Leitsatz (amtlich)
Der Höchstsatz einer 2,5fachen Geschäftsgebühr für die Tätigkeit eines Anwalts in einem Vergabenachprüfungsverfahren ist nur bei überdurchschnittlich umfangreichen und schwierigen Fällen gerechtfertigt. In einem durchschnittlich schwierigen Nachprüfungsverfahren ist ein solcher Ansatz auch dann unbillig, wenn eine mündliche Verhandlung vor der Vergabekammer stattgefunden hat.
Normenkette
RVG § 2 Abs. 2, § 14 Abs. 1; RVG-VV Nr. 2400
Verfahrensgang
Vergabekammer Südbayern (Beschluss vom 08.09.2005; Aktenzeichen Z3-3-3194.1-04-02/05) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 8.9.2005 wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.
III. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 638,50 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin schrieb im Offenen Verfahren Europaweit die Gebäudeautomation für den Neubau des Max-Planck-Instituts für molekulare Biomedizin in M. aus. Die Antragstellerin stellte am 16.2.2005 einen Nachprüfungsantrag, welchem die Vergabekammer mit Beschl. v. 19.4.2005 stattgab. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wurde dieser Beschluss durch Beschluss des OLG München vom 5.7.2005 aufgehoben, der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückgewiesen und die Verfahrenskosten der Antragstellerin auferlegt; die Zuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten im Verfahren vor der Vergabekammer wurde für die Antragsgegnerin für notwendig erklärt.
Mit Schriftsatz vom 15.7.2005 beantragte die Antragsgegnerin, die ihr entstandenen Kosten bei einem Gegenstandswert von 94.818,55 EUR folgendermaßen festzusetzen:
Geschäftsgebühr §§ 13, 14, Nr. 2400 RVG-VV 2,5 3.192,50 EUR
Terminsgebühr § 13, Nr. 3104 RVG-VV 1,2 1.532,40 EUR
Post- und Telekommunikation Nr. 7002 RVG-VV 40,00 EUR
4.764,90 EUR
Mit Beschl. v. 8.9.2005 setzte die Vergabekammer die der Antragsgegnerin durch die anwaltliche Vertretung erwachsenen notwendigen Aufwendungen im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer auf insgesamt 2.594 EUR (Geschäftsgebühr von 2.554 EUR zzgl. 40 EUR Auslagenpauschale) fest. Zur Begründung führte die Vergabekammer aus, in Anlehnung an die bisherige Rechtsprechung zur BRAGO werde ein Satz von 2,0 für die Geschäftsgebühr angenommen. Eine Gebühr von mehr als 1,3 könne gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig gewesen sei. Mit dem 2,0-fachen Satz werde dem Willen des Gesetzgebers Rechnung getragen, mit der neuen Gebührenstruktur des RVG die wirtschaftliche Situation der Anwaltschaft zu verbessern.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie meint, die Kappungsgrenze spiele in Vergabesachen im allgemeinen keine Rolle, da in der großem Mehrzahl der Fälle Nachprüfungsverfahren umfangreich oder schwierig oder beides seien; dies habe sich nach der Normierung des RVG nicht geändert. Im vorliegenden Nachprüfungsverfahren sei die Tätigkeit jedenfalls umfangreich gewesen. Auch sei die Begründung zur Festsetzung des nur 2,0-fachen Gebührensatzes nicht nachvollziehbar, da der Ansatz von 2 × 10/10 Gebühr nach § 118 BRAGO den Gebührenrahmen gerade ausgeschöpft habe. Dem Willen des Gesetzgebers, die wirtschaftliche Situation der Anwaltschaft zu verbessern, werde bei einer Festsetzung des 2,0-fachen Satzes anstelle der 20/10 Gebühr nach BRAGO gerade nicht Rechnung getragen.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Der Antragsgegnerin steht nicht mehr als die von der Vergabekammer festgesetzte 2,0-fache Geschäftsgebühr zu.
Wird der Rechtsanwalt im Vergabenachprüfungsverfahren nach den §§ 97 ff. GWB tätig, richtet sich seine Vergütung nach Teil 2 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zu § 2 Abs. 2 RVG, da er außergerichtlich tätig wird. Für diese Tätigkeit erhält der Rechtsanwalt eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 RVG-VV. Vorgesehen ist ein Gebührenrahmen von 0,5 bis 2,5. Bei Rahmengebühren bestimmt der Rechtsanwalt im Einzelfall die Gebühr unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (§ 14 Abs. 1 S. 1 RVG). In der Praxis wird grundsätzlich von dem Mittelwert der einschlägigen Rahmengebühr ausgegangen (Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl., § 14 RVG Rz. 14); der Höchstwert ist nur bei überdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnissen und einer besonderen Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit anzusetzen (Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl., § 14 RVG Rz. 15). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 S. 4 RVG). Unter welchen Umständen ein solcher Ermessensmissbrauch des Anwalts zu bejahen ist, ist in der Rechtsprechung umstritten; überwiegend wird von einer Unbilligkeit dann ausgegangen, wenn die Gebühr um m...