Leitsatz (amtlich)
Bestimmt die Satzung eines Vereins ohne nähere Angaben eine Frist für die Einberufung der Mitgliederversammlung, beginnt diese regelmäßig mit dem Zeitpunkt, zu dem bei normaler postalischer Beförderung mit dem Zugang bei allen Mitgliedern zu rechnen ist.
Normenkette
BGB § 32
Verfahrensgang
AG Kempten (Aktenzeichen VR 10486 (Fall 15)) |
Tenor
Die Zwischenverfügung des AG Kempten (Allgäu) - Registergericht - vom 16.02.2015 wird aufgehoben.
Gründe
I. Zur Eintragung im Vereinsregister ist eine Veränderung im Vorstand angemeldet. In der Mitgliederversammlung vom 13.12.2014 haben Vorstandswahlen stattgefunden, der 2. Vorsitzende des Vorstands wurde neu gewählt.
§ 7 Ziff. 2 der Satzung bestimmt: "Die Einberufung erfolgt schriftlich unter Angabe der Tagesordnung ... Enthält die Tagesordnung einer Mitgliederversammlung Anträge auf Satzungsänderung, Ab- oder Neuwahlen eines Vorstandsmitgliedes oder Auflösung des Vereines, so hat die schriftliche Einladung mindestens 14 Tage vor dem Versammlungstermin unter Angabe des Änderungstextes bzw. des Auflösungsantrages mit Begründung zu erfolgen."
Die Einladung zur Mitgliederversammlung ist am Donnerstag, den 27.11.2014, zur Post gegeben worden. Der Verein hatte im Dezember 2014 rund 100 Mitglieder. Die meisten Mitglieder sind in der näheren Umgebung, einige im übrigen Bundesgebiet ansässig, ein Mitglied ist im April 2014 nach Ungarn verzogen.
Einige Vereinsmitglieder haben gegenüber dem Registergericht gerügt, die Versammlung sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Mehrere Personen, die Anfang 2014 ihren Beitritt erklärt hätten, seien nicht eingeladen worden, obwohl ihnen von einem Vorstandsmitglied die Aufnahme zugesagt worden sei. Ihnen sei der Zutritt zur Versammlung verwehrt worden. Das Vereinsmitglied in Ungarn habe die Einladung erst am 5.12.2014 erhalten, obwohl er den Umzug mitgeteilt und darauf hingewiesen habe, dass die Post nach Ungarn länger dauere. Das Protokoll habe eine Mitarbeiterin geführt, die nicht Vereinsmitglied sei.
Mit Zwischenverfügung vom 16.02.2015 hat das Registergericht die Vorlage einer Mitgliederliste verlangt und darauf hingewiesen, dass nicht alle Mitglieder im Ortsbereich ansässig seien und deshalb nach § 270 Abs. 2 S. 1 ZPO die Mitteilung erst am zweiten Werktag nach Aufgabe zur Post als bewerkstelligt gelte. Wegen der Mängel der Einberufung liege keine wirksame Beschlussfassung vor.
Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte Beschwerde, mit der eine Liste des rund 100 Mitglieder des Vereins zum Zeitpunkt der Versammlung vorgelegt wurde. Nicht alle Personen, die dem Verein beitreten wollten, seien auch aufgenommen worden. Über die Aufnahme entscheide der Vorstand, vertretungsberechtigt seien stets nur zwei Mitglieder des Vorstands. Die Einladungsfrist sei eingehalten, denn mit "erfolgen" sei die Aufgabe zur Post gemeint. Dass ein Mitglied nach Ungarn verzogen sei, sei eine private Lebensentscheidung und falle nicht in die Risikosphäre des Vereins. Im Übrigen seien an dieses Mitglied zwei Einladungen versandt worden. Das erste Schreiben sei nach Annahmeverweigerung zurückgekommen. Daraufhin sei die Einladung erneut versandt worden und nach Angaben des Mitglieds am 5.12.2014 angekommen. Damit sei ihm genug Zeit verblieben, um an der Sitzung teilzunehmen und sich vorzubereiten. Das Protokoll sei von der Schriftführerin unterzeichnet worden.
Das AG hat der Beschwerde mit Beschluss vom 28.3.2015 nicht abgeholfen. Die Eintragung könne nicht erfolgen, weil nicht alle Mitglieder ordnungsgemäß zur Mitgliederversammlung eingeladen worden seien. Daher müsse das Verfahren nicht im Hinblick darauf ausgesetzt werden, dass eine Entscheidung des Prozessgerichts hinsichtlich der Aufnahme weiterer Mitglieder noch ausstehe.
II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die vom Registergericht beanstandeten Eintragungshindernisse liegen nicht vor.
1. Die Einladung des in Ungarn lebenden Vereinsmitglieds ist zwar nicht fristgerecht erfolgt. Es ist jedoch zur Überzeugung des Senats ausgeschlossen, dass bei fristgerechter Ladung auch dieses Mitglieds ein anderes Beschlussergebnis erzielt worden wäre.
a) Die Regelung zur Einladungsfrist in der Satzung ist auslegungsbedürftig. Die Satzung ist objektiv "aus sich heraus" auszulegen, denn die Verfassung eines Verbandes muss wegen der wechselnden Mitglieder aus dem Empfängerhorizont verstanden werden. Dementsprechend spielt der Wortlaut in seiner evtl. typischen Bedeutung eine erhöhte Rolle, während nur eingeschränkt für die Auslegung zu berücksichtigen sind; eine teleologische Auslegung hat sich an objektiv bekannten Umständen zu orientieren (allg. Meinung, vgl. BGH NJW 1989, 1212). Maßgeblich sind der Vereinszweck und die wohlverstandenen Interessen der Mitglieder (Stöber/Otto, Handbuch zum Vereinsrecht, 10. Aufl. 2012, Rn. 52 m.w.N.).
(1) Dem Wortlaut lässt sich nicht eindeutig entnehmen, ob es für die Wahrung der Frist auf den Versand der Einladungen durch den Verein oder auf den Zugang der Schreiben be...