Leitsatz (amtlich)

1. Zur Anerkennungsfähigkeit eines ukrainischen Schiedsspruchs.

2. Zu den Voraussetzungen für die Annahme eines Scheingeschäfts.

3. Beruft sich eine Schiedspartei im Anerkennungsverfahren darauf, eine Schiedsklausel sei nur zum Schein abgeändert worden, hat sie insoweit die Darlegungs- und Beweislast.

 

Normenkette

BGB § 117; ZPO § 1061 Abs. 1 S. 1; UN-Ü Art. 2, 5

 

Tenor

  • I.

    Das aus dem Einzelschiedsrichter bestehende Schiedsgericht des Internationalen Kommerziellen Schiedsgerichts bei der Handels- und Industriekammer der Ukraine erließ in dem zwischen der Antragstellerin als Schiedsklägerin und der Antragsgegnerin als Schiedsbeklagter in Kiew/Ukraine geführten Schiedsverfahren am 19. Oktober 2009 folgenden Schiedsspruch:

    Das Schiedsgericht hat beschlossen:

    die ... (= Schiedsbeklagte) zu verpflichten, der ... (= Schiedsklägerin) den Betrag in Höhe von Euro 374.450,54 - den Wert der gelieferten Ware und Euro 5.335,11 - die Entschädigung der entrichteten Gerichtsgebühr, insgesamt Euro 379.785,65 (dreihundertneunundsiebzigtausendsiebenhundertfünfundachtzig 65/100 Euro) unverzüglich nach der Zustellung dieses Beschlusses zu zahlen.

  • II.

    Dieser Schiedsspruch wird zugunsten der Antragstellerin in dem vorstehend wiedergegebenen Umfang für vollstreckbar erklärt.

  • III.

    Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens.

  • IV.

    Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.

  • V.

    Der Streitwert wird auf 379.785,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt die Vollstreckbarerklärung eines am 19.10.2009 in Kiew/Ukraine erlassenen Schiedsspruchs.

Die Antragsgegnerin ist ein deutsches Unternehmen in der Rechtsform einer GmbH mit Sitz in Bayern. Die Antragstellerin ist ein ukrainisches, privatrechtliches Handelsunternehmen. Beide befassen sich mit dem Handel und der Weiterverarbeitung von edelmetallhaltigem Schrott, Schlamm, Schamott, Pulverabfällen, verbrauchten Katalysatoren und petrochemischen Katalysatoren.

Am 19.2.2008 schlössen die Parteien einen Vertrag (01/02-2008), nach dem die Antragstellerin der Antragsgegnerin edelmetallhaltige Abfälle aus der Ukraine nach Deutschland liefern sollte. In Punkt 5.5. ist geregelt:

Alle in diesem Vertrag geregelten Punkte werden vor dem Internationalen Schiedsgericht der Züricher Handelskammer (Schweiz) gemäß dessen Geschäftsordnung verhandelt und entschieden.

Mit Datum vom 10.6.2008 schlössen die Parteien folgende Zusatzvereinbarung (Nr. 2):

5.

die Vertragsparteien haben sich geeinigt, den Vertragspunkt 5.5 folgendermaßen zu ändern:

- Alle vertraglichen Konflikte, Streitigkeiten oder Ansprüche auch die, die seine Erfüllung, Verletzung, Aufhebung oder Ungültigkeit betreffen, werden vor dem Internationalen Kommerziellen Schiedsgericht der Ukrainischen Handels- und Industriekammer in Kiew gemäß dessen Geschäftsordnung entschieden.

- Anzahl der Schiedsrichter: Einer

- Ort der Verhandlung: Kiew, Ukraine

Die Schiedsgerichtsverhandlung wird in russischer Sprache durchgeführt.

7.

Diese Zusatzvereinbarung ist ein integraler Bestandteil des Vertrages, sie tritt mit ihrer Unterzeichnung in Kraft und gilt bis 30. Dezember 2010.

Da die Antragsgegnerin nur einen Teil (571.560 EUR) des vereinbarten Kaufpreises (1.399.781,31 EUR) gezahlt hatte, rief die Antragstellerin im Dezember 2008 das in der Zusatzvereinbarung vom 10.6.2008 bezeichnete Kommerzielle Schiedsgericht in Kiew an.

Das Schiedsgericht gab nach Durchführung des Verfahrens, an dem sich die Antragsgegnerin beteiligt hatte, mit seiner Entscheidung vom 19.10.2009 der Klage zum Teil, nämlich in Höhe von 374.450,54 EUR, zuzüglich gerichtlicher Gebühren, statt.

Unter Vorlage des in russischer Sprache abgefassten Schiedsspruchs samt deutscher Übersetzung beantragt die Antragstellerin, den Schiedsspruch, soweit Verurteilung ausgesprochen wurde, für vollstreckbar zu erklären.

Die Antragsgegnerin widersetzt sich einer Vollstreckbarerklärung und trägt im Wesentlichen vor:

Das Oberlandesgericht München sei für die Anerkennung ausländischer Schiedssprüche nicht zuständig.

Es fehle an einer rechtskräftigen Feststellung eines deutschen Gerichts. Die Bestandskraft eines ausländischen Schiedsspruchs sei grundsätzlich nicht mit einem inländischen Schiedsspruch vergleichbar. Es handele sich vielmehr um ein Urteil nach ukrainischem Recht, weil die Entscheidung endgültig und auch eine Kostenentscheidung getroffen worden sei.

Es werde bestritten, dass der Schiedsspruch zugestellt worden sei, darüber hinaus sei das Urteil nicht ordnungsgemäß übersetzt.

Es sei keine wirksame Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien geschlossen worden. Die ursprüngliche Vereinbarung vom 19.2.2008 sehe ein Schlichtungsverfahren vor der Handelskammer in Zürich nach schweizerischem Recht vor. Lediglich auf Drängen der Antragstellerin sei unter Bezugnahme auf eine angebliche Zollproblematik als Scheingeschäft eine abweichende vertragliche Regelung getroffen worden, die dann zu dem Verfahren in der Ukraine geführt habe.

Die Antragstellerin habe, als es zu Problemen mit ...

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