Entscheidungsstichwort (Thema)
Patent: Selbständiges Beweisverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Der Anspruch auf rechtliches Gehör steht der Partei zu, nicht ihren patent- oder rechtsanwaltlichen Vertretern.
2. Ob eine Partei grundsätzlich auf diesen Anspruch ganz oder teilweise verzichten kann, erscheint zweifelhaft.
De facto hilft ein teilweiser Verzicht (nur die Anwälte bzw. die Patentanwälte erhalten Einsicht in ein Sachverständigengutachten) nicht weiter, da die Vertreter der (im Patentverletzungsstreit regelmäßig sehr) sachkundigen Partei deren Interessen nicht ohne deren Mitwirkung wahrnehmen können.
3. Dem Antragsgegner steht das Recht auf Eigentum, Art. 14 Abs. 1 GG, zu in Bezug auf seinen eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, welches auch den Schutz von Betriebsgeheimnissen beinhaltet.
4. Geeignete Maßnahmen, mit welchen den berechtigten Interessen beider Parteien Rechnung getragen werden soll, können nur vor Erlass eines Beweissicherungsbeschlusses getroffen werden.
Normenkette
ZPO § 485; GG Art. 14 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 31.03.2008; Aktenzeichen 21 OH 17787/07) |
Nachgehend
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des LG München I vom 31.3.2008 i.d.F. des Berichtigungsbeschlusses vom 4.4.2008 wird als unbegründet kostenfällig zurückgewiesen.
2. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 200.000 EUR festgesetzt.
3. Die Rechtsbeschwerde zum BGH wird zugelassen.
Gründe
I.1. Die Antragstellerin ist Inhaberin des deutschen Patents DE 44 46 560 C 1 betreffend ein Verfahren zum Schweißen von Werkstücken mit Laserstrahlung.
Patentanspruch 1 lautet wie folgt:
1. Verfahren zum Schweißen von Werkstücken (10) mit Laserstrahlung, die auf das relativbewegte Werkstück (10) fokussiert wird und eine Verdampfung von Werkstoff bewirkt, wobei außer der Laserstrahlung (11) ein im Laserstrahlschweißbereich (14) des Werkstücks (10) fußender Lichtbogen (12) eingesetzt wird, dadurch gekennzeichnet, dass ein Werkstück (10) mit einer den Lichtbogen (12) im durch den Strahlfleck der Laserstrahlung (11) bestimmten Schweißbereich (14) führenden und dabei zusammenschnürenden dielektrikumsfreien Oberflächenspur (13) in einer den übrigen Schweißbereich (14) durchweg bedeckenden dielektrischen Schicht (15) verwendet wird.
Hierzu hat die Antragstellerin eine Merkmalsanalyse wie folgt vorgelegt:
Merkmalsanalyse DE 44 46 560 C1
(1) Verfahren zum Schweißen von Werkstücken mit Laserstrahlung
(2) die Laserstrahlung wird auf das relativbewegte Werkstück fokussiert
(3) durch die Laserstrahlung wird eine Verdampfung von Werkstoff bewirkt
(4) außer der Laserstrahlung wird ein im Laserstrahlschweißbereich des Werkstücks fußender Lichtbogen eingesetzt
- Oberbegriff -
(5) Verwendung eines Werkstücks mit einer Oberflächenspur, die den Lichtbogen im durch den Strahlfleck der Laserstrahlung bestimmten Schweißbereich führt
(6) die Oberflächenspur schnürt den Lichtbogen zusammen
(7) die Oberflächenspur ist dielektrikumfrei
(8) der übrige Schweißbereich ist durchweg mit einer dielektrischen Schicht bedeckt;
- Kennzeichen -
Für den weiteren Inhalt der Patentschrift wird auf die Anlage ASt 1 verwiesen.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, die Antragsgegnerin mache jedenfalls bei der Herstellung ihres (= der Antragsgegnerin) Top-Modells Audi A 8 vom geschützten Verfahren Gebrauch.
Dies ergebe sich - Merkmal für Merkmal - aus einer Dissertation eines Herrn ..., welche als Anlage ASt 3 vorgelegt ist.
Da die Beklagte aber die Verwirklichung einiger Merkmale des Patentanspruchs leugne, sei die Besichtigung der in den Räumen der Antragsgegnerin in N. befindlichen Laserstrahl-MIG-Hybrid-Schweißstationen erforderlich.
Die Antragstellerin hat daher unter dem 24.9.2007 einen entsprechenden Antrag im selbständigen Beweisverfahren auf Sachverständigenbegutachtung und Duldungsanordnung gestellt. Auf den weiteren Inhalt der Antragsschrift wird Bezug genommen. Im Verfahren 21 O 17788/07 hat die Antragstellerin denselben Antrag nochmals gestellt.
2. Das LG München I hat im Verfahren 21 O 17788/07 unter dem 25.9.2007 folgende einstweilige Verfügung erlassen:
a) Die Antragsgegnerinnen haben es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, letztere zu vollstrecken am gesetzlichen Vertreter der Antragsgegnerinnen, zu dulden, dass der Sachverständige, Prof. Dr.-Ing. ... im Zuge der mit Beschluss von heute im Verfahren 21 OH 17787/07 angeordneten Begutachtung, ob die in der Betriebsstätte der Antragsgegnerin (...) befindlichen Laserstrahl-MIG-Hybrid-Schweißstationen, ausgestattet mit Schweißköpfen der Fa. T., das Verfahren nach Anspruch 1 des Deutschen Patents DE 44 46 560 C 1 ausführen, welches durch die Kombination folgender Merkmale gekennzeichnet ist:
(1) Verfahren zum Schweißen von Werkstücken mit Laserstrahlung
(2) die Laserstrahlung wird auf das relativbewegte Werkstück fokussiert
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