG hat insb. zur Frage der Testierfähigkeit des Erblassers und der Existenz eines weiteren, nicht auffindbaren gemeinschaftlichen Testaments zugunsten der Beteiligten zu 2) und 3) weitere Ermittlungen angestellt. Es hat die Strafakten beigezogen und am 7.12.2004 und 14.4.2005 die Beteiligten persönlich angehört, mehrere Zeugen vernommen und einen Sachverständigen zur Frage der Testierfähigkeit gehört.
Mit Schriftsatz vom 8.5.2005 haben die Beteiligten zu 2) und 3) erneut beim Nachlassgericht Antrag auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins gestellt. Sie stützen nun ihr Erbrecht auf ein bisher nicht auffindbares, nach ihrem Vortrag Anfang der 90-er Jahre vom Erblasser und seiner ersten Ehefrau errichtetes gemeinschaftliches Testament, in dem sie zu Erben des überlebenden Ehegatten eingesetzt sein sollen, ohne dass letzterem ein Abänderungsrecht eingeräumt worden sein soll. Über diesen Erbscheinsantrag hat das Nachlassgericht bisher nicht entschieden.
Mit Beschl. v. 5.7.2005 hat das LG die Nachlasspflegschaft aufgehoben. Die Entscheidung wurde dem Nachlasspfleger am 5.8.2005 b...